Steckbrief

Thomas Hirsch

Geboren am 30. April 1967 in Landau

1986-1989 Inspektorenanwärter bei der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße

1989 Studienabschluss Diplom-Verwaltungswirt

1990-2000 Leiter der Pressestelle der Stadtverwaltung Landau

Seit 2000 Geschäftsführer der Finanzholding Landau in der Pfalz GmbH

2008-2015 hauptamtlicher Bürgermeister Landaus

Seit 2016 Oberbürgermeister der Stadt Landau

Thomas Hirsch ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt in Birkweiler. Hirsch ist Mitglied der CDU


Die 20er Jahre sind jetzt „schon“ vier Wochen alt – wie ist Ihr Eindruck bisher?

Thomas Hirsch: Persönlich bin ich gut ins neue Jahrzehnt gestartet. In diesem Jahr durfte ich beim Neujahrsempfang des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf der Grünen Woche in Berlin teilnehmen – das war etwas Besonderes. Die Einladung war sicherlich auch ein Stück weit als Würdigung zu verstehen für das, was Landau in den letzten Jahren geschafft hat in Sachen Klimaschutz, Fair Trade und Nachhaltigkeit.

Was sehen Sie als größte Herausforderung in diesem Jahr?

Thomas Hirsch: Zum einen ist das natürlich das Thema Digitalisierung. Diese wird die ganze Gesellschaft verändern. Niemand weiß aber aktuell wirklich ganz genau, was die Änderung bedeuten wird. Es findet ein immenser Umbruch statt, der zunächst sicherlich viel Kraft kostet und eine große Herausforderung darstellt. Am Ende bringt dieser Umbruch aber sicherlich überwiegend positive Veränderungen mit sich. Das zweite große Thema ist der Fachkräftemangel. Gerade hier in der Südpfalz spürt man das ganz besonders deutlich, da wir nahezu Vollbeschäftigung haben. Um diesem Problem entgegenzuwirken, müssen wir uns um neue Wohnräume kümmern. Und da sind wir auch schon bei der dritten großen Herausforderung: dem Wohnungsbau. Über all diesen großen Herausforderungen steht dann natürlich noch das Thema Klimaschutz. Da hat Landau schon einige Veränderungen angestoßen, wir haben ja beispielsweise als erste Kommune in Rheinland-Pfalz den Klimanotstand ausgerufen. Das hatte zweierlei Gründe: Zum einen gibt es einen deklaratorischen und appellatorischen Charakter dieses Beschlusses. Er ist ein Aufruf an jeden einzelnen, seine Verhaltensweisen zu hinterfragen. Zum anderen hat der Beschluss aber auch konkrete Maßnahmen zur Folge: Investitionen in die Fahrradinfrastruktur, Ausbau des ÖPNV, mehr Stadtgrün, der Nachhaltigkeitscheck für alle städtischen Entscheidungen etc.

Sie haben es gerade auch angesprochen: Landau wächst immer weiter. Unter anderem deswegen ist der Wohnungsmarkt hier sehr angespannt. Ist diese ständige Vergrößerung denn dauerhaft gut?

Thomas Hirsch: Wir streben dieses Wachstum ja nicht an, indem wir für Baugebiete werben oder Ähnliches. Wir haben in den letzten 25 Jahren seit dem Abzug der französischen Streitkräfte die frei gewordenen Areale umfunktioniert. Das muss man immer im Hinterkopf behalten, denn das ist natürlich mit ein Grund, warum Landau und die Südpfalz in den letzten Jahren so stark aufblühen konnten. Die Südpfalz bringt außerdem viele Vorteile mit: Die Region funktioniert wirtschaftlich sehr gut, gleichzeitig lässt es sich hier auch sehr gut leben. Menschen, die hier arbeiten, wollen hier auch gerne leben. Dadurch entsteht der Druck auf dem Wohnungsmarkt. Wir könnten als Stadt natürlich jetzt sagen, wir schaffen keine neuen Wohnflächen, weil wir nicht wollen, dass Landau weiter wächst. Das hätte aber zur Folge, dass erstens die Preise weiter steigen durch die Verknappung und zweitens könnten Unterneh-men Stellen nicht mehr besetzen, da potentielle Mitarbeiter keine Wohnung hier finden. Ich bin aber auch sehr dafür, dass wir die Region noch stärker vernetzen und die Fachkräfte auch in den Dörfern der Südlichen Weinstraße oder im Landkreis Germersheim ein Zuhause finden. Das heißt allerdings in der nächsten Konsequenz, dass wir weiter darauf drängen müssen, dass der ÖPNV in der Region optimiert wird.

