Ulrike Folkerts: Vom Pfälzer Wald berauscht

Unter vier Augen: Die Schauspielerin Ulrike Folkerts über Frauen um die 60, soziales Engagement und die Macken von Lena Odenthal

(Foto: ZDF/Coony Klein)

Steckbrief: Ulrike Folkerts
geboren am 14. Mai 1961 in Kassel
1987: Filmdebüt in „Das Mädchen mit den Feuerzeugen“
Seit 1989 spielt sie die Kommissarin Lena Odenthal im Ludwigshafener Tatort
2005 und 2006 bei den Salzburger Festspielen als erste Frau im „Jedermann“ in der Rolle des Tods zu sehen
Folkerts setzt sich unter anderem im Rahmen des Aktionsbündnis Landmine und für Menschen mit dem Down-Syndrom ein.

In der ZDF-Mediathek: Katie Fforde: „Ein Haus am Meer“


Eine ganz profane Frage zum Anfang: Wollten Sie schon immer Schauspielerin werden?

Ulrike Folkerts: Nein! Dieser Wunsch kam erst in der 11. oder 12. Klasse auf. Damals war ich in Kassel am Gymnasium und meine Deutschlehrerin bot für die Schüler der Oberstufe auch eine Theater AG an, wo ich dann mitgemacht habe. Wir haben die Stücke gemeinsam gelesen und erarbeitet und so wurde mein Interesse geweckt. In Rollen zu schlüpfen und etwas ausprobieren zu dürfen, was man im eigenen Leben überhaupt nicht kennt – das fand ich extrem spannend. Eins der ersten Stücke, das wir gespielt haben, war „Andorra“ von Max Frisch und ich habe die Barblin spielen dürfen – die crazy Barblin! Das hat mich total fasziniert und ab diesem Moment wollte ich Schauspielerin werden. Eigentlich hatte ich Mathe und Bio als Leistungskurs, was ich dann auch durchgezogen habe. Ursprünglich hätte ich gerne etwas im Bereich Entwicklungshilfe gemacht – ins Ausland gehen, Brunnen bohren, Menschen zu einem besseren Leben verhelfen.

Soziales Engagement liegt Ihnen aber ja auch immer noch sehr am Herzen.

Ulrike Folkerts: Natürlich! Man ist ja nicht alleine auf dieser Welt. Bei der Schauspielerei habe ich auch immer das Bedürfnis, Geschichten zu erzählen, die die Welt verändern oder zumindest zum Denken anregen.

Sie unterstützen auch außerhalb der Schauspielerei soziale Projekte, richtig?

Ulrike Folkerts: Da bin ich so ein bisschen reingerutscht. Eine Freundin von mir hat eine Zeit lang in Burundi gearbeitet und auch die Nachwirkungen des schrecklichen Kriegs zwischen den Hutu und Tutsi miterlebt. Das waren chaotische Zustände in diesem kleinen Land und sie hat sich damals dort deswegen stark sozial engagiert. Um die Projekte populärer zu machen, hat sie mich gefragt, ob ich nicht mal mitkommen und den Aufbau eines Kinderheims und einer Schule unterstützen möchte. Das habe ich gemacht und die Eindrücke haben mich erstmal sehr schockiert. Aber ich wollte trotzdem nicht die Schauspielerin sein, die nach Afrika fährt und mit schwarzen Kindern an der Hand fotografiert wird. Ich wusste ja, dass ich denen nicht wirklich helfen kann. Es bringt ja überhaupt nichts, wenn ich beispielsweise T-Shirts vorbeibringe. Damit mache ich ja nur das Geschäft der Näherin im Ort kaputt. Das ist ja so ein Irrglaube der so genannten westlichen Welt, die großzügig alte Klamotten spendet … Ich bin da also an meine Grenzen gestoßen und habe deswegen entschlossen, mich hier vor Ort zu engagieren. Es gibt genug zu tun! Dadurch kam die Idee, kulturvoll e.V. zu gründen, wo es um kulturelle und pädagogische Projekte für Kinder geht. Außerdem bin ich noch beim Aktionsbündnis Landminen engagiert. Das habe ich mir, glaube ich, durch meine Rolle als Tatort-Kommissarin ein bisschen erarbeitet. Ich stehe auf der Seite der Guten und bringe die Bösen hinter Gitter (lacht). Jetzt ist das Thema grad wieder aktuell durch Trump! Unglaublich. Es gibt so viel zu tun auf dieser Welt – und ich bin nicht der Typ, der die Augen vor solchen Problemen verschließen kann.

