Die Umfragewerte der SPD sind in letzter Zeit gesunken. Wie geht es Ihnen als SPD-Politiker damit – auch im Hinblick auf die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Bayern und Hessen?

Thomas Hitschler: Gerade bei Hessen war ich sehr ernüchtert, weil ich selbst im Wahlkampf aktiv war. Ich habe dort Haustürbesuche gemacht, habe ein paar junge Kandidaten unterstützt und dafür gekämpft, dass es in Hessen einen Politikwechsel gibt. Da war ich am Wahlabend tatsächlich niedergeschlagen. Und ähnlich ist es, wenn man auf unsere Umfrageergebnisse schaut. Da stellt sich schon die Frage, warum wir – obwohl wir sehr viele gute Themen erfolgreich bearbeiten – gerade nicht zu den Menschen durchdringen. Da muss die SPD einfach besser werden. Momentan wird mein Anspruch, den ich an die Performance der SPD stelle, nicht erfüllt.

Was denken Sie, wie es weitergeht?

Thomas Hitschler: Am letzten Wochenende war das große Debattencamp in Berlin, an dem sich mehr als 3.000 Menschen beteiligt und über die inhaltliche Zukunft der SPD diskutiert haben – das ist der richtige Weg. Ich habe den Eindruck, dass wir als älteste Partei Deutschlands manchmal ein stückweit verstaubt wirken. Aber es gibt in der SPD so viele tolle und gute Ideen darüber, wie die Zukunft unseres Landes aussehen soll. Diese Ideen müssen wir wieder stärker nach vorne bringen. Das Debattencamp am Wochenende war ein guter Aufschlag. Wir bewegen uns langsam in die richtige Richtung.

Thomas Hitschler sieht sich als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger. (Foto: Thomas Hitschler)

Und im Hinblick auf die Regierungsarbeit? Wäre ein Rücktritt von Angela Merkel auch als Kanzlerin nicht sinnvoller gewesen?

Thomas Hitschler: Vielleicht kommt das ja noch. Wir warten alle gespannt darauf, wer den CDU-Vorsitz übernehmen wird. Ich kann mir zwei von drei Kandidaten vorstellen, die meiner Meinung nach relativ schnell versuchen würden, einen Kanzlerwechsel herbeizuführen. Meine Prognose ist: Es wird ein sehr spannendes politisches Jahr 2019.

Was ist mit Andrea Nahles? Ist sie das richtige Zugpferd für die SPD oder wäre ein frischer Wind hilfreich?

Thomas Hitschler: Andrea Nahles macht eine starke Arbeit. Das merke ich jeden Tag in der Zusammenarbeit. Ein erneuter Wechsel würde uns da nicht helfen. Ich glaube allerdings, dass wir uns personell etwas breiter aufstellen müssen. Meine Auffassung ist, dass es für die SPD ganz gut wäre, Andrea Nahles dafür noch die eine oder andere Person zur Seite zu stellen. Momentan steht sie häufig alleine vor den Kameras und muss Entscheidungen mitteilen. Ich glaube so ein, zwei Leute, die auch Verantwortung übernehmen, wären für die SPD ganz gut.

In solch einer aufgeheizten Stimmung besteht ja auch immer die Gefahr, dass extreme Strömungen Aufwind bekommen. Haben Sie vor diesem Hintergrund auch manchmal Angst vor den nächsten Wahlen?

Thomas Hitschler: Angst ist der schlechteste Ratgeber für Politik. Wir müssen die Sorgen der Leute ernst nehmen, wie die Wahlergebnisse zeigen. Und wenn sich die Menschen von den Volksparteien abwenden, dann liegt das nicht an den Wählerinnen und Wählern, sondern an uns. Wir Volksparteien müssen überlegen, wie wir bessere Politik machen können. Aber am Ende habe ich keine Angst. Es motiviert mich vielmehr. Und wenn die Motivation irgendwann nicht mehr da ist, dann bin ich auch falsch in der Politik. Für mich braucht Politik immer auch die Leidenschaft, dafür zu arbeiten, dass dieses Land, das so erfolgreich ist, auch erfolgreich bleibt. Damit macht man übrigens auch die beste Gegenarbeit gegen Radikale. Selbst gut zu sein, ist immer besser, als andere schlecht machen.

Mit welchen Gefühlen würden Sie denn Neuwahlen aktuell entgegensehen?

Thomas Hitschler: Mit sehr gemischten Gefühlen. Ich finde, dass man nicht alle anderthalb Jahre zum Wähler gehen und sagen kann, dass er jetzt nochmal wählen soll. Wir, der Deutsche Bundestag, haben einen Auftrag bekommen, nämlich mit dem Wahlergebnis von 2017 zu arbeiten und daraus eine stabile Regierung zu bilden. Die „Jamaikas“ (CDU/CSU, FDP, Grüne) haben das versucht und sind krachend gescheitert. Wir sind jetzt in einer großen Koalition, die für viele nicht die Wunschkonstellation war, auch nicht von mir. Aber wir sind da jetzt drin und wir müssen liefern. Darauf kommt es jetzt an, und nicht darauf, sofort wieder nach den Wählerinnen und Wählern zu rufen, weil gerade die Umfragewerte schlecht aussehen.