Thomas Hirsch begrüßt die diesjährigen Sternensinger in Landau.(Foto: Stadt Landau)

Weil Sie gerade die Zusammenarbeit mit den Landkreisen angesprochen haben: Macht es die Zusammenarbeit leichter, dass Sie alle der gleichen Partei angehören oder fehlt da nicht ein bisschen Vielfalt? 

Thomas Hirsch: Es geht natürlich sehr freundschaftlich zu, wenn wir uns treffen. Trotzdem weiß jeder auch seine speziellen Interessen zu vertreten. Das hat aber in der Vergangenheit, als Theresia Riedmaier noch Landrätin im Kreis Südliche Weinstraße war, genauso gut funktioniert wie heute. Wenn es um die Region geht, haben wir es immer geschafft das Wohl der Südpfalz in den Fokus zu nehmen.

Das klappt auf kommunaler Ebene ja nicht immer so gut. Warum spielt die Parteizugehörigkeit denn manchmal doch so eine große Rolle? Warum werden Vorschläge anderer Parteien manchmal einfach aus Prinzip kritisiert?

Thomas Hirsch: Das kommt sicher an manchen Stellen ab und zu vor. Das kann ich nicht abstreiten. Oft geht es dann auch darum, das Profil der Partei zu schärfen. Gerade in einer Zeit, in der es für die Bürgerinnen und Bürger immer schwerer wird, zwischen den Parteien große Unterschiede festzustellen. Ich stelle aber in Landau fest, dass wir bei großen Entscheidungen oft parteiübergreifend denken.

Das kann man ja unter anderem im Bereich Klimapolitik beobachten. Da hat Landau eine Entwicklung genommen, die nicht unbedingt CDU-typisch ist. Hat daran nur der Erfolg der Grünen schuld oder gibt es bei Ihnen auch persönlich eine Veränderung in Ihrem Bewusstsein?

Thomas Hirsch: Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass dieses Thema zwar aktuell eine ganz besondere Aufmerksamkeit genießt, aber wenn man genauer hinschaut, hat sich schon in den vergangenen Jahren gerade in Landau unheimlich viel getan. Die Nominierung der Stadt für den deutschen Nachhaltigkeitspreis wurde u.a. mit dem Engagement unserer Bürgerschaft in Ruanda begründet. Wir haben auch schon Klimaschutzprojekte auf den Philippinen über unseren Zoo und mit Unterstützung des Freizeitbads LaOla realisiert, als man die große Generaldebatte um das Thema noch gar nicht kannte. Auch die Optimierung des ÖPNV war in der Region schon Thema als die Debatte rund um CO2 noch nicht so entbrannt war. Aber Politik alleine reicht nicht. Jeder einzelne muss seinen Beitrag leisten und insofern ist diese Intensivierung der Debatte gut. So kann sich jeder fragen: Wie bewege ich mich fort? Was kaufe ich ein? Was ziehe ich an? Das ist das Entscheidende. Natürlich bedeutet das für die Politik, dass sie dann auch Rahmenbedingungen schaffen muss. Wer sein Auto stehen lassen möchte, braucht funktionierende Alternativen. Wer fair gehandelte Produkte kaufen möchte, braucht Unternehmen, die diese anbieten. 

