Peter Maffay

Steckbrief

  • Geboren am 30. August 1949 in Kronstadt/Siebenbürgen (Rumänien)
  • Erster Hit: „Du“ (1970)
  • Bis heute: über 40 Alben produziert, davon 19 Nr. 1-Alben.
  • 1983: Konzeptalbium „Tabaluga“, das später zum Musical wurde
  • 2000: Gründung de Peter-Maffay-Stiftung.
  • Für sein soziales Engagement erhielt er u.a. 1996 und 2008 das Bundesverdienstkreuz

Sie sind nun schon lange im Geschäft und haben einen sehr kurvenreichen musikalischen Weg von Cover Musik, Schlager über Country Musik bis hin zu Rockmusik hingelegt. War das für Sie eine Art Ausbildung oder Bildungsreise, welche Sie letztendlich zum Rocksänger gemacht hat?

Peter Maffay: Nein, es war eigentlich weniger eine Ausbildung. Ich habe, bevor die erste Scheibe heraus kam, mit einer Band Musik gemacht. Der Produzent Michael Kunze, den ich damals kennengelernt habe, produzierte eben Schlager und er stellte mich vor die Wahl. Schallplattenvertrag ja, aber nur mit Schlager. Damals war ein Schallplattenvertrag der ultimative Traum und so habe ich einfach zugeschlagen. Im Nachhinein, als ich mit meiner Plattenfirma schon einige Zeit zusammen arbeitete und die sich immer Wiederholungen vom dem Hit „Du“ und Ähnlichem vorgestellt hatten, stellte ich fest, dass ich den Weg mit dieser Musik nicht weiter gehen wollte. Auch durch die Bekanntschaft mit anderen Musikern hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits angefangen, Auftritte mit völlig anderer Musik zu machen. Das kollidierte natürlich irgendwann und wir mussten einen Schlussstrich unter unsere Vergangenheit ziehen. 1979 mit der Veröffentlichung unseres Albums „Steppenwolf“ geschah letztendlich die Loslösung von dem Schlagergenre. 

Würden Sie sagen, dass der Schlager somit Mittel zum Zweck war?

Peter Maffay: Ohne dass ich das vorher so definiert habe, kann man es im Nachhinein doch so betrachten. Es war für mich der Schlüssel ins Musikgeschäft. Es war ein großes Glück, dass ich Michael Kunze kennenlernte. Er ist ein toller Mann, mit dem ich auch heute noch freundschaftlich verbunden bin. Seine Bedingung damals war für mich akzeptierbar, allerdings nicht auf Dauer, wie sich herausstellte. 

Der Umstieg von Schlager auf Rock war schon ein kompletter Bruch, oder? 

Peter Maffay: Das kann man so sagen. Für viele, die zwar meine Musik mochten, mich aber nicht so genau kannten, kam ich mit völlig anderer Musik daher, das hat immens polarisiert. Es gab ein lebendiges „Für und Wider“, was meine Person anbelangt, was auch eine ganze Weile, sogar Jahre anhielt. Es hielt sogar noch solange an, bis die eigentliche Metamorphose (lacht) vollzogen war. Ich bekam das auch richtig deutlich bei einem Auftritt im Vorprogramm der Rolling Stones zu spüren. Wir haben ordentlich auf die Mütze bekommen wegen unseres Repertoires. 

 mein Ego war angekratzt, ich fühlte mich beleidigt. 

Haben Sie den Fans nicht gesagt, wenn Sie schon mit Äpfeln werfen, dann sollen Sie diese wenigstens ganz lassen.

Peter Maffay: (lacht) Naja es entstehen im Laufe der Zeit Ausschmückungen von Geschichten, die nicht mehr ganz der Wahrheit entsprechen. Aber es liest sich ganz gut (lacht). Für uns war das unterm Strich eine enorm wichtige und gute Erfahrung, da wir diese Blauäugigkeit mit der wir und vor allem ich an die Sache rangegangen sind, genau analysiert haben. Solche Fehler darf man nicht wiederholen. Das war für die Zeit, die danach kam, ein sehr gutes Korrektiv.  

Das tut sicherlich aber auch weh.

