Schule der Zukunft?

Unser Leben hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten von Grund auf geändert, es gibt kaum mehr eine Tätigkeit, die nicht (auch) digital ausgeführt wird. Logisch, dass auch Schulen da mitziehen wollen und müssen, um die Schüler auf ihr digitales Leben besser vorbereiten zu können. Doch digitales Lernen hat nicht nur Vorteile.

Die Schüler der 10e vom Europa-Gymnasium Wörth sind begeistert von ihren iPads. (Foto: hea)

Wörth/Kandel. Ein Januarmorgen 1998: Ich steige aus dem Schulbus aus, laufe mit meinen Mitschülern über den Schulhof. Unser erster Stopp ist wie jeden Morgen der Vertretungsplan, vor dem sich bereits eine Traube gebildet hat. Auf drei ausgedruckten DIN A4-Seiten, die an der Eingangstür hängen, schauen wir nach, ob es heute eine Änderung für uns im Stundenplan gibt. Unsere Schulrucksäcke sind vollgepackt mit Ordnern, Heften, einem schweren Atlas und Schulbüchern – einige Kilo Gepäck schleppen wir die Treppen hoch zu unserem Klassensaal. Unsere Englischehrerin hat eine Präsentation vorbereitet, sie holt dafür den Overheadprojektor mit dem Aufzug aus dem ersten Stock. In Musik wollen wir ein Video schauen, was allerdings nicht möglich ist, weil die beiden Fernsehgeräte mit Videorecorder gerade in anderen Klassen im Einsatz sind. Dafür gibt es im Physik-Unterricht etwas zu sehen. Der Lehrer muss dafür nur den Dia-Projektor aus dem Geräteraum holen. Für die Projektarbeit in Deutsch verbringen wir eine Schulstunde in der Bibliothek und wälzen Lexika, um herauszufinden, wann Goethe genau in Italien war. Die Mutigen nutzen einen der drei Computer-Arbeitsplätze und schauen auf einer CD-Rom nach. Mein Abitur ist eigentlich noch gar nicht so lange her und trotzdem ist es erstaunlich, wie viel sich im Schulalltag seitdem verändert hat. Im Januar 2020 wird der Vertretungsplan am Europa-Gymnasium Wörth (EGW) auf großen Flachbildschirmen präsentiert, in fast jedem Klassenzimmer hängen Fernsehgeräte, an die die Lehrer nur ihren Laptop, ihr Tablet oder einen USB-Stick anschließen müssen. Internet ist (auch wenn es ein steiniger Weg dorthin war, wie der Schulleiter Dr. Holger Hauptmann berichtet) in der gesamten Schule über W-Lan verfügbar. Und schon seit einigen Jahren gibt es – nicht nur am EGW – Projekte mit dem Schwerpunkt „digitales Lernen“. Vor einigen Jahren hießen sie noch Laptop-Klassen, heute wird mit iPads gearbeitet. An der IGS in Kandel wurde erst vor wenigen Wochen ein kompletter Jahrgang mit Tablets ausgestattet, die nun punktuell im Unterricht eingesetzt werden.

Sarah Vogel (Mitte) und ihre Klassenkameradinnen arbeiten gerne mit den iPads. (Fotos: hea)

In Wörth arbeitet in diesem Schuljahr erstmals eine ganze Klasse ausschließlich mit ihren Tablets. der Klassenlehrer Matthias Hellenthal erläutert mir bei meinem Besuch in der Schule, wie das funktioniert. Alle Schüler der 10e haben als Leihgabe ein iPad und einen dazugehörigen Stift zur Verfügung gestellt bekommen. Auf diesem Gerät ist alles organisiert: Die Schulbücher, Unterrichtsmaterial, (Notiz-)Hefte – alles, was „analog“ verfügbar war, gibt es jetzt in digitaler Form. Für jedes Fach gibt es ein eigenes Heft, in das mithilfe des Stifts handschriftlich Notizen gemacht werden. Übungsblätter werden über den entsprechenden Fach-Chat verteilt. Darüber kann man sich auch schriftlich mit Lehrer und Mitschülern fachbezogen austauschen. Jedes Schulbuch ist immer verfügbar – ohne dass man zusätzliches Gepäck mitschleppen müsste. das alles hat natürlich viele Vorteile: In der iPad-Klasse gibt es so gut wie keinen Papiermüll mehr, das Organisieren fällt den Schülern leichter, sie lernen automatisch mit der neuesten Technik umzugehen, Präsentationen und Filme selbst zu erstellen ist für sie Alltag. Und auch für die Lehrer hat der Unterricht in der Klasse viel Positives: „Ich hab mein Arbeitsblatt verloren“ ist keine Ausrede mehr, auf dem Lehrer-iPad sind Apps installiert, die es ihm möglich machen, die Anwesenheit zu kontrollieren, die Notizen der Schüler live zu verfolgen, einzelne iPads zu sperren, wenn einer Unsinn damit treibt etc. „Als Lehrer kann ich außerdem in der digitalen Welt natürlich auf viel mehr Ressourcen und Materialien zurückgreifen“, beschreibt Hellenthal, der das Projekt mit voran getrieben hat. Auch die Schüler der Klasse sind allesamt begeistert von dem Projekt. „Am Anfang war es etwas gewöhnungsbedürftig, ganz auf Stifte und Papier zu verzichten, aber inzwischen ist das völlig normal und vor allem extrem praktisch!“, sagt Sarah Vogel. Auch Dr. Hauptmann schließt sich an: „Es ist ja sogar wissenschaftlich erwiesen, dass Schüler, die mit Tablets arbeiten, mehr Motivation für den Unterricht aufbringen. Auch dass die Eltern das Projekt nicht nur mit angetrieben, sondern auch weiter so gut unterstützen, freut uns sehr!“ Noch ist die iPad-Klasse ein Versuch, wie es genau im nächsten Schuljahr weiter geht, ist noch unklar. Idealerweise wird das Projekt ausgeweitet. Aber natürlich ist das auch eine Kostenfrage. Die Geräte werden aktuell über Spenden finanziert – eine ganze Schule damit auszustatten ist also noch ein langer Weg.

Mithilfe eines spziellen Stifts lassen sich Notizen genau wie auf Papier machen. (Foto: hea)

Tablet-Klassen, Medienscouts, Projekttage „Digitale Medien“ – Schulen tun viel in Sachen Digitalisierung, und langfristig muss dieser Weg natürlich auch weiter beschritten werden. Trotzdem muss man sich auch über die Nachteile im Klaren sein: Das ist neben dem Kostenfaktor auch die Nachhaltigkeit, die man im Auge behalten sollte. Hauptmann gibt beispielsweise zu bedenken: „Die iPads haben ja eine begrenzte Lebensdauer, danach müssen sie entsorgt und neu angeschaft werden. Ähnlich verhält es sich bei Smartboards: Eine klassische (Kreide-)Tafel war ein paar Jahrzehnte im Einsatz, das geht mit moderner Technik nicht mehr.“ Auf Dauer braucht es hier also nachhaltige Lösungen. (hea)

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Die Schülerinnen machen sich Notizen in ihr digitales Heft – das können die Lehrer live von ihrem iPad aus verfolgen. (Foto: hea)