Beruf: Fernsehmoderator, Fußballkommentator und Sänger
Geboren: am 23. Februar 1956 in Twistringen
Veröffentlichungen:
2013: Zufall. Eine Spurensuche in außergewöhnlichen Biographien und
Erzähl doch mal von früher. Loki Schmidt im Gespräch mit Reinhold Beckmann.
Auszeichnungen:
2005: Peter-von-Zahn-Gedächtnispreis im Rahmen des Hamburger Bürgerpreises
2007: Deutscher Fernsehpreis in der Kategorie Beste Moderation Information für das Interview mit Bert Dietz vom 21. Mai 2007
2008: Bundesverdienstkreuz am Bande und Kind-Award von Kinderlachen, Ehrenpreis für die Gründung und Arbeit von Nestwerk e. V.
2011: Steiger Award
2013: Ehren-Schleusenwärter der Stadt Hamburg
2014: Annemarie-Renger-Preis des Arbeiter-Samariter-Bundes Deutschland für bürgerschaftliches Engagemen

Wie schafft man es, immer zum richtigen Zeitpunkt aufzuhören?

Reinhold Beckmann: In dem Moment, in dem man die Entscheidung trifft, ist man sich nicht immer so ganz sicher. Aber ich hatte immer diesen inneren Impuls, der mir sagte: „Jetzt ist genug!“ Ob es richtig war, stellt sich dann erst später heraus. Ich wollte einfach mehr Zeit für mich und die Musik. Nach über 30 Jahren Fußball-Bundesliga ist dann auch einfach mal genug. Musik habe ich eigentlich immer gemacht, aber nie daran gedacht, damit auch aufzutreten. Die Idee dazu entstand eigentlich beim Besuch der Sendung „Inas Nacht“. Ina und ich haben damals einen Bossa Nova gespielt, ich glaube „Águas de Março“ von Antônio Carlos Jobim. Nach der Sendung kamen zwei Musiker aus ihrer Band zu mir und sagten: „Reinhold, du bist doch Musiker. Wollen wir nicht mal was zusammen machen?“ Die Jungs haben dann eine Band zusammengestellt und wir haben anfangs einfach rumgejammt. Das war der Impuls! Wir spielen mittlerweile 60 Konzerte im Jahr. Ich habe mein Leben da etwas neu gewichtet.

Dass du das machen kannst, ist ja auch ein Stück deiner Unabhängigkeit.

Reinhold Beckmann: Das genieße ich sehr. Und manchmal ärgert es mich auch ein wenig, dass ich es nicht früher gemacht habe. Ein bisschen Fernsehen geht immer: meine politischen Dokumentationen für die ARD und jetzt im Sommer ein kleines Talkshow-Experiment im NDR.

Du bist ja auch noch Experte bei Sport1?

Reinhold Beckmann: Ja. Tut ganz gut und macht viel Spaß das „kreative Klugscheissern“ im Doppelpass bei Sport 1 am Sonntagvormittag.

Als die Sendung Beckmann aufhörte, fand ich diese Entscheidung mutig und am richtigen Punkt gesetzt. Ich finde, man sollte aufhören, wenn man noch Spaß daran hat.

Reinhold Beckmann: Ich gestehe, an manchen Tagen juckt es noch etwas in den Fingern. Aber die Entscheidung war goldrichtig. Und neuerdings sagen mir immer mehr Leute: „Mensch Beckmann, wo sind Sie geblieben? Sie fehlen.“

War das auch die Nachfolge im Sinne von Blacky Fuchsberger?

Reinhold Beckmann: Unsere Talkshow war ursprünglich ähnlich angelegt, aber immer schon etwas journalistischer. Blacky hatte den Talk aus Amerika geholt und in Deutschland etabliert. Wir haben unsere Talkshow „Beckmann“ im Laufe der Jahre vom Konzept her weiterentwickelt. Am Anfang war es eine pure People-Sendung, später haben wir gesellschaftliche und politische Fragen in den Mittelpunkt gestellt – mit Gästen wie Helmut Schmidt, Gerd Schröder oder Angela Merkel. Wenn ich etwas vermisse, dann sind es die intensiven Begegnungen mit solchen Persönlichkeiten.

Das ist ja auch ein Privileg, dass man das machen darf.