Peter Maffay: Ja klar, mein Ego war angekratzt, ich fühlte mich beleidigt. Es hat mir überhaupt nicht geschmeckt was da passierte, aber so ist das nunmal mit den Quintessenzen. Die sind nicht immer angenehm. 

Gab es zu der Zeit, als die Rockphase richtig am Laufen war, Künstler, die Sie beeinflusst haben? Eventuell auch im deutschsprachigen Bereich?

Peter Maffay: Natürlich, es gab einen großartigen Künstler namens Lindenberg. Udo hat als einer der ersten Musiker gezeigt, wie gut deutsche Sprache in Verbindung mit Musik funktioniert. Es gab Inga Rumpf, es gab eine ganze Reihe an Künstlern, die mit deutscher Sprache gearbeitet haben und das auch ganz bewusst taten. Wir haben immer irgendwelche Vorbilder, denen wir etwas abverlangen. Ich habe aufmerksam beobachtet, wie die Leute um mich herum performt haben, was sie auf der Bühne gemacht haben, wie sie im Studio gearbeitet haben. Aus diesen Eindrücken und Impulsen, die da entstanden sind, ist sicherlich auch meine eigene Gangart maßgeblich beeinflusst worden.

Gab es für Sie ein richtiges Idol?

Peter Maffay: Eigentlich habe ich keine Idole. Das geht mir ein bisschen zu weit. Wobei – das stimmt nicht ganz, wenn ich mir überlege, welche Bewunderung ich insgeheim Elvis Presley entgegengebracht habe. Es gab schon ein paar Leute, die fand ich herausragend und es ist bewundernswert, was da an Können und an Talent existiert. Als ich Janis Joplin das letzte Mal gehört habe, als ich Jimmy Hendrix oder Eric Clapton zum ersten Mal spielen gesehen habe, wünschte ich mir natürlich vieles von dem, was sie damals konnten. In mancherlei Hinsicht ist es auch bei diesen Wünschen geblieben. Ich konnte nie annähernd Gitarre spielen, wie es ein Hendrix oder Clapton getan hat. Ich beobachtete sehr aufmerksam, was um mich herum passierte. Lindenberg ist sicherlich auch in irgendeiner Form ein gutes Beispiel dafür gewesen, wie man mit Texten umgeht und daher kamen in seinem Fahrwasser auch andere hinterher. Ich habe von Anfang an immer deutsch singen wollen, weil mein Publikum deutsch am besten versteht. Deutsch ist meine Muttersprache und mit der kann ich am besten umgehen. Ich habe in 50 Jahren natürlich auch mit vielen Künstlern zusammen gearbeitet, die englisch bevorzugt haben und der deutschen Sprache nicht mächtig waren. Dann haben wir das eben in englisch gemacht, wie man unter anderem in „Begegnungen 1 und 2“ sieht. 

Wie kam es dazu, dass Sie sich die Band mit Udo Lindenberg geteilt haben?

Peter Maffay: Es ging los, als ich in einem Konzert von Udo in München Bertram Engel zum ersten Mal trommeln gesehen habe. Ich sagte zu meinem damaligen Manager Michael Conrad: „Das ist der Mann, mit dem müssen wir sprechen“ (lacht). Dann bin ich auf ihn zugegangen und habe gefragt, ob er Interesse hätte, bei mir mitzuspielen. Zu diesem Zeitpunkt hat Frank Diez schon Gitarre in der Band gespielt. Er brachte wiederum Jean-Jaques Kravitz ins Spiel, der ebenfalls mit Udo spielte. Als ich von Bertram dann das Okay hatte, war es auch mit einem Vorschlag verbunden – nämlich den Bassisten Steffi Stephan mit ins Boot zu holen, der auch bei Udo spielte. Das hat Udo am Anfang natürlich überhaupt nicht geschmeckt und aus diesem Grund war unser Miteinander anfangs auch etwas gestört. Aber wiederum ist durch die Verbindung dieser Bandmitglieder eine enge Freundschaft entstanden, die bis heute hält. Davon gibt es nur wenige in meinem musikalischen Umfeld.

Organisatorisch stelle ich mir das aber etwas schwierig vor. 

