Sven Voss im Studio. (Foto: ZDF/Jana Kay)

Steckbrief: Sven Voss

  • Geboren am 28. Juni 1976 in Daun
  • Seit 2004: ZDF-Sportredaktion, moderierte u. a. ZDF Wintersport extra, die Tour de France, die Vierschanzentournee
  • 2011 wurde er Nachfolger von Wolf-Dieter Poschmann als Moderator des aktuellen Sportstudios
  • Seit 2005: Moderation der MDR-Wissenssendung „Echt – Das Magazin zum Staunen“
  • Seit 2015: Moderation der MDR-Reportage Lebensretter

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Sie moderieren eine der zwei prägnantesten Sportsendungen in Deutschland – das aktuelle Sportstudio. Ist es für Sie immer noch eine Ehre, dieses zu moderieren?

Sven Voss: Ja, in der Tat. Ich bin mit dem Sportstudio und der Sportschau aufgewachsen. Als kleiner Knirps habe ich die Sendungen mit meinem Vater zusammen geschaut. Und ich habe mich gefreut, wenn der Spielbericht vom FC Köln kam oder von Werder Bremen – da waren wir uns in der Familie nicht so ganz einig. Und später, als ich meine Fernsehkarriere begonnen habe, dachte ich nicht im Traum daran, dass ich in dieser tollen Sendung stehen darf, Heute ist es immer noch aufregend, das Sportstudio zu moderieren. Es kommen immer noch die wichtigsten Menschen des Sports zu uns und man darf Gastgeber und nah an den Personen sein. Das ist ein super schönes Gefühl und eine Ehre. Was keinesfalls heißt, dass ich nicht im Laufe der Jahre eine gewisse Routine entwickelt habe. Aber manchmal, wenn die Beiträge laufen, denke ich „Wow, du darfst hier im Studio sein“ – das ist ein gutes Gefühl!

Wird vor der Sendung festgelegt, dass manche Dinge nicht gefragt werden dürfen?

Sven Voss: Nein, so verstehe ich auch Sportjournalismus nicht. Wenn ein Gast eingeladen ist, ergeben sich viele Themen. Und ob das ein Fußballspieler, ein Tennisspieler oder jemand aus einer anderen Sportart ist, führt man ein journalistisches Gespräch und da würde ich mir auch nicht eine Frage verbieten lassen. Der Gast hat aber natürlich auch immer das Recht, auf eine Frage nicht zu antworten und auch auf die Nachfrage nicht zu antworten – das ist auch oft das Spiel, das im Studio stattfindet. Als Gastgeber merkt man schnell, wo der Gast etwas schmallippiger wird. Klar, im besten Fall gibt es mit dem Gast ein Vorgespräch – da stellt man aber logischerweise noch nicht die Fragen – aber man bekommt ein Gefühl dafür, in welche Richtung es geht. Manchmal sagt der Gast dann auch: „Sie müssen verstehen, dass ich das so live nicht sagen werde“. Ich werde dann aber trotzdem danach fragen und vielleicht – das hat die Dynamik in so einem Studiogespräch in sich – kommt dann doch etwas raus, auch zwischen den Zeilen. Oder der Gast überlegt es sich anders und erklärt doch live seinen Rücktritt vom Sport (lacht).

Gab es schon solche prägnanten Momente, in denen Sie selbst überrascht worden sind?

Sven Voss: Überrascht wird man immer mal wieder. Vor Kurzem hatte ich einen prägnanteren Moment mit Michael Preetz als Hertha-Sport-Vorstand. Ich hatte eine Schalte mit ihm während der Sendung und da war ich mir sicher, dass wir Preetz in dieser Funktion so schnell nicht wiedersehen werden. Und es war dann tatsächlich auch so. Er hatte es zwischen den Zeilen bei uns schon angedeutet und am nächsten Morgen war es dann auch öffentlich gemacht, dass er freigestellt wurde. Solche Momente gibt es immer wieder. Manchmal hauen die Leute einfach einen raus. Rudi Völler hatte ich zuletzt auch im Interview, ich hatte noch Zeit für eine Frage, also fragte ich ihn nach der Gruppen-Form der Champions League und da schießt er plötzlich richtig los. Das war wie eine kleine Lunte, die ich gelegt habe.

