(Grafik: Freepik)

Es fängt damit an, dass ich beim Zeitunglesen einen kurzen Moment der Verwirrung erlebe. „Diesen Mann hab ich doch auf der Seite davor schon gesehen, oder?“ Ich blättere zurück und stelle fest, dass sie sich nur sehr ähnlich sehen, die beiden Männer. Und die Männer auf den folgenden Seiten irgendwie auch. „Überhaupt“, wird mir in diesem Moment bewusst, „ist diese Ausgabe extrem männlich.“ Und ich fange an zu zählen. 59 Männer sind auf den Fotos zu sehen. 17 Frauen. Vielleicht ja nur Zufall. Ich schnappe mir einen großen Stapel vergangener Ausgaben und blättere und zähle und mache Striche. Aber auch nach einer Stunde komme ich zum gleichen Ergebnis. Egal ob Wochenzeitung, Tageszeitung oder Magazin: Frauen sind deutlich unterrepräsentiert. Um genau zu sein: Ich habe über 800 Bilder gezählt, auf denen Menschen abgebildet sind. Knapp 70 Prozent dieser Menschen waren männlich.

Im Sportteil dominiert der (Männer-)Fußball

Die Welt ist männlich, denke ich, und will mich schon erschöpft dem Patriarchat geschlagen geben. Aber so einfach ist das natürlich nicht. Es rattert in meinem Kopf und ich überlege weiter: Da ist der Sportteil: „Machen Männer wirklich so unglaublich viel mehr Sport als Frauen?“, frage ich mich. Denn hier ist das Ungleichgewicht besonders deutlich. Ich gebe zu, beim Sport hat die Dominanz der Männer sehr viel mit Fußball zu tun, der in der Frauenversion (hier in der Region) kaum eine Rolle spielt. Ganz anders beim Handball. Ich freue mich, wie präsent hier die Frauen vertreten sind. Nur um dann zwei Sekunden später Ernüchterung zu erleben: Es gibt kein Mann(!)schaftsfoto der Frauen, auf dem nicht mindestens zwei Männer mit abgebildet sind – die sind nämlich die Trainer.

Ich wende mich frustriert den anderen Ressorts zu und lande immer wieder beim gleichen Gedanken: Die Zeitung bildet logischerweise die Menschen ab, die relevant und erfolgreich sind. Der Bundeskanzler ist nunmal ein Mann – da kann man ja schlecht nur aus Gleichberechtigungsgründen ab und zu eine Frau abbilden.

Links: Ausgewertet wurden (Verbands-)Gemeinden, Städte und Landkreise im Erscheinungsgebiet des PFALZ-ECHOs.
Rechts: Ausgewertet wurden 18 verschiedene Ausgaben verschiedener Tageszeitungen und Wochenzeitungen, erschienen seit Dezember 2021.

Die Südpfalz ist doch emanzipiert, oder nicht?

Jetzt packt mich der Ehrgeiz. Ich lasse die Bundespolitik hinter mir und konzentriere mich auf die Südpfalz. Für meine erste Analyse muss ich nicht recherchieren: Hier gibt es zwei Landkreise und eine kreisfreie Stadt – und drei Männer an der Spitze. „Das ist aber wenig aussagekräftig“, weiß ich und tauche tiefer ins Thema ein. Im Erscheinungsgebiet des PFALZ-ECHOs gibt es ja auch einige Verbandsbürgermeister:innen, Bürgermeis-ter:innen und Ortsvorsteher-:innen. Und bevor Sie jetzt weiterlesen, schätzen Sie doch mal. Wie viele davon sind Frauen? Ein Drittel? Mehr? Die Südpfalz ist doch emanzipiert, oder nicht? Nein. Ist sie nicht. Es sind traurige 16 Prozent.

Ich will das so aber nicht akzeptieren, lasse deswegen die verkrusteten Verwaltungsstrukturen hinter mir widme mich der Wirtschaft. Eine schnelle (natürlich nicht repräsentative!) Umfrage auf meinem privaten Instagramprofil mit immerhin 100 Teilnehmer:innen ergibt: 80 Prozent haben einen Mann als Chef. Deutschlandweite Statistiken bestätigen meine Stichprobe: Im Jahr 2010 lag der Anteil weiblicher Geschäftsführerinnen bei knapp 17 Prozent.