Peter Maffay: Das war eigentlich gar nicht so schwer. Udo ist viel geordneter, als man vermutet, und er weiß ganz genau, was er will. Für die Bandmitglieder war das eine super Situation. Sie konnten ein viel breiteres Repertoire spielen, waren viel mehr unterwegs und wirtschaftlich war es auch interessant für sie.

Ich bin kein Virtuose. Ich spiele gerne sehr rhythmisch. 

Was mir bei der Instrumentierung auffällt, ist, dass immer unheimlich viele Gitarren auf der Bühne sind.

Peter Maffay: Ja, mein musikalischer Fingerprint ist die Gitarre. So habe ich die meisten Songs geschrieben. So kann ich mich selbst am besten bedienen. Ich klimpere auch ein bisschen am Klavier, aber das mache ich nicht auf der Bühne, da es nur ein „Geklimper“ ist. Es gibt Gitarrengeschichten, die zwar sehr einfach sind, aber die beherrsche ich und die genügen mir im Prinzip auch. Solche Leute nennt man Drei-Harmonien-Musiker, was sehr viel mit Blues und Rhythm and Blues zu tun hat. Ich beherrsche auch die ein oder andere Harmonie darüber hinaus, aber ich bin kein Virtuose. Ich spiele gerne sehr rhythmisch, das ist meine Handschrift und die hat in dieser Form in der Band niemand drauf. Deswegen hört man mich auch manchmal (lacht). Für mich ist Gitarre spielen nicht nur die Begleitung auf einem Instrument, sondern auch der Taktstock. Es ist mein Instrument, um Energie zu erzeugen, Druck zu machen oder auch um mich zurück zu nehmen und völlig reduziert zu spielen. Es gibt etliche Lieder, die nur mit einer Gitarre entstanden sind, das liebe ich. Für gewisse Texte, Inhalte und Emotionen ist das ein sehr geeigneter Weg. Wir teilen uns in der Band die Gitarrenparts sehr präzise auf, damit wir uns nicht überlappen. In der Hitze des Gefechts passiert das machmal trotzdem, ist aber eine Frage der Disziplin. Mittlerweile spielen wir so viele Jahre miteinander, dass wir wissen, je disziplinierter jeder seinen Part spielt, desto transparenter ist der Sound. Diese Lehre hat man gezogen. 

Gehen wir mal davon aus, es gäbe kein Corona, dann wären Sie vermutlich auf Tour, oder?

Peter Maffay: Dann wären wir dieses Jahr auf unserer Jubiläumstour gewesen, die Anfang des Jahres so enorm gut angefangen hat und leider viel zu schnell wieder beendet werden musste.

Wäre Corona nicht dazwischen gekommen, wäre Peter Maffay dieses Jahr auf Jubiläumstour. (Foto: Ralph Larmann © Red Rooster Musikproduktion GmbH)
Wäre Corona nicht dazwischen gekommen, wäre Peter Maffay dieses Jahr auf Jubiläumstour. (Foto: Ralph Larmann © Red Rooster Musikproduktion GmbH)

Würden Sie sagen, dass „auf Tour gehen“ immer noch Lebenselixier für Sie ist?

Peter Maffay: Wenn man jetzt sehr zynisch sein wollte – aber nicht nur dann –, würde man sagen, natürlich ist es das. Wir leben von der Tour – psychisch und ökonomisch. Die Tourneen sind für viele Künstler das Rückgrat ihres Einkommens, deswegen ist das, was nun seit acht Monaten läuft, so unglaublich gefährlich und belastend für viele. Es ist aber auch der einzige Weg, dem Publikum von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten. Die wirkliche Begegnung ist ein Konzert und das ist seit acht Monaten nicht möglich gewesen und wir wissen ja auch nicht, wie lange es noch anhalten wird. Lebenselixier ja, aber momentan sind einem die Beine richtiggehend amputiert. 

„Auf Tour gehen“ ist Lebenselixier. (Foto: Ralph Larmann © Red Rooster Musikproduktion GmbH)
„Auf Tour gehen“ ist Lebenselixier. (Foto: Ralph Larmann © Red Rooster Musikproduktion GmbH)

Ist auch heute noch eine gewissen Grundnervosität vorhanden, wenn Sie eine Bühne betreten?

