Steckbrief: Sebastian Pufpaff

  • Der Nachname geht nach eigenen Angaben auf hanseatische Schwarzpulverhändler zurück.
  • Geboren am 15. September 1976 in Troisdorf.
  • 2008: Magister-Abschluss in Politikwissenschaft, Soziologie und Staatsrecht.
  • Neben dem Studium arbeitete er als Produktmoderator im RTL-Shop.
  • 2005-2009: Ensemblemitglied beim Springmaus-Theater Bonn.
  • Seit 2015 regelmäßiger Gast in der ZDF heute-show.
  • Seit März 2020 produziert Pufpaff die Sendung „Noch nicht Schicht“ (ZDF/3sat). Die
  • Sendung wurde vor Kurzem mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.

Herr Pufpaff, Sie haben für Ihre Sendung „Noch nicht Schicht“ gerade den Grimme-Preis gewonnen! Herzlichen Glückwunsch! Wie fühlt es sich an, mit solch einen renommierten Preis ausgezeichnet zu werden?

Sebastian Pufpaff: Ich freue mich einfach und ich bin sehr, sehr stolz darauf, vor allem vor dem Hintergrund, dass nur ein kleines zusammengewürfeltes Produktionsteam dahintersteckt. Wir haben für „Noch nicht Schicht“ alles händisch auf die Beine gestellt. Mit dieser Idee gegen ganz große zu bestehen – und dann auch noch den Grimme-Preis dafür zu bekommen, finde ich klasse. Ich gebe den Preis aber auch direkt weiter an meine Zuschauerinnen und Zuschauer. „Noch nicht Schicht“ lebt schließlich von dem intimen Verhältnis zum Publikum – obwohl wir uns untereinander nicht kennen, nicht mal sehen. Aber die Resonanz und die Interaktion ist toll und auch das finde ich großartig. Ich bin also richtig glücklich mit dieser Auszeichnung. Kurzzeitig dachte ich allerdings, ich müsse jetzt aufhören, weil ich ja nun alles erreicht habe (lacht).

Stimmt, viel höher geht es nicht mehr. Ein Emmy vielleicht noch?

Sebastian Pufpaff: Ich greife direkt nach dem Oscar! Habe das auch direkt als Ziel an meine Pinnwand gehängt. Das bedeutet nämlich auch, dass ich dann doch nie aufhören muss. Den bekomme ich nämlich eher nicht.

Sie müssten zumindest das Genre wechseln, um eine Chance zu haben.

Sebastian Pufpaff: Das stimmt. Ich werde zwar manchmal als der „George Clooney des Kabaretts“ bezeichnet, aber ob ich mit meinen 44 Jahren wirklich noch zum Schauspiel wechseln sollte? Ich müsste direkt mit den Charakterrollen beginnen und Arthousefilme drehen. Die haben allerdings wenig Zuschauer. Die Alternative wäre noch die Hunger-und-Fress-Tour: Erst eine Rolle mit 120 Kilo Übergewicht spielen und die nächste dann mit 38 – das würde Aufmerksamkeit garantieren. Aber ehrlich gesagt, habe ich da keine Lust drauf (lacht).

Dann kommen wir besser zur Realität zurück. Sie haben es gerade angesprochen: Das Team von „Noch nicht Schicht“ ist relativ klein. Sie nehmen die Sendung bei sich zuhause auf. Wie muss ich mir das genau vorstellen?

Sebastian Pufpaff: Die Grundidee zur Sendung habe ich in einer SMS an den Redaktionsleiter vom ZDF am 15. März 2020 formuliert: „Wir müssen etwas tun! Ich habe folgende Konzeptidee mit meinem Kumpel bei YouTube schon mal ausprobiert. Guckt es euch an, es könnte etwas für euch sein!“ Im Grunde habe ich also mein altes Verkäufertalent rausgekramt, um den Sender zu überzeugen. Ich habe meinen Freund Marcel Behnke angerufen, der auch Regisseur der heute-show ist. Er kam daraufhin spontan bei mir vorbei und wir haben das Konzept innerhalb von drei Stunden zusammengebaut. Er hat das ganze technische Setup gemacht: Ein Kabarett-Livestream, zu dem sich Redaktion und Produktion zuschalten können – da steckt sehr viel Herzblut und Erfindergeist dahinter. Das ZDF war auch begeistert von der Idee, konnte es jedoch nicht selbst produzieren. Also haben wir es kurzerhand selber produziert. Seitdem haben wir 118 Folgen abgedreht.

Und die Sendung ist nach wie vor extrem beliebt. Inzwischen funktioniert sie inhaltlich auch ganz unabhängig von Lockdown und Corona, oder?

