Steckbrief: Namika

  • Geboren am 23. August 1991 in Frankfurt am Main.
  • Ihr bürgerlicher Name ist Hanan Hamdi. Der Künstlername Namika bedeutet „die Schreiberin“.
  • Ihre Großeltern stammen aus Marokko, wo die Sängerin auch oft ihre Sommerferien verbrachte.
  • 2015 schaffte sie den Durchbruch in Deutschland mit dem Song „Lieblingsmensch“.
  • 2018 erschien ihr zweites Album „Que Walou“, auf dem sie sich auch mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzt.

Ihren großen Durchbruch hatte die deutsche Sängerin Namika 2015 mit dem Hit „Lieblingsmensch“. Im letzten Jahr legte sie mit dem Ohrwurm „Je ne parle pas français“ nach. Redakteurin Anne Herder hat die Frankfurterin in ihrer Heimatstadt zum Interview getroffen.

Wie bist du zur Musik gekommen?

Namika: Ich bin mit der Musik aufgewachsen. In marokkanischen Familien wird Musik gefeiert, sie hat sehr wenig mit dem Rhythmus der europäischen Musik zu tun. Ich habe quasi ungewollte, musikalische Früherziehung genossen (lacht). Irgendwann hat mir dann meine Tante die neuste Musik aus Amerika nähergebracht. Da waren Künstler dabei wie Missy Elliot, Mary J. Blige und die Fugees. Das war mein erster Schock-Liebe-Moment (lacht). Von da an wusste ich, dass Hip-Hop genau das ist, was ich liebe. So hat das angefangen. Und irgendwann habe ich mit meinem gleichaltrigen Cousin das Aufnahmegerät unserer Großeltern unter dem Bett herausgekramt. Wir haben bespielbare Tapes im Supermarkt gekauft und dann etwas aufgenommen. Das war witzig, weil er gebeatboxed hat, und ich habe in einer Fantasiesprache, die Englisch imitieren sollte, gesungen. Wir haben uns den Quatsch dann angehört und uns total dafür abgefeiert. Spaß am Kreativsein habe ich also seit meiner Kindheit.

Wenn man so erfolgreich ist, wie du, muss man großen Ehrgeiz mitbringen, aber zugleich auch Glück haben. Wie war das bei dir?

Namika: Man kriegt nichts geschenkt. Man wird erfolgreich, wenn man diszipliniert ist. Natürlich muss ein Grundtalent vorhanden sein, aber das gehört auch zum Punkt Disziplin, denn man muss sein Talent auch schleifen und versuchen, immer besser zu werden. Wenn man diszipliniert genug ist, dauert es nicht lange, bis man erfolgreich ist. Und selbst wenn es länger dauern sollte, würde ich jedem Künstler – egal ob er jetzt beginnt oder auch schon lange dabei ist – raten, immer am Ball zu bleiben.

Du sagtest gerade, du hast in einer Fantasiesprache gesungen – hast du dich auch mal mit dem Gedanken auseinandergesetzt, etwas auf Englisch zu machen, oder war dir von Anfang an klar, dass du auf Deutsch singen möchtest?

Namika: Deutsch war für mich natürlich viel griffiger, weil es meine Muttersprache ist. Ich bin damit aufgewachsen und ich verstehe die Sprache – bei englischer Musik konnte ich dagegen immer besser abschalten. Für mich war es eine Herausforderung herauszufinden, wie man es hinbekommt, auf Deutsch gut zu singen, ohne irgendetwas zu adaptieren. Ich versuche immer, meine eigene Identität in Sprache zu verpacken. Deswegen kam für mich nichts Anderes in Frage, als auf Deutsch zu singen. Englisch wäre international natürlich offener gewesen, aber dann wäre ich auch nur eine von vielen. So weit denke ich auch gar nicht, weil ich mit der deutschen Musik total zufrieden bin und intuitiv nur das machen wollte.

Anne Herder (links) hat Namika in Frankfurt getroffen. (Foto: privat)

Wie ist das, wenn du deine Songs schreibst? Ist das ein langer Prozess oder kommt das einfach aus dir raus?

