(Foto: honorarfrei/ ZDF/Timo Moritz)

Steckbrief: Ulrike Kriener
Geboren: 24. Dezember 1954 in Bottrop)
1976 bis 1979: Ausbildung an der Schauspielschule in Hamburg
Zählt seit der Erfolgskomödie „Männer“, in der sie die Ehefrau von Heiner Lauterbach spielte, zu den beliebtesten Schauspielerinnen in Kino und Fernsehen
Seit 2003: Titelrolle in der ZDF-Samstagskrimi-Reihe als Kommissarin Lucas
Seit 2005: engagiert sich Ulrike Kriener als Schirmherrin für das Kinder-Hospiz der Malteser in München. Weiterhin ist sie Botschafterin der Kampagne Bewusstsein für Brustkrebs


Sie sind bestimmt immer viel im Stress und haben viel zu tun.

Ulrike Kriener: Nein, so muss man sich das Leben von Schauspielern nicht vorstellen. Zumindest nicht meines. Ich achte immer darauf, dass ich genügend freie Zeit habe.

Was machen Sie während dieser freien Zeit?

Ulrike Kriener: Eigentlich nicht viel. Ich gehe spazieren, räume in der Wohnung rum, streiche Wände, lese Bücher, koche, kaufe ein oder mache ein bisschen Gartenarbeit. Alles Mögliche. Ich lebe.

Das haben Sie schön gesagt. Ich würde jetzt gerne über Ihren Film „Weihnachten im Schnee“ sprechen. Der Titel lässt im Kopf zunächst ein idyllisches, harmonisches Bild entstehen. Aber ich denke, der Schein trügt. Können Sie verraten, um was es in diesem Film wirklich geht?

Ulrike Kriener: Der Film ist einerseits ein klassischer Weihnachtsfilm, nimmt aber einen interessanten Verlauf. Er fängt so an, wie viele Familien Weihnachten feiern. Dazu gehören natürlich der Stress und die Sorgen um das richtige Geschenk. Die Familie ist auch nicht unbedingt sympathisch, denn die einzelnen Mitglieder triezen sich immer wieder gegenseitig. Aber da ist die Mutter, die das letzte Mal in ihrem Leben Weihnachten feiern kann und sie sorgt dafür, dass sie es so feiert, wie sie es möchte. Dabei nimmt sie keine Rücksicht mehr auf die anderen. Statt aufzuzählen, was alles stattfinden soll und was nicht, erschafft sie eine neue Situation, indem sie sagt, dass sie Weihnachten in einem Ferienhaus verbringen will.

Wie bewerten Sie persönlich diese Entscheidung?

Ulrike Kriener: Ich finde das toll. Ich wurde schon öfter gefragt, ob ich denke, dass sie das darf. Ich denke: Ja, sie darf das. Denn die anderen können ja später noch Weihnachten feiern, wie sie wollen. Aber für sie ist es das letzte Mal. Es ist auch ihr Wunsch, dass nicht über ihre Krankheit gesprochen wird. Deswegen weiht sie nicht alle ein, weil sie weiß, wie es dann werden würde. An diesem Weihnachten wird der Familie die Endlichkeit des Lebens besonders bewusst, auch wie zerbrechlich das Leben ist und wie blitzartig alles vorbei sein kann. Aber gerade in diesem Bewusstsein können sie ein besonders schönes Weihnachten miteinander verbringen. Der Film zeichnet für mich das Bild einer realen Familie mit all den bekannten Problemen und nicht das einer Bilderbuchfamilie.

Wie wichtig ist Ihnen persönlich Weihnachten?

Ulrike Kriener: Ich mag Weihnachten, weil in dieser dunklen Jahreszeit die Lichter angehen. Es ist gemütlich und es riecht gut. Außerdem mag ich Kerzen und die geborgene Stimmung, die in dieser Zeit entsteht. Natürlich ist es auch toll, wenn die Familie zusammenkommt. Bezeichnend ist ja schon, dass es in der Adventszeit schwer ist, einen Tisch in einem Restaurant zu bekommen. Auf der einen Seite stresst das, aber es scheint doch auch so zu sein, dass sich die Menschen ihrer Beziehungen zu vergewissern suchen. Eigentlich sollten wir daraus lernen, das auch im Juni oder März zu machen. Man sollte einfach den Stress weghalten, dann kann man die Vorweihnachtszeit, die Verlangsamung mehr genießen.

