Redakteurin Regina Teutschländer traf Benno Baumgärtner, Geschäftsführer der Lebenshilfe. (Foto: Philipp Ritzmann)

Kandel. Anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Wohnstätte und Tagesförderungsstätte „Tom Mutters“ in Kandel der Lebenshilfe Kreisvereinigung Germersheim e. V. traf Redakteurin Regina Teutschländer den Geschäftsführer Benno Baumgärtner, der seit 33 Jahren für die Lebenshilfe tätig ist.

Wann haben Sie bei der Lebenshilfe angefangen?

Benno Baumgärtner: Angefangen habe ich am 1. Oktober 1986 zu einer Zeit, in der sich die Lebenshilfe neu orientiert hat. Die Lebenshilfe gibt es ja schon seit 1964 und hatte 2014 ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert. In Wörth, in der Hagenbacher Straße 24, sollte damals ein modernes Wohnheim entstehen, mit dem Ziel, Menschen mit Behinderung ein Zuhause zu bieten. Das Wohnheim ist dann 1987 unter dem Vorsitzenden Erwin Muth eröffnet worden. Davor war ich bereits bei der Lebenshilfe in Karlsruhe und habe dort schon ein Wohnheim geleitet.

Konnten Sie Ihre Erfahrungen einbringen?

Benno Baumgärtner: Mir war damals wichtig, kein klassisches Monument zu bauen, sondern kleine Wohneinheiten unter dem Motto „Leben in der Gemeinde“. Und so haben wir kleine Einheiten in Hatzenbühl, Kuhardt, Westheim und Wörth gegründet. So sind wir heute flächenmäßig im ganzen Kreis Germersheim mit verschiedenen Wohnformen abgedeckt. „Leben in der Gemeinde“ war dabei der Grundgedanke – das hat sich als sehr gut erwiesen.

Wie kam es dann zur Gründung der Wohnstätte und Tagesförderungsstätte „Tom Mutters“ in Kandel?

Benno Baumgärtner: Kandel war ein riesiges Flaggschiff für den damals kleinen Verein der Lebenshilfe. Es mussten GmbHs, gemeinnützige Gesellschaften für Wohnen und Fördern, gegründet werden. Das war die Grundsteinlegung zur Weichenstellung, um etwas Neues zu gestalten und aufzubauen. Die Frage, die wir uns stellten bzw. die sich der ganze Landkreis stellte, war: Was machen wir mit schwerst mehrfach behinderten Menschen? Erfahrung hatte damals der Caritas, der kurz zuvor eine Tagesförderungsstätte, den Paulusstift, in Landau gebaut hatte. Die 64 entstandenen Plätze waren ruckzuck belegt. So entschied die Lebenshilfe, sich dieses schwierigen Themas anzunehmen. Das war eine wirtschaftliche, pädagogische und fachliche Herausforderung.

Der Bedarf an Förderplätzen im Schwerstbehindertenbereich in der Südpfalz ist aber nicht vollständig gedeckt, oder?

Benno Baumgärtner: Nein. Auch die Tagesförderungsstätte wurde nur zur Hälfte gebaut. Es waren 13 Millionen, damals noch DM, für dieses Projekt veranschlagt, eine riesige Herausforderung für den damals noch recht kleinen Verein. Doch die Zuschüsse vom Land sind, durch Haushaltssperren und dergleichen, nur spärlich geflossen. Da leiden wir heute noch drunter.

Wie war die ursprüngliche Konzeption der Tagesförderungsstätte?

Benno Baumgärtner: Ursprünglich war geplant, werkstattfähige Menschen mit Behinderung und schwerst mehrfach Behinderte unter einem Dach arbeiten und wohnen zu lassen. Der Bedarf für Wohnraum und Tagesförderstätte für schwerst mehrfach behinderte Menschen war so groß, dass die Wohnstätte und die Förderstätte von heute auf morgen ausgelastet war. Ursprünglich waren 64 Plätze in der Tagesförderstätte geplant und 32 genehmigte Plätze waren letztendlich fertig. Aktuell haben wir 52 Menschen in der Tagesförderstätte aufgenommen, das heißt, wir sind seit 20 Jahren überbelegt bis an die Obergrenze, obwohl es die Räumlichkeiten gar nicht hergeben! Die Wohnstätte hat insgesamt 38 Wohnplätze und ist auch von Anfang an ausgelastet.

Wie waren die Anfänge in der Wohn- und Förderstätte?

Benno Baumgärtner: Am 
28. November 1996 kam es zur Grundsteinlegung der Wohn- und Förderstätte Kandel. Das war der erste Meilenstein. Am 
25. April 1997 wurde das Richtfest gefeiert. Am 28. März 1998 gab es eine allgemeine Bewerberinformationsveranstaltung in der Tagesförderstätte, damals noch im Rohbauzustand. Das war ein Abenteuer! Wir hatten ja schon einige Mitarbeiter in den Wohngemeinschaften, die wir nur bedingt einsetzen konnten, da sie ja ihre eigene Arbeit schon hatten und brauchten aber 40 neue Mitarbeiter. Teilweise übernahmen wir Bewohner inklusive Mitarbeiter aus anderen Einrichtungen, denn es sollte wenigstens einer mit Erfahrung im Schwerstbehindertenbereich in jeder Gruppe sein. Am 1. August war dann der Startschuss für die Wohn- und die Förderstätte in Kandel, gefolgt von der offiziellen Eröffnung am 10. September 1998 mit dem damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck und dem Tag der offenen Tür am 13. September 1998.

Ist eine Lösung in Sicht, die der Überbelegung entgegenwirken könnte?

Benno Baumgärtner: Nach wie vor haben wir einen Zustand der Überbelegung – und keine Lösung ist in Sicht. Teilweise haben wir Räume umfunktioniert, nur, um dem Bedarf gerecht zu werden. Die einzige Möglichkeit, wäre, zu erweitern und anzubauen. Auch die Situation der Wohnplätze ist angespannt. Wir haben eine Intensivgruppe dabei, mit Menschen, die eine sehr intensive Pflege, Förderung und Therapie benötigen. Die, die unsere Tagesförderstätte besuchen, aber noch zu Hause betreut werden, brauchen über kurz oder lang einen Wohnplatz. Doch auch bei den Wohnplätzen sind wir an unsere Grenzen gekommen. Aber wir sind sehr froh, dass wir mit unserem Wohn- und Förderkonzept sehr gut in der Öffentlichkeit ankommen. Die Besucher, Bewohner und Mitarbeiter fühlen sich in Kandel sehr gut integriert, akzeptiert und werden bei vielen Festen eingeladen. Ich danke allen, die uns auf sehr vielseitige Weise unterstützen. (teu)