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Klimakrise, Pandemie, struktureller Wandel – mal ganz ehrlich: Wie teuer wird die Zukunft?

Wir haben in der Corona-Krise mit massiven staatlichen Mitteln Arbeitsplätze und Unternehmen gestützt, so dass wir jetzt in einen Aufschwung hineinwachsen. Es ist aber ganz wichtig, dass wir zwei Fehler nicht machen. Nummer eins: Genau den Sozialstaat kaputt zu sparen, der uns gut durch die Corona-Krise gebracht hat. Nummer zwei: Die dringend nötigen Investitionen zusammenzustreichen, die unser Land fit machen sollen für die Zukunft. Die Mehrheit der künftig nötigen Investitionen stammt ohnehin nicht vom Staat, sondern die tätigt die Wirtschaft – das war schon immer so. Die Energieunternehmen haben immer Milliarden investiert, die Autobranche, der Maschinenbau und die chemische Industrie auch. Die können das und die wollen das – sie brauchen aber eine Politik, die den Rahmen dafür setzt. Genau darum geht es jetzt.

Wie kann man sicherstellen, dass auch in 15, 25 und 50 Jahren noch angemessene Renten ausbezahlt werden können?

Hier lohnt sich der Blick zurück. Denn alle Fachleute, die uns in den 90ern erzählt haben, dass das mit der Rente nicht gut ausgehen wird, müssten jetzt mal zugeben, dass sie sich geirrt haben. Wir zahlen heute einen geringeren Beitrag zur Rentenversicherung als Ende der 90er Jahre, wir haben mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Beschäftigung. Und das gilt auch für die zukünftige Rente: Das Wichtigste für stabile Rentenfinanzen ist eine hohe Beschäftigungsquote, zum Beispiel von Frauen. Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es da noch einiges aufzuholen. Außerdem sind gute und faire Löhne entscheidend. Deshalb ist die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro so wichtig. Denn für die Rente bedeutet das, dass jemand, der immer Vollzeit berufstätig war, im Alter nicht auf öffentliche Unterstützung angewiesen sein wird. Es geht hier um Respekt, das ist mir wichtig. Die SPD garantiert Stabilität bei Rentenniveau und Renteneintrittsalter.

Wie kann man verhindern, dass Wohnen immer teurer wird?

Wir müssen mehr bauen, und das ist kein Hexenwerk. Wir haben in den 70er Jahren mal in einem Jahr 800.000 Wohnungen gebaut, da werden wir wohl jetzt jedes Jahr 400.000 statt wie aktuell 300.000 neue Wohnungen schaffen. Wenn wir dafür sorgen, dass es auch viele sozial geförderte Wohnungen gibt, wird es auch möglich sein, dass wir das rasant steigende Preisniveau wieder abbremsen und auch den Preisanstieg bei Eigenheimen stoppen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass es genügend Bauflächen gibt und diese auch erschlossen werden können. In Hamburg habe ich seinerzeit als Bürgermeister ein riesiges Wohnungsbauprogramm organisiert. Das brauchen wir im ganzen Land. Ich will ein Bündnis für Wohnen, in dem Wohnungsunternehmen, Bauindustrie und Mieterinnen und Mieter zusammenarbeiten. Je mehr Wohnungen es gibt, desto weniger werden Mieten und Kaufpreise steigen. Bis es soweit ist, können wir durch ein Mietmoratorium dafür sorgen, dass die Mieten nicht durch die Decke gehen.

Weil es unsere Branche direkt trifft: Wie sehen die Pläne Ihrer Partei für den Mindestlohn in Zukunft aus? Warum wird keine Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenerwerb/Vereinen und Unternehmen gemacht?

Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Seit der Einführung des Mindestlohns ist die Beschäftigung weiter gewachsen und viele Beschäftigte haben mehr Geld verdient. Der Mindestlohn hat sogar dazu geführt, dass sich für Jobs, die vorher schwer zu besetzen waren, mehr Interessenten gefunden haben. So wird es auch jetzt sein. Er schützt ja auch vor der Gefahr, dass andere sich mit Lohn-Dumping einen Vorteil im Wettbewerb verschaffen. Für etwa 10 Millionen Beschäftigte bedeuten 12 Euro die Stunde, dass sie ein bisschen mehr Geld haben. Sehr viel ist es ja trotzdem nicht. Es geht mir um Respekt – und der muss sich auch auf dem Konto abzeichnen. Das sehen übrigens auch viele so, die selbst gar nicht davon betroffen sind. Und letztlich profitiert von einem höheren Mindestlohn unterm Strich die ganze Gesellschaft durch höhere Kaufkraft.

Die Pandemie hat gezeigt, dass weltweite Abhängigkeiten auch negative Folgen haben können, hinzu kommen Menschrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in einigen Ländern, mit denen wir wirtschaftlich kooperieren. Wie möchten Sie in Zukunft damit umgehen?

Die Corona-Krise hat wieder Mal deutlich gemacht, dass wir die großen Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam lösen können. Bei der Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels habe ich die Idee eines internationalen Klimaclubs aufgebracht. Es ist klar, dass Volkswirtschaften auf Dauer nur mit einer ambitionierten Reduzierung von Emissionen zukunftsfähig bleiben können. Deshalb müssen klimapolitische Vorreiter ihre Unternehmen im internationalen Wettbewerb vor Nachteilen schützen. Dafür braucht es einen Rahmen über Ländergrenzen hinweg. Klimaschutz darf kein Standortnachteil sein.

Welche Vision haben Sie für deutsche Innenstädte in den kommenden 20 Jahren?

Lebendige Innenstädte sind mir ein großes Anliegen. Dazu braucht es nicht nur zusätzliches Geld, sondern auch kreative Ideen. Drei neue Blumenkübel und ein Fahrradständer sind noch kein Konzept für die Ortsmitte. Man muss sich vielmehr fragen: Wie erreiche ich, dass sich neue Läden ansiedeln? Auch technische Innovationen können dazu beitragen, den Weg in die Innenstadt statt in den nächsten Online-Shop zu wählen. Ich fände gut, wenn wir vor dem Stadtbummel herausfinden können, ob ein bestimmtes Produkt in einem Geschäft vorrätig ist und es vorab reserviert werden kann. Viele wollen es gar nicht nach Hause geschickt bekommen, sondern im Geschäft an- oder ausprobieren. Wir müssen lebendige Zentren mit Anziehungskraft, um Geschäfte, Restaurants und Cafés, Hotels, Theater, Kinos und Museen.

Was können Sie – als Politiker, nicht als Partei – besser als Ihre Kontrahent:innen?

Es ist nicht mein Stil, über Mitbewerber zu sprechen. Dass mir so viele Bürgerinnen und Bürger zutrauen, Deutschlands Bundeskanzler zu werden, bewegt mich. Wenn ich auf den Marktplätzen mit den Leuten ins Gespräch komme merke ich, da ist Aufbruch gewollt – und der verbindet sich mit der SPD. Jetzt geht es darum, bis zum 26. September so viele wie möglich davon zu überzeugen, ihr Kreuz bei der SPD zu machen.

Was bringt Sie auf die Palme?

Ungerechtigkeit. Und wenn sich manche als was Besseres empfinden und auf andere herabschauen. Darum bin ich auch mit 17 in die SPD eingetreten. Darum habe ich als Anwalt die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten. Und darum will ich jetzt der nächste Kanzler werden. Für eine Gesellschaft des Respekts, in der wir einander auf Augenhöhe begegnen. Ich bin kein Journalist, der Verhältnisse nur beschreibt, auch kein Wissenschaftler, der die Dinge erklärt. Ich will die Verhältnisse verändern. Ich möchte, dass unser Land zusammenkommt. Mir geht es um das, was der frühere Bundespräsident Johannes Rau „Versöhnen statt spalten“ nannte. Das treibt mich bis heute an.


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