Reinhold Beckmann: Ich bin da immer noch sehr dankbar für. Und schade, dass es im Moment in der ARD so ein Format nicht gibt.

Markus Eisel (rechts) traf Reinhold Beckmann.(Foto: privat)

Wenn ich an meine Jugend denke, war Reinhold Beckmann der Fußballkommentator, der mit Ikonen wie Ernst Huberty oder Heribert Faßbender zusammentraf. Sind das auch Lehrmeister in diesem Moment?

Reinhold Beckmann: Ernst Huberty war auf alle Fälle ein Lehrmeister. Ich habe anfangs nicht, aber später sehr intensiv mit ihm zusammengearbeitet. Er war in seiner Art und Herangehensweise immer besonders. Das habe ich an ihm geschätzt. Als ich 1991 Sportchef bei Premiere wurde, habe ich ihn angerufen und gebeten, wieder live zu kommentieren. Er sagte: „Reinhold, geben Sie mir eine Woche Zeit darüber nachzudenken!“ Eine Woche später meldete er sich zurück und sagte zu. Der große Huberty kam zurück als Live-Kommentator! Das war sensationell und eine echte Bereicherung! Er ist gerade 90 geworden und wir haben immer noch ein sehr herzliches und freundschaftliches Verhältnis. Er hat sich viele Jahre lang um junge Talente gekümmert.

Ist das unter Moderatoren gegeben, dass man sich gegenseitig unterstützt?

Reinhold Beckmann: Ja, klar! Jetzt ist es an der Zeit, dass ich den Jungen etwas zurückgebe. Hier und da helfe ich jungen Sportjournalisten beim WDR und auch anderswo.
Du hast auch bei der Sportschau zum richtigen Zeitpunkt gesagt, dass du aufhörst.
Reinhold Beckmann: Na ja, mit über 60! Ich finde, die Zuschauer haben das Recht, auch mal wieder jüngere Leute zu sehen.

Spielt das Alter für dich eine Rolle?

Reinhold Beckmann: Mit der 6 davor spielt es eine Rolle. Da hat sich bei mir etwas verändert. Ich spüre das zwar körperlich nicht so, aber ich finde schon, dass das es eine Zäsur darstellt. Es ist für mich schwer vorstellbar, als über 60-Jähriger am Spielfeldrand zu stehen und den jungen Spielern das Mikrofon entgegenzuhalten.

Die Zeit mit „ran“ war für mich als Konsument eine Revolution. Da wurde die Sendung auf ganz andere Füße gestellt.

Reinhold Beckmann: Das war ja auch unsere Absicht. Die Art und Weise, wie die Sportschau damals Fußballspiele übertrug, war völlig aus der Zeit gefallen. Es gab in Frankreich und England schon längst Fernsehsender, die Fußballspiele mit mehr Kameras darstellten. 1990 war Deutschland zwar Fußballweltmeister, aber die Stadien in der Bundesliga waren leer. Durchschnittlich nur 19.000 Zuschauer. Es gab nur älteres Publikum, wenig junge Leute, keine Frauen, keine Mädchen. Deshalb war unser Ziel: Wir machen diesen Sport jugendlicher. Fußball im TV für die junge Generation! Wir haben natürlich am Anfang Prügel bezogen, weil unsere Sprache auch eine ganz andere war. Die sieben Jahre bei ran-Sat1-Fußball waren für mich die wichtigsten, aber auch härtesten Jahre.

Thomas Bartels hat einmal gesagt, wenn er zwischen Moderation und Reportage wählen dürfte, würde er immer den Kommentator wählen.

Reinhold Beckmann: Thomas Bartels ist ein klassischer Kommentator und macht dies außergewöhnlich gut.

Du hast dich aber mehr als Moderator verstanden …

Reinhold Beckmann: Ich habe auch kommentiert, aber die Moderation war mir immer am liebsten. Als Kommentator habe ich aufgehört, nachdem ich 2006 das WM-Finale Frankreich gegen Italien kommentieren durfte. Ein guter und würdiger Abschluss.

War das immer schon ein Ziel von dir, das WM-Finale zu kommentieren?