Namika: Das kommt einfach raus! Inspirierende Gespräche und Erfahrungen spielen da mit rein. Es sind kleine Mini-Geistesblitze, die man hat, wenn eine Idee einen überfällt. Manchmal passiert es beim Schlafen. Ich träume von irgendeiner Zeile.
Und d denkst am nächsten Morgen noch dran? Respekt!
Namika: Nein. Ich merke im Schlaf, dass die Zeile gut ist, und dann wache ich tatsächlich auf und tippe sie in mein Handy. Das ist echt verrückt.

Machst du dir dabei auch Gedanken, welche Message du mit deiner Musik transportieren möchtest?

Namika: Meine Musik spiegelt mein inneres Leben wider. Ich glaube, dass ich als Künstlerin eine Verantwortung habe, auch wenn mir das nicht immer wirklich bewusst war – und ich das eigentlich auch gar nicht wollte. Ich will ja eigentlich nur Musik machen. Aber natürlich steckt in meiner Musik auch eine Message. Ich sehe ja viele Dinge auf der Welt, ich bin ja nicht blind. Ich verpacke in meiner Musik also auch manchmal schwere Kost. Am Anfang wollte ich dabei meine Leichtigkeit aber nicht verlieren, inzwischen lasse ich die dunkleren Töne auch zu. Das ist, glaube ich, die Entwicklung, die ich gemacht habe.

Du hast ja auch viele jüngere Fans. Ist dir dadurch deine Vorbildfunktion noch mehr bewusst?

Namika: Irgendwann einmal wird einem das bewusst, ja. Und dann denkt man: Shit!

Ist das beängstigend oder sieht man das auch als Chance?

Namika: Es ist auf jeden Fall eine Chance. „Shit“ – das ist ein Meckern auf hohem Niveau. Denn eigentlich will man ja nur Verantwortung für sich selbst tragen, aber das geht als erfolgreicher Künstler natürlich nicht. Und wenn ich irgendjemandem da draußen mit meiner Musik helfen und Stärke geben kann, dann ist das natürlich schön. Ich bin aber auch keine Politikerin, ich will in meinen Songs niemanden direkt angreifen – auch wenn ich ab und zu sehr gerne die AfD fertig machen würde. Trotzdem mache ich das nicht, weil mir die Musik dafür einfach zu wertvoll ist.

Was ist das berührendste Feedback, das du von deinen Fans bekommst?

Namika: Da gibt es sehr, sehr viele. Ich habe so süße Fans, die schreiben unfassbar durchdachte Kommentare in den sozalen Medien. Einmal hat mir jemand geschrieben, dass meine Musik ihm sehr weitergeholfen hat im Leben. Das ist das, was ich am meisten feiere. Ansonsten finden die Leute die Art und Weise, wie ich meine Themen auswähle, besonders. Es ist schön, wenn mir die Leute dieses Feedback geben. Das verändert auch mein Selbstbild. Es ist schön, dass man mit Fans in diesen Austausch gehen kann.

Das heißt, du bist auch oft in den sozialen Medien unterwegs und liest alles selbst? Wie schafft man das alles?

Namika: Das schafft man leider nicht alles, aber ich versuche immer up to date zu bleiben. Aber ich muss nicht zu allem meinen Senf dazu geben. Diese Freiheit nehme ich mir.
Deine marokkanischen Wurzeln spielen immer wieder eine Rolle in deiner Musik, aber auch, wenn du Interviews gibst und in der Öffentlichkeit bist. Ist das eine bewusste Entscheidung von dir gewesen oder wirst du einfach immer wieder darauf angesprochen?
Namika: Es ist beides. Ich habe irgendwann begonnen, davon zu erzählen und jetzt interessiert es die Leute natürlich auch und sie fragen danach.

Ist es denn wichtig für dich als Person – oder ist es etwas, worauf man gar nicht so gerne angesprochen wird, weil man dann stigmatisiert wird?

Namika: Nur Idioten würden stigmatisieren. Ich verlasse mich darauf, dass die Leute, die meine Musik lieben, keine Idioten sind. Ich bin nun einmal die, die ich bin und das ist meine Geschichte. Das macht mich besonders. Deswegen finde ich es wichtig, dass man offen über seine Herkunft spricht. Ich finde das mega spannend bei allen Künstlern.