Die politische Umbruchstimmung ist ja nicht zuletzt auch durch heftige Diskurse in sozialen Netzwerken befeuert worden. Von außen entsteht dort häufig der Eindruck, Anhänger der AfD seien in der großen Überzahl. Haben die anderen Parteien das Internet unterschätzt und dort zu wenig investiert bzw. diesen Trend verschlafen?

Thomas Hitschler: Ich kann jetzt nur für mich sprechen. Ich habe bei Facebook fast 6.000, bei Twitter über 3.000 Follower, auf Instagram etwas mehr als 1.000 Abonnenten. Ich biete auch Facebook-Live-Sprechstunden an. Also ich nutze das Internet und seine Plattformen möglichst breit. Für mich ist die schönste politische Diskussion aber immer noch die, die im wahren Leben stattfindet, wenn die Menschen zu mir kommen und wir persönlich miteinander sprechen können. Am Ende ist das Internet aber ein mittlerweile gängiger Kanal für die Politikvermittlung, der genutzt werden will. Und vielleicht müssen wir da noch ein stückweit mehr, auch mehr nutzerorientiert machen.

Thomas Hitschler im Deutschen Bundestag. (Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde)Welche Vor- und welche Nachteile sehen Sie in den sozialen Netzwerken?

Thomas Hitschler: Ein großer Vorteil ist: Man erreicht viele Menschen direkt. Wenn ich zum Beispiel etwas auf meiner Facebook-Seite poste, dann sehen diesen Beitrag im besten Fall gleich 6.000 Nutzerinnen und Nutzer auf einmal, und ich kann direkt mit ihnen diskutieren. Da bieten soziale Netzwerke auf jeden Fall einige Chancen. Ein Nachteil ist, dass Politik durch das Internet noch schneller geworden ist. Das hat nicht nur etwas mit Social Media zu tun, das liegt auch an anderen Onlinemedien. Während man früher noch drei oder vier Tage Zeit hatte, nach einer wichtigen Vorlage eine Entscheidung zu treffen, ruft heute schon zehn Minuten nach Erscheinen einer Vorlage die Bild-Zeitung an und will eine Bewertung für ihren Online-Aufritt. Das ist schon eine Herausforderung im Medienzeitalter des Jahres 2018.

 

Thema Europawahl 2019: Wie sensibilisieren Sie die Menschen, wie wichtig diese Wahl für Europa ist, gerade im Hinblick auf europakritische Parteien?

 

Thomas Hitschler: Reden, reden, reden! Gerade, wenn ich in der Südpfalz unterwegs bin, merke ich, dass das Thema Europa auf offene Ohren trifft, weil wir als Grenzregion wissen, was wir von einem offenen Europa haben. Jeder, der einmal in den Grenzkontrollen stand, der weiß, was es bedeuten würde, wenn wir wieder zurückkommen zu nationalen Egoismen. Ich bin großer Anhänger von Europa. Wir müssen dafür sorgen, dass die Errungenschaften von Europa bei allen Bürgerinnen und Bürgern ankommen. Das ist wichtig, damit wir Europa gemeinsam weiterentwickeln können. Ich habe manchmal den Eindruck, dass Europa so ein bisschen als Elitenprojekt wahrgenommen wird. Jeder, der studiert hat, freut sich über Austauschprogramme, die Aufenthalte in Paris oder in anderen europäischen Städten ermöglichen. Die Vorteile der EU müssen wir aber auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer greifbar und erlebbar machen. Das wird eine wichtige Aufgabe für meine Partei sein.

Wie hat sich Ihre Arbeit im Bundestag gewandelt? Seit Sie dabei sind bzw. seit die AfD dabei ist?

Thomas Hitschler: Es ist viel emotionaler geworden im Plenum des Deutschen Bundestags. In der letzten Legislatur gab es nicht so heftige Auseinandersetzungen und persönliche Attacken. Mit der AfD hat sich da viel an der Rhetorik geändert. Der Parlamentarismus in Deutschland ist ein anderer, als er von 2013 bis 2017 war. Das hat nicht nur etwas mit der AfD zu tun, sondern auch mit anderen Faktoren: Wir haben den größten Bundestag und wir haben so viele Fraktionen wie nie zuvor. Es ist an der Zeit, dass wir Antworten auf die Frage entwickeln, wie unser Parlamentarismus künftig aussehen soll, also welche Entscheidungsprozesse wir besser machen können, wie wir eine andere Debattenkultur im Bundestag bekommen, wie wir Ausschussarbeit verbessern können, wie der Bundestag auch wieder kleiner wird. Damit können wir nicht mehr warten.

Mit welchen Themen kommen die Menschen in der Bürgersprechstunde auf Sie zu?