Schauen Sie sich Ihre Sendungen noch einmal an?

Sven Voss: Direkt nach der Sendung gibt es eine Kritikrunde und montags in der großen Sportrunde, bei der alle dabei sind und dann auch noch einmal in der kleinen Sportstudio-Crew – und da sollte man als Moderator noch einmal in die Sendung geschaut haben, um bei Nachfragen seitens der Redaktion präpariert zu sein. Ich habe ein gutes Gedächtnis und auch ein Gespür, wenn es um Gespräche geht, die ich geführt habe, aber manches vergisst man dann doch. Die Gespräche schaue ich mir immer noch einmal an, daraus kann man auch lernen.

Aber – und das sage ich jetzt mal etwas provokanter – Sie können sich sehen …

Sven Voss: Ja, damit habe ich kein Problem. Ich bin jetzt Mitte 40, bin schon ein paarmal vor der Kamera gestanden, weiß wie ich das mache und ich kenne meine Stärken und Schwächen. Selbstkritik bleibt aber dennoch nicht aus. Manchmal frage ich mich schon, warum ich bestimmte Fragen an den Gast nicht anders gestellt habe oder warum ich nicht länger abgewartet habe, vielleicht wäre dann noch etwas Interessantes dabei rausgekommen. Das meine ich damit, dass man aus jedem Interview, das man geführt hat, etwas lernt – egal wie lange man das schon macht.

Manchmal ist es unheimlich schwer, den Gegenüber ausreden zu lassen, oder?

Sven Voss: Ja, das stimmt, vor allem wenn man sich mit einem Gast vor der Sendung schon länger beschäftigt hat. Oft hat man sich schon eine Woche vorher überlegt, was man fragen möchte, in welche Richtung man geht, man kennt den Gast in- und auswendig. Dann sitzt man ihm gegenüber und ahnt oft schon, was er sagen will. Da muss man sich wirklich auf die Zunge beißen und erzählen lassen. Aber das hat nichts mit einem eigenen Geltungsbedürfnis zu tun. Stille in einem Fernsehstudio ist ganz schwer zu ertragen, weil man immer das Gefühl hat, derjenige sein zu müssen, der das Gespräch antreiben muss. Da kann man aber auch von den Altmeistern lernen wie einem Harry Valérien oder einem Dieter Kürten. Die hatten auch mal den Mut, so eine Stille auszuhalten.

Gab es Vorbilder für Sie wie Valérien oder Kürten, an denen Sie sich orientiert haben?

Sven Voss: Da könnte ich jetzt bei Wikipedia reingehen und alle Moderatorinnen und Moderatoren suchen und aufzählen. Jeder hat seine Art, die mich geprägt hat. Ich fand zum Beispiel Johannes B. Kerner immer super in der Rolle als charmanten Nachfrager. Weil ich auch in Wiesbaden wohne, hatte ich aber auch immer wieder Kontakt zu Dieter Kürten, der das Sportstudio zu einer anderen Zeit richtig groß gemacht hat. Aber auch von Katrin Müller-Hohenstein, mit der ich ja zusammenarbeite, die das aber schon viel länger macht als ich, lerne ich immer noch. Sie ist eine sehr gute Journalistin und elegante Gastgeberin. Oder auch Rudi Cerne. Das ist auch mein Stil und daran orientiere ich mich.

Ist das investigative Befragen beim Sportstudio so gewollt?