Ulrike Kriener im Gespräch mit Stefanie Müller. (Foto: privat)

Gehört für Sie Schnee zu Weihnachten dazu?

Ulrike Kriener: Nein. Mir würde es genügen, wenn man mit künstlichem Schnee ein bisschen dekorieren würde. Ich bin nicht der Typ für den Schnee. Skifahren ist auch nichts für mich. Optisch ist eine Schneelandschaft schön, aber ich schaue mir die lieber von drinnen an.

Sie können auf einen enormen Schatz an Erfahrung in Ihrem Leben zurückblicken. Vor allem die Rolle als Kommissarin Lucas ist für Sie sehr bedeutsam geworden. Gibt es Parallelen zwischen Ihnen und der Person, die Sie darstellen?

Ulrike Kriener: Das kann ich nicht sagen, weil ich mich selbst nicht so anschaue. Die Figur wächst einfach wie eine gute Freundin nah an mich heran. Je besser ich sie kenne, desto automatischer gehe ich von mir aus. Ich kenne ihren Charakter und merke mittlerweile sehr genau, wenn zum Beispiel ein neuer Autor für die Serie schreibt und ihren Charakter noch nicht ganz stimmig wiederzugeben vermag. Ich habe ein genaues Gefühl dafür, wie sie ist, wie distanziert und widerborstig sie ist, damit sie sich die Leute in Ruhe angucken kann.

Sie kennen sich quasi!?

Ulrike Kriener: Ja, wir kennen uns gut.

Gibt es Rollen, in die Sie sich überhaupt nicht hineinversetzen könnten?

Ulrike Kriener: Ich könnte kein Musical spielen.

Wegen des Gesangs?

Ulrike Kriener: Ja, genau.

Sie sind schon etliche Jahre in Ihrem Beruf, was heute nicht mehr selbstverständlich ist. Haben Sie Tipps, wie man so lange Spaß und Inspiration mit seiner Arbeit haben kann? Oder ist das nur bei einer Berufung möglich?

Ulrike Kriener: Das weiß ich nicht. Ich glaube, ich hatte Glück, dass ich als Schauspielerin in einer Zeit gearbeitet habe, wo man länger an jemandem dran geblieben ist und sich für die Entwicklung interessiert hat. Heute werden junge Schauspieler schnell genommen, aber auch schnell ausgetauscht und dann sind die weg vom Fenster. Nach wie vor bin ich der Überzeugung, dass es gut ist, den Beruf an einer Schauspielschule zu erlernen. Denn während dieser zwei oder drei Jahre gibt einem der geschützte Rahmen die Möglichkeit, Fehler zu machen. Wenn man direkt in den Beruf einsteigt, werden einem die Fehler immer wieder gerne mal aufs Brot geschmiert. Natürlich gibt es Ausnahmen. Es gibt super Schauspieler, die es auch ohne Ausbildung einfach können.

Zum Beispiel?

Ulrike Kriener: Jürgen Vogel gehört zum Beispiel zu dieser Kategorie. Auch Jella Haase, die in dem Film „Fuck ju Göthe“ mitgespielt hat, ist eine großartige Schauspielerin, ohne je eine Schauspielschule besucht zu haben. Es gibt Leute, die es einfach so können und sich in diesem Beruf auch wunderbar weiterentwickeln. Aber im Prinzip finde ich es gut, diesen Beruf zu lernen, vor allem zu lernen, mit Sprache umzugehen! Da gibt es heutzutage oft einen Mangel. Tonangler wissen manchmal gar nicht, wie sie die Schauspieler aufnehmen sollen, aufgrund ihrer unverständlichen Sprache. Ich finde es gut, wenn man das kann, und ich finde es auch gut, wenn man die Ausbildung so weit zurückstellen kann, dass man sie nicht bemerkt. Es kommt außerdem dazu, dass ich das Glück hatte, in einer Zeit zu arbeiten, in der man von einer Tagesgage gut leben konnte. Das ist heute nicht mehr der Fall. Überhaupt verdienen Schauspieler heute nicht mehr so viel wie früher. Die großen verdienen natürlich viel Geld. Aber die vielen jungen, die kraxeln und tun, können von diesem Beruf aber nicht leben.