Thomas Hitschler: Eigentlich mit allen Themen. Mit den ganz kleinen persönlichen bis hin zu den ganz großen weltpolitischen Themen. Das reicht von der Unterstützung beim Rentenbescheid bis zur Frage, wie wir mit Donald Trump umgehen. In meinen Bürgersprechstunden diskutieren wir natürlich auch ganz viele regionale Themen, in denen ich die Bürgerinnen und Bürger dann auch unterstütze. Da ist beispielsweise das Thema Mobilfunknetzabdeckung in der Südpfalz, mit dem einige Bürgerinnen und Bürger zuletzt auf mich zugekommen sind. Dann geht es auch um Verbesserungen im Schienenverkehr, die Anpassungen beim Ausbau der B 10 zwischen Landau und Godramstein oder auch die Rheinbrücke bei Wörth. Die Themenpalette ist riesig.

Und wie ist die Stimmung? Welche Eindrücke haben Sie gesammelt?

Thomas Hitschler: Die Stimmung ist eigentlich gut. Wenn die Leute merken, dass sie ernst genommen werden mit ihren Anliegen , dass man sich kümmert – als Abgeordneter bin ich Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger – , dann ist die Stimmung gut. Man muss die Sorgen der Menschen ernst nehmen, das ist das Wichtigste.

Regina Teutschländer traf den Politiker in seinem Landauer Büro. (Foto: privat)

Hat sich bei diesen Gesprächen etwas verändert in den letzten Jahren?

Thomas Hitschler: Ich bin ja erst im fünften Jahr im Deutschen Bundestag und kann noch nicht beurteilen, ob sich da etwas verändert hat. Mein Eindruck ist, dass die Leute eine Weile daran gezweifelt haben, dass man mit allen Themen zu seinen Abgeordneten kommen kann. Viele waren überrascht, dass mein Angebot an die Bürgerinnen und Bürger so dienstleistungsorientiert ist.

Wo nehmen Sie die Kraft für die politische Alltagsarbeit her und was tun Sie in Ihrer Freizeit? Haben Sie bestimmte Hobbys?

Thomas Hitschler: Wir Abgeordneten haben die schönste Aufgabe der Welt und müssen immer demütig darauf schauen, dass dies nur eine Aufgabe auf Zeit ist und dass wir entsandt sind von den Menschen, die uns gewählt haben: die Bürgerinnen und Bürger. Zu wissen, dass man die Menschen seiner Region, die Menschen der Südpfalz in Berlin vertritt, gibt schon sehr viel Kraft. Freizeit habe ich offen gestanden ziemlich wenig. Wenn ich Freizeit habe, versuche ich sie mit meiner Frau zu verbringen. Wir gehen dann gerne wandern. Es ist toll, die Landschaft der Südpfalz genießen zu können. Bei uns ist es einfach schön.

Was war in Ihrer politischen Tätigkeit das Wichtigste, das Sie erreicht haben?

Thomas Hitschler: Ich durfte für die SPD den Koalitionsvertrag mitverhandeln und war hier für den Bereich Verteidigung zuständig. Das ist nach der ersten Legislatur schon eine besondere Auszeichnung für einen Abgeordneten.

Was sind die Ziele Ihrer politischen Arbeit?

Thomas Hitschler: Mein großes Ziel bleibt, das Leben der Menschen, für die ich verantwortlich bin, zu verbessern. Das ist eine sehr philosophische Beschreibung, aber das ist mein Job, dafür bin ich da, Verantwortung für die Menschen zu übernehmen, die einen gewählt haben. Was ich als Verteidigungspolitiker erreichen will ist, dass unsere Soldatinnen und Soldaten immer gut ausgerüstet sind, um ihre Einsätze sicher ausführen zu können.

Was möchten Sie unbedingt noch erreichen? Und was konnten Sie bereits umsetzen?

Thomas Hitschler: Es gibt mindestens drei weitere Themen, die mir am Herzen liegen. Das ist zum einen ein zeitlich begrenztes LKW-Fahrverbot für die Zeit, in der die B 10 bei Landau ausgebaut wird. Dafür werbe ich bei Wirtschaftsminister Volker Wissing, damit die Anwohnerinnen und Anwohner entlastet werden. Das ist mir ein großes Anliegen. Das zweite Thema sind Verbesserungen im Schienenverkehr in der gesamten Südpfalz. Wir merken, dass unsere Straßen immer voller werden und ich glaube, wir können im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs besser werden. Am Herzen liegt mir auch das Thema Bundesfreiwilligendienst. Es kann nicht sein, dass Menschen, die sich in den Dienst unseres Allgemeinwohls stellen, kellnern gehen müssen, um ihr freiwilliges Engagement ausführen zu können. Das passt noch nicht einmal im Ansatz zusammen. Einen Freiwilligendienst zu absolvieren, darf keine Frage des Geldbeutels sein. Um die Freiwilligendienste zu stärken, brauchen wir eine angemessene Vergütung, ähnlich wie es beim Freiwilligen-Wehrdienst der Bundeswehr ist. Und und und.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Thomas Hitschler: Glück, Gesundheit und weiterhin so tolle Menschen um mich herum, wie ich sie jetzt habe.