Sven Voss: Ja, das ist explizit gewollt. Wir verstehen uns als journalistisches Format, bei uns sollen Dinge erfragt werden, die relevant sind, und auch die Dinge, die manchmal weh tun und wo man es sich manchmal auch für einen kurzen Moment mit dem Gegenüber verdirbt. Das ist mal mehr angebracht, mal weniger und das macht jeder auf seine Art und Weise. Manchmal klappt das gut, manchmal fragt man zweimal nach, aber man bekommt aus seinem Gegenüber nichts raus – das ist dann aber auch okay, man hat es ja versucht. Versuchen, dranbleiben, nachfragen – das ist ein wichtiges Element in dem Sportstudio. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Moderatoren, auch in den Beiträgen und den Reportagen wird diese Richtlinie verfolgt. 

Das finde ich immer wahnsinnig schwierig, wenn man als Spieler noch voller Adrenalin ist, man hat in der 123. Minute noch den Ausgleich bekommen … und dann die Contenance in Interviews zu bewahren …

Sven Voss: Wenn man einen Sportler interviewt – im Studio oder nach einem Live-Ereignis – muss man als Journalist das Gefühl für diesen und seine Situation haben. Wenn man weiß, dass man ihn provozieren und an einem Ventil drehen kann, bis dieses aufplatzt, nur damit man eine Schlagzeile bekommt – ich verstehe Journalismus so, dass man den anderen auch schützen muss.

Sven Voss zeigt Fingerspitzengefühl. (Foto: ZDF/Jana Kay)

In unserem Anspruchsdenken gehen echte Leistungen oft unter. Wenn jemand z.B. bei einer Weltmeisterschaft Dritter wird, ist das eine unglaubliche Leistung – aber das sieht heute kaum noch jemand.

Sven Voss: Gerade in puncto Verknappung der Zeilen, Zeichen oder auch Sendezeiten ist es oft so, dass man den Ersten nennt und wenn einer Vierter wird, dann ist es gleich ’ne Katastrophe. Man muss sich auch mal in den Sportler hineinversetzen. Mit diesem Abwerten tut man den Sportlern weh – gar nicht mal absichtlich, sondern vielleicht auch nur aus Reflex.

Sie moderieren ja nicht nur Sportsendungen, sondern auch andere Formate …

Sven Voss: Für den MDR moderiere ich Service- und Wissens-Themen. Da geht es mal um Braunkohlebergbau und wir fahren in ein Bergwerk und dann mache ich aber auch für das ZDF True-Crime-Reportagen. Ich fühle mich bei allen Formaten wohl. Das sind alles Themen, die mich interessieren, es geht um Menschen und ich mag den Kontakt zu Menschen. In Pandemiezeiten ist das natürlich schwierig, aber generell mag ich mich gerne mit Menschen treffen und ob das jetzt ein hochdekorierter Spitzensportler ist oder jemand, der gerade in einem Bergwerk um seinen Job kämpft – das sind Geschichten, die ich erfahren will, und diese im Fernsehen bringen zu können, finde ich super. Klar ist für mich der Sport die Nummer eins, aber die Möglichkeit zu haben, mich auch in anderen Feldern zu beweisen, ist schön.

Sie haben Politik und Pädagogik studiert – das geht in eine ganz andere Richtung als Sportreporter.

Sven Voss: Das stimmt, aber ich glaube, als Sportreporter braucht man vor allem eine Leidenschaft für den Sport – und die habe ich. Ich bin auch selber Sportler. Und man braucht ein gewisses Im-Leben-Stehen und man muss sich mit Dingen auskennen, die für jeden Menschen in Deutschland relevant sind. Deswegen spielt es meiner Meinung nach keine Rolle, was man studiert hat.

Sie kommen aus Daun in der Eifel – wie wird man da Fan von Werder Bremen?

Sven Voss: In meiner Klasse waren früher alle FC Köln- oder Bayern München-Fan und dann hat Werder den Europapokal der Pokalsieger gewonnen und das war für mich der Schlüsselmoment und ich sah nur noch grün-weiß Raute. (eis)