Sebastian Pufpaff: Absolut! Es gibt inzwischen Folgen, die gar nichts mehr mit Corona zu tun haben. Im Grunde genommen ist „Noch nicht Schicht“ die Essenz einer Late-Night-Show, die ja immer mit einer Standup-Einlage zu tagesaktuellen Themen beginnt. Und genau das ist meine Sendung auch. Die kleinste Late-Night-Show der Welt. Darauf sind wir auch besonders stolz, denn wir haben damit die Regeln des Fernsehens durcheinandergewürfelt. Ein Sieben-Minuten-Format gibt es jenseits vom „Wort zum Sonntag“ nicht. Wir freuen uns wirklich wie kleine Kinder, dass das so gut ankommt.

Apropos „Kinder“: Klappt das immer reibungslos, wenn Sie die Sendung bei sich zuhause aufnehmen? Auch Ihre Kinder haben in den vergangenen Monaten ja vermutlich sehr viel Zeit daheim verbracht.

Sebastian Pufpaff: Das funktioniert eigentlich ganz gut. Ich stehe morgens um 4.45 Uhr auf, um alles erledigen zu können. Auch in der Zeit, als beide Kinder ganz zuhause waren, konnte ich bis 8 Uhr ungestört arbeiten. Bis dahin habe ich dann auch das Drehbuch fertig geschrieben. Wenn es dann später an die Aufzeichnung geht, rufe ich einmal durchs Haus: „Wir zeichnen jetzt auf!“ Das ist für alle das Zeichen, das Internet zu verlassen, Handys und Tablets in den Flugmodus zu schalten und sich möglichst still zu verhalten. Kurze Zeit später kommt von mir dann die Ansage: „Wir sind durch!“ Und das klappt immer sehr gut. Wir haben die Kinder von Anfang an mit einbezogen, wir ziehen als „Team Pufpaff“ an einem Strang und machen so quasi ein Spiel daraus – und das funktioniert immer noch sehr gut.

Die (vorerst) letzte Folge „Noch nicht Schicht“ lief am 10. Juni 2021. (Foto: Marcel Behnke)

Es ist ja auch sicher ganz spannend für die Kinder, wenn sie auf diese Weise mal mitbekommen, wie die Arbeit des Papas so abläuft. Diese Chance hatten sie vorher ja nicht.

Sebastian Pufpaff: Das stimmt. Wenn meine Tochter gefragt wurde, was „der Papa“ eigentlich beruflich macht, sagte sie „Quatsch!“. Inzwischen ist sie neun Jahre alt und versteht meinen Beruf natürlich besser. Aber es hat auch geholfen, dass sie jetzt sieht, wie das Set aufgebaut ist und was man davon am Ende dann auf dem Bildschirm sieht. Gut, sie denkt jetzt wahrscheinlich, aufgrund der Art, wie wir produzieren, Fernsehen sei total einfach und Hollywood funktioniere auch so (lacht).

Sie haben vorhin erwähnt, dass das Publikum ein wichtiger Teil von „Noch nicht Schicht“ ist. Allerdings gibt es ja keinen unmittelbaren Kontakt. Wie sehr vermissen Sie denn den direkten Austausch mit Zuschauerinnen und Zuschauern?

Sebastian Pufpaff: Das ist ganz interessant: Ich spüre überhaupt kein Defizit in dieser Hinsicht, im Gegenteil. Mein Verhältnis zum Publikum ist jetzt enger als vorher. Ich bekomme unglaublich viele Zuschriften, Geschenke, Tipps und Ideen. Über Facebook erreichen mich unzählige Nachrichten und ab und zu nehme ich mir auch die Zeit, darauf zu antworten und mit den Fans in Kontakt zu treten. Diesen Austausch gibt es auf der Bühne nicht. Natürlich kann ich nicht wie bei Liveauftritten auf der Stimmungswelle surfen. Das fehlt schon! Aber ich empfinde die Kamera mir gegenüber nicht als lebloses Okular, sondern als Guckloch in die Wohnzimmer. Und so stelle ich mir das während der Aufnahme auch vor. Ich sehe das Publikum vor meinem inneren Auge.

Sie haben ja auch das Glück, die Zeit ohne Auftritte gut überbrückt zu haben!

Sebastian Pufpaff: Das ist richtig! Ich bin da in einer sehr glücklichen Lage und bin mir dessen bewusst, dass es vielen Kollegen da ganz anders geht. Es ist wichtig, dass man sich in solch einer Lage freistrampeln kann, sonst zwingt einen die Seuche zu Boden.

Was ist Ihr Eindruck von der aktuellen Stimmung? Wie kann man den Menschen aus dieser Branche helfen?

Sebastian Pufpaff: Man kann im September die aktuelle Bundesregierung abwählen! Die Art und Weise, wie mit Künstlerinnen und Künstlern umgegangen wird, macht mich sehr wütend. Ich bin im letzten Jahr bei Maybrit Illner dem Kanzleramtsminister Helge Braun begegnet und als er mir dort ins Gesicht gelogen hat beim Thema Hilfen für Soloselbstständige, war das ein einschneidender Moment für mich, eine Zäsur. Ein Wechsel bei den Verantwortlichen kann helfen. Außerdem sollte man gerade jetzt Tickets kaufen! Es geht nun langsam wieder los mit Liveauftritten, diese Möglichkeit sollte genutzt werden. Aber auch digitale Kulturangebote auf YouTube, Patreon oder anderen Plattformen kann man finanziell unterstützen. Denn eines ist sicher: Wir brauchen die Kultur, egal ob es um Bücher, Tanzen oder Malerei geht.