Peter Maffay: Ja, Gott sei Dank. Sollte die wegfallen ist man so abgebrüht, dass es eigentlich keine Legitimation mehr dazu gibt, auf die Bühne zu gehen. Mit einem völlig gleichgültigen Gefühl auf eine Bühne zu gehen, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Warum sollte man so etwas dann überhaupt noch machen? Nur noch, um Geld zu verdienen? Dann ist doch der Sinn und Zweck einer solchen Begegnung mit dem Publikum völlig entstellt. Man geht auf die Bühne, um zu berühren. Es ist wie ein Schneeballprinzip. Wir geben etwas und wir bekommen etwas. Sollte das von Gleichgültigkeit begleitet sein, macht es keinen Sinn mehr.

Wie schaffen Sie es, Ihre Stimme auf einer Tournee mit zahlreichen Gigs zu bewahren?

Peter Maffay: War das zuerst gespielte Konzert zu euphorisch, kann natürlich das darauffolgende Konzert darunter leiden. Man hat sich zu sehr verausgabt oder nicht auf sich geachtet. Es gibt keine langen Regenerationsphasen und es fängt an kritisch zu werden. Oder es erwischt einen eine Erklärung, man verschleppt diese und steht dann mit Fieber auf der Bühne. So schleppt man sich unter Medikamenteneinfluss von einem Konzert zum anderen. Das ist enorm belastend und wir versuchen es tunlichst zu vermeiden. Es beginnt mit einem dicken Schal im Winter, geht weiter mit Ingwertee und einigermaßen viel Schlaf. Bei mir funktioniert eine Geschichte: Nach dem Konzert ist einfach Klappe halten angesagt (lacht). Die erste Stunde nach dem Konzert ohne Sprechen erlaubt den Stimmbändern am meisten, sich zu regenerieren. Aus diesem Grund setze ich mich nach einem Konzert ins Auto, schalte mir im Radio schöne Musik ein und fahre in den nächsten Tourort zu meinem Hotel.

Sie fahren nach einem Auftritt selbst Auto? Sie werden doch bestimmt gefahren.

Peter Maffay: Nein, ich fahre selbst. Das ist für mich chillen. Mein Kumpel, der mich auf Tourneen begleitet, sitzt dann neben mir und muss genauso die Klappe halten (lacht).

Im Gegensatz zu früher fährt man heutzutage direkt nach dem Auftritt in den nächsten Tourort weiter.

Peter Maffay: Mit diesem Mechanismus habe ich mich relativ zeitig vertraut gemacht, da ich gemerkt habe, dass er hilft. Früher gab es natürlich die Phasen an denen man an einer Bar kleben geblieben ist und das am nächsten Tag dann total zu spüren bekommen hat. Das ist bei mir seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall, ich kann dieser Situation nicht viel abgewinnen. So bin ich am nächsten Tag ausgeschlafen und ausgewogen. Die Konzertbesucher haben das Anrecht, uns in guter Verfassung zu erleben. Das hat wirklich mit Professionalität zu tun. Diese Parameter von ‚Sex, Drugs and Rock´n Roll‘ sind Ammenmärchen und eine nostalgische, romantische Vorstellung von unserem Leben. Die meisten Musiker machen das extrem konzentriert, weil es anders nicht geht. Die Erwartungshaltung des Publikums, aber auch die eigene ist ganz anders als früher.

„Diese Parameter von ‚Sex, Drugs and Rock´n Roll‘ sind Ammenmärchen und eine nostalgische, romantische Vorstellung von unserem Leben.“(Foto: Ralph Larmann © Red Rooster Musikproduktion GmbH)
„Diese Parameter von ‚Sex, Drugs and Rock´n Roll‘ sind Ammenmärchen und eine nostalgische, romantische Vorstellung von unserem Leben.“(Foto: Ralph Larmann © Red Rooster Musikproduktion GmbH)

Singen Sie sich vor Ihren Auftritten ein?

Peter Maffay: Ja, ich nehme meine Gitarre mit in meine Garderobe und singe mich warm. Das ist übrigens mit die beste Prävention. Nicht mit kalten Stimmbändern auf die Bühne gehen und loslegen.

