Steckbrief

Mitri Sirin

Geboren am 13. März 1973 in Rheine

Deutscher Fernsehmoderator und Journalist

Moderiert die 19-Uhr-heute-Nachrichten im ZDF und das ZDF-Morgenmagazin

Ist türkisch-syrischer Abstammung

Engagiert sich ehrenamtlich für Bildung und Kinderrechte und ist Botschafter des Kinderhilfswerks Childaid Network

Seit Ende letzten Jahres moderieren Sie die 19-Uhr-heute-Sendung. Das Niveau ist ganz schön hoch – mit der Tagesschau gehört die heute-Sendung zu den angesehensten Nachrichtensendungen im Deutschen Fernsehen. Das ist eine ganz schön große Verantwortung, oder? 

Mitri Sirin: Ja, das stimmt, die Verantwortung ist groß. Aber es ist auch eine Verantwortung, der sich jeder Nachrichtenjournalist gerne stellt. Es ist eine große Ehre, die heute-Nachrichten moderieren zu dürfen. Ich habe die „heute“ schon als kleiner Junge geschaut – dass ich diese Sendung mal selbst moderieren werde, hätte ich nie zu träumen gewagt. 

Tauschen Sie sich mit Ihrem Vorgänger Christian Sievers regelmäßig aus? 

Mitri Sirin: Von Christian kann man viel lernen. Ich empfinde seine Art, Nachrichten zu präsentieren, als modern und frisch. Aber natürlich hat jeder seine eigene Art, Nachrichten zu präsentieren, und seinen eigenen Stil. 

Als Nachrichtenmoderator ist man immer ganz nah dran am Geschehen, manchmal vielleicht näher als einem lieb ist. Kommt es auch vor, dass Sie mit einem mulmigen Gefühl ins Studio gehen, wenn die Nachrichten, die Sie präsentieren sollen, besonders schlecht sind? 

Mitri Sirin: Nein, ein mulmiges Gefühl hatte ich beim Moderieren noch nicht. Man geht aber konzentrierter und angespannter in die Sendung, etwa jetzt beim Krieg in der Ukraine. Doch als Nachrichtenmoderator ist es meine Aufgabe, zu den Geschehnissen eine professionelle Distanz zu wahren. Meine Aufgabe ist es, die Zuschauerinnen und Zuschauer zu informieren. Natürlich kann man die Geschehnisse, Bilder, Emotionen nicht einfach abschütteln, das nimmt man auch mit nach Hause. 

Haben Sie moderiert, als der Krieg in der Ukraine begann? Wie war das für Sie? 

Mitri Sirin: Ja, ich habe am 24. Februar das ZDF-Morgenmagazin moderiert – und die Nachricht vom Kriegsausbruch traf uns alle aus heiterem Himmel. Da muss man von einem Moment auf den nächsten komplett umswitchen. Wir haben sechs Stunden am Stück im Breaking-News-Stil moderiert – völlig unvorbereitet. Bei den 19-Uhr-Nachrichten ist es mir bisher noch nicht passiert, dass es ein Ereignis gab, auf das wir uns nicht vorher haben vorbereiten können. 

Wenn Sie mal zurückdenken: Welche Nachrichten haben Sie am meisten schockiert, Ihnen am meisten abverlangt zu präsentieren?

Mitri Sirin: Die mit Abstand heftigste Nachrichtenlage ist der Ukraine-Krieg für mich. Aber ich stand auch im Studio, als am 11. März 2011 der Tsunami angerollt kam und eine Atomkatastrophe in Fukushima auslöste. An jenem Freitag hatte ich in der „heute“ in Mainz die Frühnachrichten-Schicht. Aus dieser ist auch eine Breaking-News-Sendung geworden, die mehrere Stunden lief. Das hat mich ebenfalls nachhaltig beschäftigt – man verfolgt ja live, wie viel Elend und Leid auf der anderen Seite der Welt gerade über die Menschen hereinbricht – von einer Sekunde auf die andere. Da muss man eine professionelle Distanz wahren – Nachrichten und Emotionen vertragen sich in der Moderation nicht gut miteinander. Die Menschen schauen die Nachrichten, weil sie das Tagesgeschehen eingeordnet bekommen möchten, und nicht, weil sie mit dem Moderator mitleiden wollen. Es geht um Fakten, Bedeutung und Relevanz. 