Ist der Mangel an kulturellen Angeboten im letzten Jahr eventuell auch mit ein Grund, warum die Gesellschaft sich aktuell so leicht spalten lässt? Die Gereiztheit ist höher wegen fehlender Abwechslung?

Sebastian Pufpaff: Ich glaube ehrlich gesagt gar nicht, dass sich die Gesellschaft zurzeit sehr spaltet. Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass es sich um gleich große Lager handelt. Die große Mehrheit steht einem kleinen, aber sehr lauten Mob gegenüber. Natürlich ist die einfache Antwort für einige Menschen auch immer die attraktivste Antwort und diese bekommt man bei Gruppierungen wie den Querdenkern. Aber die Menge, die diesen Ideen folgt, darf man nicht überschätzen.

Das heißt, Sie machen sich auch keine große Sorgen im Hinblick auf die Bundestagswahl im Herbst?

Sebastian Pufpaff: Vor einem halben Jahr hätte ich noch gesagt: „Oh Gott! Warum kommt ausgerechnet jetzt das Superwahljahr?“ Aber dass man von der AfD in den Pandemie-Monaten so wenig gehört hat, beruhigt mich. Wenn Frau Weidel sich sogar schon bei den „bösen Mainstream-Medien“ anbiedert, um überhaupt gehört zu werden, ist das für mich ein gutes Zeichen. Im Gegensatz dazu erleben die Grünen oder auch die für mich durchaus streitbare FDP einen Aufschwung.

Wenn Sie sich öffentlich so klar politisch positionieren, bieten Sie auch eine große Angriffsfläche – vor allem im Internet. Was sind da die häufigsten Reaktionen und wie gehen Sie damit um?

Sebastian Pufpaff: Mir wurde schon jegliche Art des Schimpfworts an den Kopf geworfen. Auch Klassiker wie „Systemclown“, „Marionette“ usw. sind natürlich darunter. Es gibt ein paar wenige Kommentare, bei denen ich fast schon mitleidig sauer werde, weil so viel Herzblut im Spiel ist, nur um mich zu hassen. Das ist doch total lebensverschwendend! Aber ich mische mich meistens nicht ein, denn ich habe eine unglaublich starke Fanbase! Das ZDF hat mal eine Analyse durchgeführt, die ergab, dass meine Beiträge 96 Prozent positive Rückmeldungen bekommen. Das schafft kaum ein anderes Format! Meine Community fungiert auch als Korrektiv und reagiert entsprechend auf die Schwurbler und negative Kommentare – und zwar immer sehr gelassen! Das finde ich total cool!
Wenn das wirklich so funktioniert, haben Sie tatsächlich eine Ausnahme-Kommentarspalte!
Sebastian Pufpaff: Definitiv! Meine Kollegin Mai Thi Nguyen-Kim, die ich sehr schätze, muss da beispielsweise ganz andere Dinge über sich ergehen lassen. Aber sie ist natürlich auch in völlig anderen Sphären unterwegs.

Ich würde zum Abschluss gerne noch ein ganz anderes Thema ansprechen: Sie sind großer LEGO-Fan – haben aber auch eine leidvolle Geschichte in diesem Zusammenhang hinter sich, ist das richtig?

Sebastian Pufpaff: (lacht) Das ist richtig! Ich bin letztes Jahr schwer verunglückt beim LEGO-Spielen. Mir ist dabei nämlich der Fuß eingeschlafen und ich habe mir deswegen beim Aufstehen den Mittelfußknochen gebrochen!

Die Liebe zu LEGO ist dennoch weiter vorhanden?

Sebastian Pufpaff: Absolut! Mein Büro hier zu Hause ist gleichzeitig auch meine LEGO-Werkstatt. Momentan baue ich am Geisterhaus! Das kann ich sehr empfehlen. Außerdem wartet auf mich noch die NASA-Raumfähre Discovery. Falls jemand Fremdes jemals hier reinkommt, wird derjenige mich wahrscheinlich für komplett bescheuert halten! Hier gibt es sehr viele Noppensteine, mit denen man sich verweilen kann.

Womit wir wieder bei der Gefahr von Unfällen wären!

Sebastian Pufpaff: Für mich auf jeden Fall. Ich achte jetzt aber darauf, regelmäßig die Sitzposition zu ändern. Und ich klemme mir ein Kissen unter, damit ich mir nicht mehr sämtliche Arterien abklemme. Denn für mich ist das einfach auch ein toller Ausgleich – mein Puzzle-Ersatz, quasi. Ich kann mich darin total vertiefen, LEGO-Bauen ist mein persönliches Funkloch, das ich brauche um abzuschalten! (hea)