Im ZDF-Film „Ein Haus am Meer“ (Foto: ZDF/Rick Friedmann)

Vor kurzem waren Sie im ZDF-Film „Katie Fforde: Ein Haus am Meer“ zu sehen. Ihre Filmrolle hat darin mit ganz anderen Problemen zu kämpfen …

Ulrike Folkerts: Das stimmt. Diese Rolle war mal etwas ganz anderes. In dem Film geht es um eine Frau, die mit 60 Jahren ihren Job verliert und auf der Straße sitzt. Damit können sich sicher viele Frauen identifizieren, die nur Teilzeit gearbeitet haben, alleinerziehend sind und deswegen mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Das ist also auch ein sehr aktuelles Thema!

Wie geht Anne – Ihre Filmrolle – damit um?

Ulrike Folkerts: Sie steckt den Kopf nicht in den Sand, sondern wird aktiv, erfüllt sich einen Traum und kauft sich ein kleines, altes Haus. Sie sitzt aber nicht alleine dort und besäuft ihr Unglück. Im Gegenteil, plötzlich ist die Bude voll und die Geschichte bekommt einen richtigen Drive. Anne bekommt die Chance, all Ihre Talente und Fähigkeiten wieder abzurufen – und das finde ich total schön an diesem Buch: Anne ist am Ende gestärkt und kann positiv aus den Geschehnissen hervorgehen.

Die Tatort-Kommissarin Lena Odenthal ist dagegen kein so positiver Mensch …

Ulrike Folkerts: Oh doch ein sehr positiver Mensch, bringt sie doch jedes Mal Mörder zur Strecke… Gut, wenn es ständig um Mord und Totschlag geht, gibt es nicht so viel zu lachen. Krimi sollte spannend sein, die Zuschauer fesseln. Eine Kommissarin zu spielen, heißt in Abgründe schauen.

Schauen Sie sich Ihre eigenen Filme eigentlich an, wenn sie fertig sind? Können Sie sich selbst gut zuschauen?

Ulrike Folkerts: Damit habe ich kein Problem. „Ein Haus am Meer“ habe ich mir gerade erst nochmal angeschaut. Manchmal schaue ich die Filme auch mit Freunden zusammen. Zum Jubiläum vom Tatort letzten Herbst habe ich mir sogar eine ganze Kneipe gemietet.

Wenn wir gerade beim Thema Tatort waren: Warum haben Ermittler im Deutschen Fernsehen immer ein unglückliches Privatleben oder psychische Probleme?

Ulrike Folkerts: Diese Figuren haben ja zuallererst die Funktion, den Fall zu klären. Da ist eigentlich wenig Platz für Privates. Die Autoren haben also zunächst weniger Interesse am Privatleben der Kommissare, im Fokus steht das Verbrechen, der Täter, was natürlich verständlich ist. Trotzdem soll die Rolle des Kommissars aber ja auch interessant sein – auch für den Schauspieler, der gerne etwas zeigen möchte und nicht nur den Zinnsoldaten spielen will. Dadurch entsteht wohl das Bedürfnis nach Problemen bei den Darstellungen der Ermittler. Und es ist ja auch nah an der Realität: Der Job bei der Polizei ist nicht ohne, man erlebt belastende Situationen, das geht sicher nicht spurlos an einem vorbei.

Die Rolle als Lena Odenthal, die Sie seit über 30 Jahren verkörpern, hat sicher ihr Leben stark verändert.

Ulrike Folkerts: Klar! Vor 30 Jahren konnte keiner absehen, wie lange ich die Rolle spielen würde und dass ich durch den Erfolg der Rolle und der Präsenz auch weniger andere Sachen drehen werde. Vor allem in meinem Alter jetzt und als Frau ist es gar nicht mehr so einfach, auch mal andere Angebote zu bekommen. Es ist ja statistisch erwiesen: Männliche Schauspieler bekommen mit zunehmendem Alter immer mehr zu tun, für ältere Schauspielerinnen wird immer weniger geschrieben. Insofern bin ich froh, dass das ZDF diese Nische für uns hat! Es ist jetzt schon das zweite Mal, dass wir zusammenarbeiten.

Markus Eisel traf im Februar die Schauspielerin Ulrike Folkerts. (Foto: privat)

Was hat für Sie denn den Reiz an der Rolle ausgemacht?