Schlechte Nachrichten überwiegen ja bekanntlich die Berichterstattung, die letzten zwei Jahre haben uns dahingehend sehr viel abverlangt: erst Corona, nun der Ukraine-Krieg. Welche positive Nachricht würden Sie gerne im Laufe des Jahres in den 19-Uhr Nachrichten verlesen?

Mitri Sirin: Ich würde gerne die Friedensvereinbarung zwischen Russland und der Ukraine vermelden. Das ist momentan das Allerwichtigste. Was in der Ukraine passiert, ist schrecklich. Wenn man für die Nachrichten arbeitet, kann man ja nie abschalten und muss sich jeden Tag mit der katastrophalen Situation in der Ukraine beschäftigen. Insofern sehnt man sich nach positiven Nachrichten. Wir diskutieren in der Redaktion häufig darüber, dass wir doch nicht immer nur die schlimmsten Ereignisse präsentieren können – Hoffnungsvolles passiert ja auch in der Welt. Man nennt es konstruktiven Journalismus, wenn man gezielt auch über etwas berichtet, das gut läuft. Aber bei der Nachrichtenauswahl ist Relevanz ein wichtiges Kriterium: Wenn das Gute nicht auf der Hand liegt, sind uns die Hände gebunden. 

In Zeiten von Fake News und gezielter Desinformation … Stimmen Sie mir zu, wenn ich behaupte, dass Ihr Job als Nachrichtenmoderator und Journalist ähnlich wichtig ist, wie die eines Politikers – ich lehne mich jetzt mal bewusst weit aus dem Fenster – z.B. wie der von Bundeskanzler Olaf Scholz? 

Mitri Sirin: Das drückt sich in dem Begriff „Vierte Gewalt“ aus. Unser Job ist wichtig, gerade in einer Nachrichtenwelt, die sich immer schneller dreht. Da schätzen es viele Menschen, wenn Journalistinnen und Journalisten die Themen von allen Seiten beleuchten. Und wenn Christian Sievers oder Marietta Slomka im „heute journal“ Interviews mit Politikerinnen und Politikern führen, gehört es zum Job, den politisch Handelnden kritisch auf die Finger zu schauen. Vor allem in Krisenzeiten gibt es eine große Erwartungshaltung in der Gesellschaft, dass ordentlich Politik gemacht wird. Und unsere Aufgabe ist es, das genau zu beobachten. 

Apropos Politiker – diese zu interviewen gehört ja bekanntlich nicht zu den einfachsten Aufgaben eines Journalisten oder Moderatoren – warum ist das so? 

Mitri Sirin: Weil die große Kunst eines Politikers meist seine Rhetorik ist. Ein Politiker, der den Rahmen vorgibt, in dem sich die Gesellschaft bewegt, muss sich immer an seinen Worten und Taten messen lassen, also auch an seinen Versprechen, die er gegeben hat. Politiker versprechen den Wählerinnen und Wählern etwas, um in eine Position zu gelangen, die noch mächtiger ist, als die, die sie vorher innehatten. Und wir als Journalisten und Moderatoren müssen sie daran erinnern, was sie versprochen haben. Politik ist eine einzige große Kompromiss-Maschine: Man kann nicht alles erreichen, aber dann sollte man wenigstens so ehrlich sein und das auch klar kommunizieren. Man kann sich nicht immer aus allem herausreden. Es gibt allerdings einige Politikerinnen und Politiker, die das erkannt haben und in der Lage sind, Fehler einzugestehen, und die nicht nur sagen „wir schaffen das“, sondern die auch sagen, wenn es schmerzhaft wird und wir uns als Bürgerinnen und Bürger am Riemen reißen müssen. 

Sie haben schon als kleiner Junge die heute-Nachrichten geschaut – ist die Nachrichtenlage heute düsterer als die vor sagen wir mal 40 Jahren? 