Das ist den Leuten gar nicht bewusst, dass Schauspieler so wenig verdienen.

Ulrike Kriener: Ein weiterer Grund dafür, dass ich so lange in diesem Beruf bin, ist, dass ich an so vielen verschiedenen Dingen interessiert bin, an Kontakten, Begegnungen, gesellschaftlichen, menschlichen oder psychologischen Themen. Es interessiert mich. Ich bin da immer an irgendetwas dran. Wenn ich das Gefühl habe, aus einem bestimmten Thema könnte man etwas machen, oder dass ich mir dazu eine Sendung im Fernsehen vorstellen könnte, die ich mir selbst gerne anschauen würde, dann setze ich mich auch dafür ein und schau, ob man das umsetzen kann.

Es kostet bestimmt eine Menge Energie für Sie und auch für die Regisseure, wenn man in dieser Weise miteinander arbeitet.

Ulrike Kriener: Ja, und das ist ja das Schöne! Es geht ja nicht darum, das abzurufen, was man eh schon kann. Das wäre langweilig.

Wann wussten Sie, dass Sie Schauspielerin werden wollen?

Ulrike Kriener: Ich wusste das lange nicht. Ich hatte nach dem Abitur keine Ahnung, in welche Richtung ich gehen sollte. Ich dachte daran, Soziologie oder Sonderpädagogik zu studieren, bis mir durch einen befreundeten Musiker bewusst wurde, dass es auch künstlerische Berufe gibt. Da ich für nichts anderes ein hervorstechendes Talent hatte, dachte ich mir, dass ich es mit der Schauspielerei versuchen könnte.

Hatten Sie Ihr Talent für die Schauspielerei vorher schon bemerkt?

Ulrike Kriener: Nein. Eine Freundin von mir ist auf die Schauspielschule gegangen und ich bin dann einfach mitgegangen.

Und das war dann der richtige Weg.

Ulrike Kriener: Ja, der ist es dadurch geworden. Ich glaube, dass viele Entscheidungen im Leben unbewusst sind. Erst im Rückblick erkennt man, dass im Grunde ein Interesse auch schon früher da war. Und irgendwie fügt es sich am Ende.

Bücher und Geschichten spielen für Sie eine große Rolle. Was bedeuten sie für Sie?

Ulrike Kriener: Ich kann mich total daran begeistern, wenn Menschen gut schreiben können. Zum Beispiel wird hier im Ort am Wochenende ein Requiem aufgeführt. Dazu werde ich einige Texte lesen, die ich zum Thema Tod und Sterben zusammengestellt habe. Ich war mit der Recherche der Texte die letzten Wochen und Monate stark beschäftigt. Ich finde es einfach großartig, wenn jemand Gefühle in Worten ausdrücken kann. Und ich mag es einfach, in Geschichten einzutauchen. Dass wir Geschichten kreieren können, macht uns als Menschen so außerordentlich. Kein anderes Wesen kann das. Geschichten sind für mich auch das Entscheidende beim Schauspiel. Wenn ich etwas lese, das sich ein anderer erdacht hat und wovor ich den größten Respekt habe, dann freue ich mich, dass ich das interpretieren darf. Weil nicht jeder Autor auch der beste Vorleser seines Werkes ist, kann ich dadurch noch etwas hinzufügen.

Haben Sie einen Lieblingsautor?

Ulrike Kriener: Ich lese sehr viel Belletristik von Frauen. Eine meiner Lieblingsautorinnen ist Alice Munro. Im Moment lese ich gerade Tolstoi und Montaigne. Ich bin gerade dabei, mein Bücherregal auszusortieren. (stm)

„Weihnachten im Schnee“ mit Ulrike Kriener und Inez Bjørg David wird ausgestrahlt am Sonntag, 15. Dezember, 
um 20.15 Uhr im ZDF.

Gitta Johnen (Ulrike Kriener) und ihrem Mann Henri (Rainer Bock) stehen schwere Zeiten bevor, doch sie genießen das Weihnachtsfest mit ihrer Familie (im Hintergrund v.l. Katharina Schüttler, Inez Bjørg David, Matt Luke Röntgen, Anton Spieker, Janek Rieke) in vollen Zügen. (Foto: honorarfrei/ ZDF/Timo Moritz)