Reinhold Beckmann: Für mich zu dem Zeitpunkt eher eine Überraschung. Die ARD hatte damals keinen richtigen Kommentator und bat mich, es zu machen. Heribert Fassbender hatte aufgehört, Gerd Rubenbauer ebenfalls. Ich hab´s gern gemacht.

Noch einmal zurück zur Musik. War die Liebe zur Musik schon immer da?

Reinhold Beckmann: Klar! Ich habe mit 15 Jahren die ersten Akkorde auf der Gitarre gespielt. Noch alles ziemlich dilettantisch. Ansonsten war´s ein sehr musikalisches Zuhause. Ich bin mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen und schon morgens vor der Schule lagen bei uns die Beach Boys und die Beatles auf dem Teller des alten Dual Plattenspielers.

Und wann kam die Entscheidung für die Musik?

Reinhold Beckmann: Ich musste auch erst lernen, dass das Schreiben von Songtexten etwas anderes ist, als journalistische Texte zu Papier zu bringen. Ein Riesenunterschied. Aber mittlerweile habe ich großen Spaß daran. Ich habe vor kurzem einen Song geschrieben, der heißt: „Du bist immer nur die Schweiz.“ Die Inspiration zu diesem Text entstand im Bus auf dem Weg nach Hause. Neben mir standen zwei junge Frauen, die herzhaft miteinander stritten. Plötzlich sagte die eine zu anderen: „Mit dir kann man überhaupt nicht streiten. Du bist dauernd so neutral. Du bist immer nur die Schweiz.“ Ich dachte sofort, ein genialer Titel. Daraus mache ich was.

Ist dir der kommerzielle Erfolg wichtig?

Reinhold Beckmann: Die wichtigste Währung ist eigentlich Unabhängigkeit und Freiheit. Wir spielen in kleinen Theatern, in Kulturhäusern und manchmal auch auf Festivals. Dass die Leute kommen, uns hören wollen und glücklich nach Hause gehen, das ist toll! Ich bin sehr dankbar, dass wir diesen Entschluss getroffen haben!

Du schreibst deutsche Texte. Hat das einen tieferen Grund?

Reinhold Beckmann: Ich fände es merkwürdig, wenn ich auf Englisch schreiben würde. Ich komme aus einer Generation der Storyteller wie Franz Josef Degenhardt, Hannes Wader, Klaus Hoffmann oder Stephan Sulke. Aber der große Meister ist natürlich Reinhard Mey. Er hat das Erzählen von Geschichten in Liedern zu einer besonderen Kunstform erhoben. Meine Art zu schreiben, ist ganz einfach. Ich erzähle Geschichten.

Beckmann ist mit seiner Band aktuell auf Tour. (Foto: honorarfrei)

Kannst du drei Gründe nennen, warum man sich eine CD vom Beckmann holen sollte?

Reinhold Beckmann: Es gibt wundervolle Liebespoesien, es gibt aber auch sehr lakonische, ironische Alltagsbeobachtungen, die einem das Leben ein bisschen erleichtern und es gibt politische, gesellschaftliche Themen. Außerdem ist es gute handgemachte Musik – das lohnt sich doch immer… (lacht)

Außerdem bis du Vorstandsvorsitzender des Vereins NestWerk e. V. Ist das ein Herzensprojekt für dich?

Reinhold Beckmann: Ja, natürlich. Ich komme aus der Jugendarbeit in der katholischen Jugend, dann mein Zivildienst in einer Jugendbildungsstätte. Unser Verein „NestWerk e. V.“ will Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Stadtteilen mit kostenlosen Sport-, Freizeit- und Bildungsangeboten fördern und ihnen Perspektiven aufzeigen. In diesem Jahr feiern wir 20-jähriges Bestehen. Durch die Nähe zu den Jugendlichen dort bekomme ich immer wieder neue Einblicke – Nestwerk ist ein wichtiger Teil in meinem Leben.

Was denkt eigentlich der Interviewer, wenn er selbst interviewt wird?

Reinhold Beckmann: Ich nehme es entspannt und versuche, möglichst spontan zu antworten. Egal ob bei Presseinterviews oder in Talkshows. Ich mache es eigentlich gern. (eis)

Reinhold Beckmann engagiert sich bei Nestwerk e.V. (Foto: Carolin Windel/Nestwerk e.V.)