Sie sind „outstanding“, der Star Ihrer Band – fühlen Sie sich auch als Bestandteil Ihrer Band? Sehen Sie ihre Kollegen als Bandmitglieder oder eher als Begleitmusiker?

Peter Maffay: Zum einen bin ich in der Band der Kleinste. (lacht) Und der Kleinste muss natürlich immer vorne sein, sonst sieht man ihn nicht. Und deshalb stehe ich vorn am Mikrofon… Nein, also ich bin mit meinen Kumpels so viele Jahre zusammen – wir haben ja weniger eine Band als vielmehr eine Lebensgemeinschaft. Wir haben Jahrzehnte miteinander verbracht, und es sieht auch danach aus, als würden wir noch einige Zeit zusammen bleiben. Unsere Töchter und Söhne sind inzwischen schon teilweise mit auf der Bühne und machen mit. Das ist schon eine Lebensgemeinschaft. Wenn es um bestimmte Fragen geht, es eine Pat-Situation gibt, dann ist es mein Job, zu sagen, wo es lang geht. Und dann hoffe ich, dass ich mich nicht vergreife bei meinen Entscheidungen. Aber ansonsten wird in der Band sehr viel besprochen – man kann manchmal durchaus von einer gesunden Basisdemokratie sprechen. Die Jungs tragen sozusagen eine Haut zu Markte und müssen dafür einstehen, was sie im Studio oder auch zu Hause produzieren, und das kann man nur ruhigen Gewissens und effektiv tun, wenn man hinter einer Sache steht.

Also, Carl Carlton – einer der bekanntesten und besten Gitarristen Deutschlands – kann schon einmal sagen: „Peter, das geht so nicht, das machen wir anders“?

Peter Maffay: Ja, das kann er sagen. Es ist aber immer noch nicht garantiert, dass ich das dann auch tue. Aber die Expertise von Carl, die gilt. Carl weiß, wovon er redet. Wenn es auch mal um stilistische Fragen geht, und ich sage: „Sorry, Carl, damit kann ich nicht viel anfangen, und weil das so ist, ist es auch nicht gut, wenn ich’s tue“, dann versteht er das wiederum. Also, wir haben da schon ein respektvolles und auf gleicher Augenhöhe stattfindendes Miteinander. Es knallt auch mal, das gebe ich zu. Es sind Emotionen im Spiel, und jeder verteidigt seine Position vehement, aber das finde ich gut. Damit kommt man eher zu einem guten Ergebnis.

 Es gibt sehr viele Aktivitäten von Künstlern. Aber eine Bündelung hat noch nicht stattgefunden. 

Die ganze Kulturszene liegt ja in diesen Zeiten am Boden. „Alarmstufe rot“ ist nicht nur eine Aktion der Künstler, sondern auch der mittelbar Betroffenen, wie Techniker zum Beispiel. Warum schaffen wir es nicht, dass Künstler, wie Peter Maffay, Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Marius Müller-Westernhagen, gemeinsam eine Art Koalition bilden und zusammen dagegen protestieren? Till Brönner hat diesbezüglich auch eine tolle Aktion gemacht …

