Landau. Erfahrung, Ausdauer und Fingerspitzengefühl – Eigenschaften, die ein Streetworker, also ein Straßensozialarbeiter, mitbringen sollte. Seine „Klienten“ erreicht der Streetworker dort, wo sie sich gerade aufhalten – also auf der Straße. „Streetwork“ allerdings ist weit mehr als „nur“ Pädagogik auf der Straße. Netzwerkarbeit, Einzelfallhilfe, Gruppenangebote oder auch die Arbeit mit den Eltern betroffener Jugendlicher gehören zu dem umfassenden Aufgabengebiet dieser Berufsgruppe.

Katrin Marquardt ist seit sechs Monaten als Streetworkerin bei der Fachstelle Sucht der Evangelischen Heimstiftung Pfalz in Landau angestellt. Die Arbeit des Fachdienstes Streetwork wird durch die Stadt Landau finanziert. Wir haben uns mit der Diplom-Sozialarbeiterin getroffen und einen interessanten Einblick in ihren Arbeitsalltag erhalten.

Flucht vor gemachten Fehlern, Schulden, Arbeitslosigkeit, eine zerrüttete Ehe, Langeweile – die Gründe, warum Menschen auf der Straße landen, sind vielfältig, so vielfältig wie die Menschen selbst. „Oft flüchten Personen auch aus ihrer Wohnung, weil sie dort einsam sind“, sagt Katrin Marquardt. „Auf der Straße sind die Menschen Teil einer Gemeinschaft, dort gehören sie dazu.“

Mit ihrem kleinen schwarzen Elektrorad fährt die Streetworkerin täglich die „Brennpunkte“ in Landau an, also die Stellen im Stadtgebiet, an denen sie ihre Klienten vermutet. Brennpunkte seien vorzugsweise Parks, die Innenstadt oder einfach Orte, wo Bänke stehen, erklärt Marquardt. Respekt und Höflichkeit sind wichtige Pfeiler bei der Kontaktaufnahme mit einem Klienten. „Ich frage zunächst, ob die betreffende Person Zeit für ein Gespräch hat, und wenn die Bereitschaft besteht, stelle ich mich und meine Arbeit vor“, schildert die Sozialarbeiterin. Wichtig dabei sei, die Ansprache so zu wählen, dass die Person sich nicht stigmatisiert fühle. „Das ist manchmal gar nicht so einfach. In der Kontaktaufnahme bin ich sehr offen und unvoreingenommen, aber gleichzeitig auch sehr achtsam.“ Achtsamkeit zeichne die Arbeit eines Streetworkers aus. „Die Körpersprache eines Klienten ist sehr wichtig. Ich muss auf die Signale und Rückmeldungen der Menschen achten – ein Gespür dafür entwickeln, wer Hilfe benötigt und diese auch annehmen möchte. Wenn jemand mir signalisiert, dass er kein Interesse an einem Gespräch hat, ziehe ich mich natürlich zurück“, so Marquardt.

Die gelernte Erzieherin aus Lüneburg begann mit Mitte 20 ein Studium der Sozialpädagogik. Während ihres Studiums half sie in einem Wohnheim für obdachlose Männer aus und übernahm Schichten in der Nachtwache. „In dieser Zeit konnte ich viele Erfahrungen sammeln, die mir heute von großem Wert bei der Arbeit als Streetworkerin sind.“

Nach knapp sechs Monaten in ihrer Tätigkeit als Streetworkerin in Landau fühlt sich Katrin Marquardt von den sozial benachteiligten Jugendlichen und Erwachsenen, die sie im Stadtgebiet anspricht, akzeptiert und respektiert. „Die Menschen wissen, dass sie sich mit ihren Problemen an mich wenden können, und dass ich diese streng vertraulich behandele“, betont die erfahrene Sozialpädagogin. Als Streetworkerin unterliegt sie einer Schweigepflicht.

Nach der Arbeit versucht Katrin Marquardt abzuschalten, sich auf ihre Hobbies und ihr Familienleben zu konzentrieren – das funktioniere aber nicht immer. Die Schicksale der Klienten gingen an keinem spurlos vorbei.

Es seien die Erfolgserlebnisse, welche Marquardt täglich daran erinnerten, wie wichtig und wie schön ihre Arbeit ist. Deswegen versuche sie „Nägel mit Köpfen“ zu machen – so oft es ginge –, ohne ihre Klienten dabei unter Druck zu setzen, betont sie. Ermutigen aber nicht drängen, lautet ihre Devise.

Vor einiger Zeit hat die Streetworkerin am Landauer Bahnhof einen jungen Mann angesprochen, er wirkte ziellos, war verstrubbelt und aus dem Rucksack, den er auf dem Rücken trug, ragten Zeltstangen heraus. „Ich strahlte ihn an und fragte, ob er aus dem Urlaub käme oder keine Wohnung hätte. Er strahlte zurück und erzählte, dass er wirklich keine Wohnung hätte – das war quasi der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“, erinnert sich Marquardt. Mittlerweile betreut sie den jungen Mann seit knapp sechs Wochen und innerhalb dieser kurzen Zeit hat sich Vieles in seinem Leben getan: Er ist in Landau gemeldet, besucht Maßnahmen über das Jobcenter, er erhält Leistungen, eine Wohnassistenz ist beantragt – „und er arbeitet hervorragend mit“, freut sich die einfühlsame Streetworkerin. Das Beispiel des jungen Mannes zeigt, wie Marquardt langsam und punktuell ein rechtliches und soziales Netzwerk um ihre Klienten strickt.
„Ich glaube, es gibt für alles den richtigen Zeitpunkt. Manchmal haben junge Erwachsene den Zeitpunkt noch nicht gefunden, an welchem sie sich helfen lassen wollen, und sie offen sind für neue Schritte oder Kritik an den bisherigen“, erklärt sie. Wenn dieser Zeitpunkt aber gekommen ist, sei es für diese Menschen gut, wenn jemand da ist, der sie in ihrer Entscheidung, ihr Leben anders anzupacken, unterstütze – so wie es Streetwoker wie Katrin Marquardt tun.