Es war ein Sonntag Mitte März als der Jockgrimer Politiker Thomas Gebhart einen Anruf von Angela Merkel bekam, die ihm mitteilte, dass er in der neuen Bundesregierung ein neues Amt bekommen sollte: Parlamentarischer Staatsekretät im Bundesgesundheitsministerium, das Amt direkt unter Jens Spahn. Seither hat sich vieles verändert für den Südpfälzer. Zeit zum Durchatmen blieb bisher wenig. Anne Herder traf sich mit dem Bundestagsabgeordneten im Rahmen seines Besuchs bei Seniocare24 – einer Agentur für Seniorenbetreuung – in Kandel.

Sie haben gerade einige Zeit bei hier in der Agentur verbracht – wie kam es dazu, was haben Sie bei diesem Termin mitgenommen?

Thomas Gebhart: Ich bin ja noch nicht allzu lange im Amt. Entsprechend habe ich die ersten Wochen damit verbracht, mich einzulesen und mir einen Überblick zu verschaffen. Dazu gehört vor allem auch, dass ich mich an der Basis informiere. Hinter dem Schreibtisch  erfährt man immer nur einen Teil der Wahrheit. Ich will wissen, wo der Schuh drückt. Deshalb ist es mir wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die unser Gesundheitswesen mitgestalten. Ich war zum Beispiel schon in einer Apotheke, habe mich  mit Ärztinnen und Ärzten getroffen, einen halben Tag im Krankenhaus verbracht, mir ein Pflegeheim angesehen. Und heute ging es um das Thema ambulante Pflege. 

Wie schwer war es denn, sich in Ihr neues Themenfeld einzuarbeiten?

Thomas Gebhart: Ich lerne jeden Tag dazu. Und ich bin überzeugt, dass das auch so bleiben wird. Schließlich ist unser Gesundheitssystem zwar eines der besten der Welt – aber manchmal auch ziemlich komplex. Genau das macht es so spannend. Das Thema Gesundheit betrifft jede Bürgerin und jeden Bürger elementar. Es geht also um sehr viel. Auch um sehr viel Geld. Wir haben in Deutschland Gesundheitsausgaben von einer Milliarde Euro – aber nicht im Jahr, auch nicht im Monat oder in einer Woche, sondern am Tag! Da mitgestalten zu können, ist total spannend.

Gebhart im Gespräch mit Renata Föry, Geschäftsleiterin von Seniocare24. (Foto: hea)

Was sind denn Ihre ersten Eindrücke von der Thematik?

Thomas Gebhart: Ich bin beeindruckt, wie viele Menschen Tag für Tag das Beste geben, um für andere zu sorgen: Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte, Hebammen, Physiotherapeuten, Apotheker und viele mehr. In allen Bereichen wird Unglaubliches geleistet, viele Überstunden werden gemacht. Und obwohl in den letzten Jahren schon sehr viel geschehen ist, stehen wir vor enormen Herausforderungen – in der Pflege, bei der ländlichen Versorgung oder der Digitalisierung. Und die gehen wir an!  

Schwingt nicht auch ein bisschen Wehmut mit, dass Sie sich der Umweltpolitik nun nicht mehr widmen können?

Thomas Gebhart: Klar, es gibt immer ein lachendes und ein weinendes Auge. Ich habe immer unheimlich gerne Umweltpolitik gemacht, aber Gesundheitspolitik ist genau so faszinierend. Und ich entdecke viele Parallelen. Schließlich wirkt sich die Gesundheitspolitik auf unser Leben genauso unmittelbar aus wie die Umweltpolitik. 

Wie konkret sind die Ideen, die Sie aus solchen Vor-Ort-Terminen mitnehmen? Gehen Sie direkt zu Herrn Spahn mit neuen Ideen für Gesetze?

Thomas Gebhart: Meine Eindrücke aus persönlichen Gesprächen sind für die tägliche Arbeit in Berlin unersetzlich. Wenn ich sehe, dass es an der einen oder anderen Stelle hakt, gebe ich das häufig an die Fachleute in unserem Ministerium weiter. Wir haben ständig Besprechungen in den verschiedenen Abteilungen unseres Ministeriums und tauschen uns aus. Wir besprechen in diesen Runden die laufenden Gesetzgebungsvorhaben, aber oft bringt man auch aus den Vor-Ort-Terminen Ideen und Anregungen in die Besprechungen mit. 

Was sehen Sie denn noch als besonders zentrales Thema, wo sich etwas tun muss, für Ihr Ministerium?

Thomas Gebhart: Die Pflege ist sicherlich eine der ganz großen Herausforderungen, alleine vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung: Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der Über-80-Jährigen um über die Hälfte zunehmen. Da muss man kein Mathematiker sein, um auszurechnen, dass wir mehr Pflegekräfte brauchen! Hier wollen wir gegensteuern. Ein erster wichtiger Baustein ist das „Sofortprogramm Pflege“. Wir möchten, dass in jedem Heim etwas von unserem Sofortprogramm ankommt. In den Krankenhäusern soll jede neue Pflegestelle von den Krankenkassen voll finanziert werden. Aber das Sofortprogramm wird nur ein erster Schritt sein. Weitere werden folgen. Wir möchten beispielsweise auch die tarifliche Bezahlung stärken. Ein weiteres großes Thema ist die Versorgung im ländlichen Bereich mit Hausärzten. 