Peter Maffay: Sie erlauben, dass ich versuche, den Sachverhalt ein klein wenig anders darzustellen. Udo war neulich am Brandenburger Tor mit Campino und hat es getan. Herbert Grönemeyer hat es  in einem sehr ausführlichen und beeindruckenden Interview mit der „Zeit“ gemacht. Ich habe im Auftrag von etwa 20 Interpreten einen offenen Brief an Frau Merkel geschrieben, habe Frau Grütters (Staatsministerin für Kultur, Anm. d. Red.) in Berlin besucht und gefragt: „Wie sieht es denn jetzt aus mit dieser Milliarde, die offensichtlich den Betroffenen helfen soll?“ Aus einer Spiegel-Veröffentlichung wissen wir inzwischen, dass seit Sommer lediglich 50 Millionen an betroffenen Institutionen und Künstler geflossen sind. Es ist immer noch geparkt und niemand schüttet es aus. Campino ist laut geworden. Mein Kollege Till Brönner hat neulich eine wunderbare, respekt- und eindrucksvolle Rede gehalten, um auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen. Frau Kebekus hat das zusammen mit anderen Comedians getan … Also, es gibt schon sehr viele Aktivitäten von Künstlern. Aber diese Bündelung, von der Sie sprechen, die hat noch nicht stattgefunden. Das hat möglicherweise zu tun mit einem Effekt, den wir oft schon festgestellt haben: Es gibt viele individuelle Strukturen – auch Plattenfirmen usw. –, die sich dann nicht hinter eine Sache stellen, vielleicht aus Angst, Potentiale zu verspielen. Und diese Zurückhaltung führt eben dazu, dass es nicht ostentativ zu einem Zusammenschluss kommt, wie zum Beispiel in einer Gewerkschaft. Aber das ist vielleicht vor einem Jahr noch ausgeprägter gewesen als jetzt. Unter dem Druck von Corona kippt diese Zurückhaltung, und es schließen sich immer mehr Künstler zusammen, beispielsweise was Ansprüche gegenüber den Verwertungsgesellschaften anbelangt. Ich weiß nicht, ob Sie darüber informiert sind, wie die Situation bei der GVL und bei der GEMA aussieht. Die GVL ist ja eine Verwertungsgesellschaft, die Gelder aus Einnahmen an die Künstler verteilt. Sie sitzt auf schätzungsweise 200 Millionen Euro, und dieses Geld – was Künstlern gehört – wird nicht ausgeschüttet, weil die Verteilungsmechanismen nicht geklärt sind. Dasselbe gilt auch in dem Bereich, den Frau Grütters verantwortet. Man weiß nicht, wie man bei der Verteilung gerecht vorgeht, damit jeder bedacht wird. Die Mechanismen sind zu kompliziert. Unser System ist nicht in der Lage, eine solche Hilfestellung kurz und schnell umzusetzen. Und vor diesem Hintergrund gibt es immer mehr Interpreten, die sich jetzt artikulieren und zusammenschließen.

 wir haben es mit einer weltweiten Radikalisierung zu tun. 

Es fällt schon auf, dass zwar viele etwas einzeln machen. Natürlich kann ein Freiberufler keine Gewerkschaft gründen – aber vielleicht eine Interessengemeinschaft?

Peter Maffay: Das wäre wünschenswert, aber, da haben wir nichts, was bis jetzt flächendeckend besteht. Jeder Künstler hat eben sein Umfeld – Berater, Manager usw. – und da diffundiert dann eine einheitliche Haltung.

Sie stehen ja auch im Kampf gegen rechts mit an erster Stelle. Ist es nicht schlimm, dass man Humanismus in der heutigen Zeit immer wieder einfordern muss?

Peter Maffay: Natürlich ist es das! Wir haben ja eine Geschichte – und die liegt noch gar nicht so lange zurück –, die gezeigt hat, zu welchen exorbitanten Verwerfungen eine Gesellschaft fähig ist. Vor diesem Hintergrund und mit diesem Wissen versehen, müsste man ja alles tun, um Wiederholungen dieser Art zu vermeiden. Aber wir haben mit einer weltweiten Radikalisierung zu tun. Wir sprechen nicht nur von Rechtsradikalismus – wobei ich das für die größte Gefahr halte –, sondern auch von Radikalisierung in Sachen Religion, was sich auch politisch hochgradig auswirkt. Es gibt außerdem eine Radikalisierung vor dem Hintergrund von Haben und Nichthaben, Armut und Reichtum. Da tun sich weltweit unheimliche gesellschaftliche Unterschiede auf. Es gibt geopolitische Entscheidungen, die zu Konflikten und Kriegen geführt haben, und nicht zuletzt auch klimatische Veränderungen, die sich auf die Situation der Gesellschaft auswirken. Wir haben also eine Vielzahl von Effekten, die in dieser Größe und Heftigkeit so noch nie da gewesen sind. Das alles verkraften wir immer weniger, und deshalb entsteht die Radikalisierung. Es gibt den Griff nach einfachen Erklärungen, und in unserem Land stellen wir unschwer fest, wozu das führen kann. Dass man Humanität einfordern muss, ist gerade vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen und Kenntnisse geradezu erschreckend. Das ist ein Umstand, der nicht wegzudiskutieren ist. Und die einzige Antwort, die wir darauf haben, ist, immer wieder mit Aufklärung, Bildung und unseren demokratischen Möglichkeiten dagegen anzugehen.