Mitri Sirin: Man kann die heutigen Zeiten nur schwer mit den früheren vergleichen. Natürlich gab es auch vor 40 Jahren viele düstere Geschehnisse, aber es wurde noch nicht so viel darüber berichtet. Damals hat es auch einfach länger gedauert, bis Nachrichten bekannt geworden sind. Heute ist alles so schnell und transparent, alles wird dokumentiert, zu jeder Zeit, in jeder Sekunde. Das Internet hat einen Riesensprung in der Informations- und Kommunikationstechnik ermöglicht, dass man selbst kaum noch hinterherkommt. Was wir gerade erleben, ist eine permanente Überforderung aller Gesellschaftsschichten – und das betrifft vor allem die Politik. Die kommt oft gar nicht mehr dazu, sich zu erklären, weil morgen schon wieder ein anderes Thema aktuell ist. Die Politikerinnen und Politiker wirken auf mich wie Getriebene – sie müssen immer Handeln und das mit Vorausschau. Eigentlich müssten sie immer zwei Schritte vor allen anderen sein, aber das gelingt natürlich nur schwer, wenn man von allen Seiten getrieben wird. 

Sie sind ja auch Moderator beim Morgenmagazin – fällt es Ihnen leichter abends oder morgens konzentriert zu bleiben? 

Mitri Sirin: Ich versuche zu jeder Tageszeit mein Bestes zu geben. Ich mache beides sehr gerne, aber nachts aufzustehen und morgens anspruchsvolles Fernsehen zu machen, ist schon herausfordernd – und genau so ist das im Morgenmagazin: Man muss Live-Interviews mit Politikern führen, man muss relativ spontanen Eingebungen folgen und man darf nicht vergessen, dass das Morgenmagazin die längste Live-Strecke im Deutschen Fernsehen ist. Aber abends um 19 Uhr ist das nicht weniger anspruchsvoll, weil da kommt es wirklich auf jedes Wort an: Habe ich exakt genug formuliert, ist meine Moderation nicht doppeldeutig, ist der Informationsstand aktuell? Aber um noch einmal auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich freue mich, dass ich jetzt ausschlafen kann (lacht). 

Aber Sie moderieren ja weiterhin für das Morgenmagazin? 

Mitri Sirin: Ja, aber nur noch sechs Wochen im Jahr. Das mache ich mit links (lacht). 

Sie sind Botschafter des Kinderhilfswerks Childaid Network – machen Sie sich Sorgen um die Schulbildung der Kinder nach der Corona-Krise und vielleicht unmittelbar vor der nächsten Welle? 

Mitri Sirin: Ich mache mir nicht nur Sorgen um die Schulbildung. Es ist richtig krass, was da aufgeholt werden muss. Da sind in den zurückliegenden zwei Jahren Bildungslücken entstanden, die uns noch jahrelang beschäftigen werden. Ich mache mir auch um die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Sorgen. Und da denke ich nicht nur an Corona. Eine Groß-Krise reiht sich an die nächste – wir leben in wahnsinnig unsicheren Zeiten und damit müssen die Kinder und Jugendlichen erst einmal zurechtkommen. Als ich noch Kind war, ist man am Samstagabend in die Badewanne gestiegen und hat um 20.15 Uhr gemeinsam mit Eltern und Geschwistern Wetten dass… geschaut. Es war alles so sorgenfrei. Ich hoffe sehr, dass etwas dran ist an der Resilienz: dass Personen, die harte Zeiten durchleben, widerstandsfähiger werden. 

Ihre Biografie verrät, dass Sie auch eine musikalische Ader besitzen: Sie waren z. B. Musikredakteur und -moderator beim Radio. Welche Leidenschaften haben Sie noch… von denen man nichts im Internet lesen kann? 

Mitri Sirin: (Lacht) … von denen kann man aus gutem Grund nichts lesen. Insgeheim bin ich Rosenzüchter – nein, das war natürlich ein Witz. Es ist tatsächlich so: Meine Leidenschaft abseits des Berufes ist die Musik. Ohne Sport könnte ich aber auch nicht leben. Dieser hält mich fit und wach für den Job. Wenn ich körperlich fit bin, habe ich das Gefühl, auch mental stärker zu sein. Und das ist unerlässlich in meinem Beruf!