Straßen, Plätze, Gebäude – (fast) alle männlich

Ich habe gar keine Zeit, mich ausgiebig mit diesen Zahlen zu beschäftigen, denn in meinem E-Mail-Eingang landet gerade eine Nachricht der Landauer Grünen-Fraktion zum Thema Straßenbenennungen. Sie appelliert an die Stadtspitze, endlich auch Frauen zu berücksichtigen: „Vor sechs Jahren hat der Stadtrat mit großer Mehrheit (…) beschlossen Straßen, Plätze und Kreisel bevorzugt nach Frauen zu benennen. Zumindest theoretisch, denn in der Praxis wurde seitdem nicht ein einziges Mal eine Straße, ein Platz oder ein Kreisel in Landau nach einer Frau benannt.“

Links: Gezählt wurden die eindeutig auf eine Frau/einen Mann bezogenen Straßennamen in vier südpfälzischen Städten.
Rechts: Abgestimmt haben etwa 100 Menschen zu der Frage, ob sie einen Chef oder eine Chefin haben. (Recherche und Gestaltung: Pfalz-Echo)

Ich mache mich also wieder ans Zählen. Dieses Mal Straßennamen. Der Einfachheit halber konzentriere ich mich auf die größeren Orte in der Südpfalz. Ich finde in den Verzeichnissen 178 Straßen, die eindeutig nach Männern benannt sind. 16 nach Frauen, das sind 8 Prozent. Ich atme tief durch. Selbstverständlich hängt auch das wieder mit den vorherigen Erkenntnissen zusammen: Wenn in den öffentlichen Lebensbereichen (Politik, Wirtschaft, Sport – und über Wissenschaft haben wir gar nicht gesprochen!) Männer deutlich präsenter sind als Frauen, gibt es automatisch auch mehr Männer, nach denen Straßen benannt werden können.

(Fotos: hea)

Aber ich gebe zu, so deutlich hätte ich die Ungleichheit nicht erwartet. Dass gleiche Rechte nicht gleichbedeutend mit gleichen Chancen sind, war mir klar. Dass Frauen in sehr vielen Bereichen des Lebens noch deutlich unterrepräsentiert sind – logisch. Aber so krass? Ich bin ein wenig ratlos – und spreche deswegen mit Menschen in meinem Umfeld darüber. „Die Hürden für Frauen sind viel höher als für Männer!“ „Es wird von Frauen deutlich mehr erwartet.“ „Frauen wollen oft gar nicht an vorderster Front stehen.“ „Die wenigsten Frauen trauen sich das überhaupt zu.“ Ich lasse diese Kommentare sacken.

Eine männlich genormte Welt

Aber stehenlassen kann ich sie so natürlich nicht. Ich recherchiere weiter. Dieses Mal über das verbindende Element bei all diesen Kommentaren und Erkenntnissen: strukturelle Ungerechtigkeit. Die Welt, unsere Gesellschaft, ist nämlich wirklich männlich. Männlich genormt. Das fängt bei der Sprache an, wo das seit Jahrhunderten gewachsene generische Maskulinum, Frauen mit einschließen soll. Mitgemeint heißt in den seltensten Fällen aber auch mitgedacht, wie Studien belegen. So wundert es wenig, dass „ein Raum voller Bürgermeister“ tatsächlich meist ein Raum voller Männer ist. Aber nicht nur unsere Sprache ist männlich genormt: Medizinische Produkte, Sicherheitssysteme im Auto, öffentliche Toiletten und Innenraumtemperaturen (ja, Sie haben richtig gelesen) sind nur einige Beispiele von vielen, vielen Dingen, die (weltweit) hauptsächlich auf Männerkörper abgestimmt sind.

Veraltete Strukturen langsam aufbrechen

Und das ist wohl auch eine Erklärung für meine Zeitungsanalyse: So lange die Welt so männlich bestimmt ist, haben es Frauen schwerer, sichtbar zu werden. So können Frauen in der Berichterstattung gar nicht zu gleichen Anteilen stattfinden. Das Problem dabei: Es ist ein Teufelskreis. Es braucht also ein bewusstes Eingreifen, um an der Ungleichheit etwas zu ändern. Nur mit sichtbaren Vorbildern – sei es in politischen Ämtern oder in Straßennamen – erreicht man in den Köpfen ein Umdenken. Männer bekommen seit hunderten von Jahren beigebracht, dass sie Führungsqualitäten haben. Frauen glauben immer noch, sie seien dafür nicht geeignet. Das ist laut Forschung allerdings keine typisch weibliche Charaktereigenschaft, sondern größtenteils anerzogen. Wir leben in einer Zeit, wo diese veralteten Strukturen langsam aufgebrochen werden. Und das ist gut so. Aber es braucht Zeit und viele Mitstreiter:innen. (hea)

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