Haben wir ein Bildungsproblem?

Peter Maffay: Natürlich. Nur wenn wir die richtige Saat säen, schießt das Unkraut nicht in die Höhe. Tatsächlich muss man bei der Bildung ansetzen, sonst wird es immer komplizierter.

Ich bin während der Vorbereitung auf dieses Interview auf ein Buch gestoßen, das Ihr Vater geschrieben hat: „Erinnerungen, gesammelt für meinen Sohn Peter Maffay“. Das ist unheimlich berührend …

Peter Maffay: Ja. Damit hat mir mein Vater eine enorme Freude gemacht. Ein schöneres Geschenk kann man als Kind von seinem Vater gar nicht bekommen.

Sie sind Moderator beim „Red Rooster TV“. Wie ist das, die Rolle umzudrehen? Nicht der Gefragte zu sein, sondern selbst zu moderieren?

Peter Maffay: Wir haben uns – da wir jetzt in der Corona-Zeit nicht selbst spielen können – überlegt, was wir tun können. Nach Hause gehen und Däumchen drehen oder uns etwas einfallen lassen. Dieses Radio- und Fernsehformat erschien uns sinnvoll, wir haben die Produktionsmittel und die Studios, und wir hatten die Idee, dass wir Menschen aus dem gesellschaftlichen Bereich, die uns lieb sind, die wir schätzen und die interessant sind, zu uns nach Hause einladen, und mit ihnen Gespräche führen, die man vielleicht sonst in dieser Art und Ausführlichkeit seltener führen kann. Das macht sehr viel Spaß. Ob das erfolgreich sein wird, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Aber wir werden das gerne auch dann fortsetzen, wenn wir wieder spielen können, und wenn wir merken, dass es auch den Zuschauern und Hörern gefällt. Das ist ein schöner Ausflug in eine andere Welt … Natürlich gibt es auch hier einige Vorbilder, wie zum Beispiel „Artist Radio“ aus den Vereinigten Staaten. Das ist toll. Man hat immer uns vor dem Mikrofon ausgequetscht – jetzt machen wir’s umgekehrt. (lacht)

Ihre Peter-Maffay-Stiftung hat eine Vielzahl unterschiedlicher Projekte. Sind Sie da  immer selbst eingebunden oder als Schirmherr eher am Rande und als Repräsentant aktiv?

Peter Maffay: Ich bin Stiftungsgründer, und für mich ist es total wichtig, dass ich in die Vorgänge innerhalb unserer vier Einrichtungen, die wir haben, eingebunden bin. Unser Geschäftsführer, Herr Luppert, arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich für die Stiftung, und er macht zusammen mit seinem Team das Tagesgeschäft. Aber in die Entscheidungen bin ich immer mit eingebunden. Ich habe meinen Schreibtisch vor Ort, über den das läuft. Ich habe auch keinen Manager. Ich liebe es, soweit es geht ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und das geht nur, wenn ich entsprechende Arbeiten selbst erledige. Ich kann so Informationen sammeln, mich mit meinen Leuten besprechen und deren Meinung hören, und dann treffen wir – ähnlich, wie das in der Band ist – auch gemeinsam die Entscheidungen.

Wie schaffen Sie das alles? Auch Ihr Tag hat nur 24 Stunden, und Sie schreiben Bücher, machen Musik, arbeiten an neuen Konzepten und in der Stiftung …

Peter Maffay: Man muss sich die Zeit gut einteilen. Ich muss zugeben, dass mein Zeitmanagement nicht immer sehr effektiv ist. Manchmal verrenne ich mich in Dingen, die mir gut gefallen, und dann kann die Planung schon etwas verrutschen. Aber Teamwork war von Anfang an der Schlüssel zu den Dingen, die wir machen. Und dabei ist es geblieben. (eis)