Bleiben wir beim Thema Mobilität. Landau bringt da ja einiges auf den Weg in nächster Zeit. Wie sieht denn Ihre Idealvorstellung vom Verkehr in der Innenstadt in ein paar Jahren aus?

Thomas Hirsch: Das Thema ist sehr komplex. Wichtig ist zunächst eine bessere Vernetzung des Busverkehrs in der ganzen Region. Wir kämpfen aber auch für die Reaktivierung einiger Bahnlinien. Wir brauchen einen noch stärkeren Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität und eine bessere Infrastruktur für den Fahrradverkehr, sowohl in der Innenstadt als auch zwischen den Kommunen außerhalb. Und was wir auch nicht vergessen dürfen, gerade hier in einer eher ländlichen Region können wir sehr wahrscheinlich nicht auf den motorisierten Individualverkehr verzichten. Das heißt, wir brauchen auf Dauer ei-ne Technik, die CO2-neutral ist. Ob das dann Elektromotoren sind oder emissionsfreie Verbrennungsmotoren, wird sich noch zeigen. Also müssen wir den technischen Fortschritt ständig im Auge haben, um unser Konzept weiter zu entwickeln. Bei der Erfindung des Automobils gab es auch nicht von Anfang an ein großes Netz an Straßen und Tankstellen, das musste sich alles erst entwickeln. Jetzt haben wir wieder eine solche Umbruchsituation und wir müssen den Dingen Zeit geben. Das ist durch das Schnelllebige und die Ungeduld, die wir aktuell alle in uns tragen, schwer zu akzeptieren. 

Apropos Zukunft: Wenn Geld gar keine Rolle spielen würde, welches Großprojekt für die Stadt Landau würden Sie anstoßen?

Thomas Hirsch: Auch wenn man sich sicher in allen Bereichen immer noch etwas mehr wünschen kann, haben wir in Landau das Glück, dass wir eine relativ intakte Infrastruktur in allen Bereichen haben. Insofern tue ich mir etwas schwer, ein Großprojekt zu benennen. Die kommunalen Haushalte, insbesondere die der Städte, haben eine Schieflage, weil sie in Rheinland-Pfalz stärker an den sozialen Kosten beteiligt werden als in anderen Bundesländern. Das ist ein Problem – aber Geld allein wird unsere Stadt nicht glücklich machen, wenn wir es nicht schaffen, die Gesellschaft mit einzubinden. Deswegen bin ich in meinen Neujahrsansprachen auch so stark auf dieses Thema eingegangen: Wir müssen mehr miteinander reden! Denn ich habe das Gefühl, dass durch die Umbruchsituationen, wie wir sie aktuell erleben, viele Menschen Verunsicherung spüren. Für viele ist es schwer, die Entwicklungen für sich einzu-ordnen oder überhaupt den Überblick zu behalten. Da ist die Gefahr groß, dass diese Menschen sich vermeintlich einfachen Lösungen zuwenden. Wichtig ist, dass Rede und Gegenrede gehört werden und man den Menschen auf Augenhöhe begegnet.

Spulen wir ein Jahr nach vorne: Was wird das Hauptthema Ihrer nächsten Neujahrsrede sein?

Thomas Hirsch: In der Kommunalpolitik lernt man sehr schnell, wie schwierig es ist weit voraus zu planen. In Landau haben wir bis vor kurzem nicht mit einem so großen Druck auf dem Wohnungsmarkt gerechnet und wir haben vor zehn Jahren nicht ansatzweise geahnt, wie lange uns das Thema Landesgartenschau beschäftigen wird. Insofern bin ich lieber etwas zurückhaltend. Ich persönlich glaube aber, dass die Themen Klimaschutz, Mobilität und Digitalisierung auch im nächsten Jahr noch zentral sein werden. (hea)