Das Thema Digitalisierung spielt in der Bundespolitik ja eine zentrale Rolle – auch in Ihrem Ministerium?

Thomas Gebhart: Ja, absolut. Dabei geht es gar nicht darum, die menschlichen Kontakte zu ersetzen – das wäre auch gar nicht möglich. Die Digitalisierung soll eine Erleichterung sein. Vor allem im administrativen Bereich, zum Beispiel bei der Pflegedokumentation. Auch die Einführung einer elektronischen Patientenakte soll den Alltag einfacher machen – für die Ärzteschaft genauso wie für Patienten! Ich habe zum Beispiel vor kurzem tagelang meinen Impfpass gesucht – aber nur eine ältere Kopie davon gefunden. In einer elektronischen Patientenakte könnten solche Sachen alle gespeichert sein: Impfpass, Mutterpass, Medikation, Röntgenbilder – das alles ist dort zugänglich, aber der Patient ist Herr seiner Daten. Wenn wir so etwas schaffen, wäre es für den Patienten und für die Versorgung ein enormer Fortschritt.

Ihr Chef, Jens Spahn, ist ja keine unumstrittene Persönlichkeit. Er wurde in den letzten Wochen wegen verschiedener Äußerungen auch heftig kritisiert. Wie geht man innerhalb des Ministeriums damit um? 

Thomas Gebhart: Jens Spahn hat nichts gegen hitzige Debatten, wenn es dabei hilft, Probleme zu lösen. Das sehe ich genauso. Nur wenn wir miteinander diskutieren und ehrlich unsere Meinung sagen, können wir gute Ergebnisse erzielen. Es ist eine sehr angenehme und konstruktive Atmosphäre.

Inwiefern hat sich Ihre Arbeit denn mit dem neuen Amt verändert? 

Thomas Gebhart: Ich bleibe weiterhin Wahlkreisabgeordneter der Südpfalz im Bundestag, aber ich habe in Berlin jetzt eine neue Aufgabe und gehöre zur Leitung des Bundesgesundheitsministeriums. Damit gehen natürlich auch neue Aufgaben einher: Ich bin als Parlamentarischer Staatssekretär sozusagen die Schnittstelle zwischen Parlament und Ministerium. Wenn zum Beispiel mittwochs die „Fragestunde“ im Bundestag stattfindet, geben immer die Parlamentarischen Staatsekretäre stellvertretend für die Bundesregierung Auskunft. Außerdem vertrete ich den Minister bei vielen Terminen und arbeite intensiv an den Gesetzentwürfen mit. Es ist also schon eine andere Arbeit als vorher, es ist auch enorm viel und deutlich intensiver. Ich musste ein ziemliches Pensum schaffen, seit diesem Sonntag als ich von meiner neuen Aufgabe erfahren habe. Aber das gehört dazu und macht – wie gesagt – auch extrem viel Spaß.

Hätten Sie sich Ihre neue Arbeit denn so vorgestellt wie es jetzt ist? 

Thomas Gebhart: Ehrlich gesagt, hatte ich gar keine Zeit, mir etwas vorzustellen. Ich habe sonntagnachmittags – ich war gerade mit meiner Frau unterwegs – den Anruf von Frau Merkel bekommen. Ohne Ankündigung oder Vorwarnung. Und wenn die Bundeskanzlerin anruft und einem dieses Amt anträgt, nimmt man sich auch keine Zeit mehr, lange darüber nachzudenken. 

Haben Sie Visionen, was Sie bis zur nächsten Bundestagswahl gerne umgesetzt haben würden?

Thomas Gebhart: Ich möchte, dass Pflegekräfte, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen in drei Jahren sagen: In der Pflege hat sich wirklich etwas verbessert! Unsere Bemühungen sollen im Alltag der Menschen spürbar ankommen. Das gilt bei der Pflege genauso wie bei unseren Vorhaben für eine bessere medizinische Versorgung auf dem Land, kürzere Wartezeiten beim Arzt oder die Digitalisierung des Gesundheitswesens.  

Wir haben ein lange gewachsenes Gesundheitssystem hier in Deutschland mit vielen Bausteinen, komplexen Strukturen. Wünscht man sich manchmal, man könnte alles einmal auf null setzen und neu aufbauen? Gerade wenn man neu und von außen so ein Thema angeht?

Thomas Gebhart: Das geht natürlich nicht. Man muss ja immer von dem Punkt ausgehen, an dem wir heute stehen und von da an die Dinge fortentwickeln. Unser Gesundheitssystem steht im internationalen Vergleich ordentlich da. Wir brauchen den Vergleich mit anderen Ländern nicht zu scheuen. Selbstverständlich gibt es hier auch Unzulänglichkeiten – es ist nicht alles gut und schon gar nicht alles perfekt. Wir sollten uns darauf konzentrieren was wir konkret besser machen können. Das haben wir vor.