Ulrike Folkerts: Abwechslung ist immer gut. Der ZDF-Film ist außerdem auch sehr lustig, da konnte ich also auch meine komische Seite zum Besten geben! Das ist generell der Reiz an der Schauspielerei: Dass man abwechslungsreich und vielseitig arbeiten kann. Deswegen spiele ich auch regelmäßig Theater.

Wo sind Sie da aktuell zu sehen?

Ulrike Folkerts: Das letzte größere Projekt war in Mannheim – das ist aber auch schon wieder zwei Jahre her. Aber es kommt sicher bald wieder was. Ich möchte da unbedingt dranbleiben, weil ich dabei auch immer ganz viel lerne.

Haben Sie auch mal darüber nachgedacht, hinter der Kamera zu arbeiten?

Ulrike Folkerts: Nein. Regie ist nichts für mich. Das einzige, was ich mir vorstellen könnte, ist das Schreiben. Davor habe ich allerdings einen wahnsinnigen Respekt. Ich habe inzwischen so viele Autoren kennengelernt, dass ich weiß, was die alles leisten und wie oft es vorkommt, dass ihre Vorlagen in der Umsetzung nicht mehr wiederzukennen sind oder dass ihre Ideen geklaut werden. Das ist ein schwerer Beruf! Trotzdem interessiert mich das eher als die Regie.

Wie viel Einfluss haben Sie denn als Schauspielerin auf die Darstellung Ihrer Rollen?

Ulrike Folkerts: Das ist immer ein Prozess. Vor allem, wenn es ganz neue Figuren sind, die die Zuschauer noch gar nicht kennen, wie beim „Haus am Meer“. Das geht dann bei der Kostümprobe los, dabei entwickelt sich schon viel, da es enorm wichtig ist, wie sich die Figur kleidet. Dann überlege ich mir natürlich, wie die Geschichte die Figur geprägt haben könnte. Im aktuellen Film ist meine Rolle eine Rechtsanwältin, sie ist geschieden und hat ihre Tochter alleine großgezogen – daraus habe ich versucht, eine glaubhafte Figur zu entwickeln. Natürlich in Zusammenarbeit mit der Regie und den Schauspiel-Kollegen. Bei Lena Odenthal ist das natürlich routinierter. Da sagen die Regisseure: „Mach, was du denkst, du kennst sie am besten!“

Wie viel von Ihnen persönlich steckt denn in Ihren Rollen?

Ulrike Folkerts: Lena Odenthal und ich unterscheiden uns schon sehr: Ich wäre nie zur Polizei gegangen! In diesem Beruf wird man mit menschlichen Abgründen konfrontiert. Das ist teilweise schwer auszuhalten – und das wäre definitiv nichts für mich. Lena ist außerdem eine Einzelgängerin, was auch nicht zu mir passt. Was mir sehr gefällt an der Figur ist ihre Fitness – das gebe ich ihr als Ulrike sehr gerne! Dass eine Frau mit knapp 60 Jahren noch rennen, schießen und über Zäune springen kann, ist toll! Das habe ich schon immer an der Figur gemocht und das muss auch so bleiben.

Wir sind ja eine Pfälzer Zeitung. Welchen Bezug haben Sie denn zu unserer Region?

Ulrike Folkerts: Leider drehen wir ja die Tatort-Filme selten in der Pfalz. Ein Dreh fand aber mal im Pfälzer Wald statt. Ich erinnere mich, dass ich es wahnsinnig spannend fand, zu sehen, wie viel Wald wir in Deutschland haben. Die Natur hat mich richtig berauscht und es hat mir unheimlich gut gefallen. Aber natürlich kenne ich auch die Pfälzer Weine und habe auch schon ein paar Ausflüge in die Weinberge und Gaststätten entlang der Weinstraße hinter mir. Von Ludwigshafen aus ist es ja nicht weit. Ich mag die Menschen dort sehr, sie haben alle diesen geselligen Charakterzug – und unterscheiden sich deswegen schon sehr von den Berlinern zum Beispiel. Leider bin ich aber wirklich fast nur zum Drehen da – und da arbeite ich ja rund um die Uhr.

Wobei Ludwigshafen selbst aber nicht unbedingt der schönste Ort der Pfalz ist …

Ulrike Folkerts: Ja, das stimmt. Es ist eine Industriestadt. Eine Arbeiterstadt. Nicht unbedingt eine Stadt, in der man Urlaub machen möchte. Aber es gibt schöne Ecken, die Wohnungen am Rhein sind toll. Und wer dort aufwächst, fühlt sich sicher auch wohl. In Ludwigshafen gibt es auch ein großartiges Filmfestival, das ich sehr schätze.