Kannst du es verstehen, wenn Menschen mit Migrationshintergrund ein Problem damit haben, wenn sie nach ihren Wurzeln gefragt werden?

Namika: Ich finde es völlig okay, wenn jemand nach seiner Herkunft gefragt wird. Ich bin Deutsche, genauso wie ich Marokkanerin bin. Man muss einfach aufhören zu separieren und zu fragen: „Was bist du denn mehr?“ Ich bin beides – come on! Ich kann aber verstehen, warum das einige irgendwann einmal nervt, auf ihre Herkunft angesprochen zu werden. Weil manche Menschen nicht das nötige Feingefühl haben in der Fragestellung und plump sind. Da bleibt einem gar nichts anderes übrig, als es rassistisch aufzufassen. Das ist unangenehm, aber ich habe kein Problem damit. Im Gegenteil. Alle Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin, fanden es total cool und exotisch, dass ich noch einen anderen Kontinent in mir habe.

Es gibt ja dann auch spannende Geschichten, die man sich dadurch erzählen kann…

Namika: Genau. Man lernt auch viel voneinander, wenn man die andere Kultur noch nicht kennt. Das geht auch mir so mit meinen Freunden. Ob es die Polin ist, die Eritreerin, die Araberin… Das ist ein Mehrwert für uns, für die Menschheit.

Hast du auch mal negative Erfahrungen gemacht? Wurdest du mal beschimpft?

Namika: Beschimpft nicht, aber natürlich gibt es immer mal wieder Vorfälle. Das kommt dann meistens anonym über das Internet. Da kann jeder irgendeinen Quatsch schreiben – ich nenne die immer „Internet-Rambos“ – die sagen dann so etwas wie „Pfui, eine Marokkanerin, die sich als Deutsche darstellt“. Solche Menschen sind wirklich hängengeblieben. So etwas kann kein rational denkender, gesunder Mensch von sich geben.

Trifft dich das persönlich?

Namika: Ich kann das wirklich sehr gut wegstecken und ich kann das gar nicht persönlich nehmen. Solche Typen haben einfach eine beschränkte Sicht- und Denkweise. Meistens sind es ältere Herrschaften, die solche Kommentare von sich geben. Denen kann man dann aber auch nichts mehr beibringen. Dann sollen sie halt noch ein paar Jährchen mit diesem Dogma leben. Was eine Nation vom Herzen aus spalten kann, ist das Unterscheiden zwischen „Wir“ und „Die“. Das machen wir permanent und das sollte man einfach sein lassen. Wir sind schon lange ein „Wir“. Weil „Wir“ haben Deutschland zu dem gemacht, was es heute ist – unsere Eltern und die Generationen davor. Und das muss man sehen.

Auf dem aktuellen Album ist auch der Song „Phantom“. Da geht es um Ruhm und um alles, was dazu gehört, und dass man sich auch gerne mal verstecken würde. Ist der Ruhm manchmal ein bisschen zu viel für dich?

Namika: Ich möchte mit dem Song eigentlich etwas anderes ausdrücken: Ich bin ein Phantom. Das ist mein musikalischer Lifestlye: Ich komme und verschwinde einfach wieder. Ich bin zum Beispiel kein Mensch, der es darauf anlegt, draußen auf der Straße erkannt zu werden. Ich würde nie eine Insta-Story raushauen nach dem Motto: „Ich bin grad hier, Leute, kommt vorbei.“ Das macht mich sehr inkognito als Charakter. Daher kommt die Doppeldeutigkeit zum Phantom.

Das heißt, es funktioniert auch gut? Wenn du draußen bist, wirst du gar nicht so oft angesprochen?

Namika: Ich schaffe es bisher ganz gut. Aber selbst wenn ich erkannt werde: Die Leute sind so nett! Das ist sweet.

So lange es nicht überhand nimmt und man keine Freiheiten mehr hat…

Namika: So war es noch nie. So krass ist Deutschland nicht. In Amerika ist das schon anders mit den Paparazzi. Die Amis campen vor den Haustüren der Stars. Die Deutschen sind da entspannter und lassen einem seine Privatsphäre. Das finde ich charmant an Deutschland.

Wenn du stressige Tage hast und auf Tour bist, brauchst du bestimmt mal Erholungsphasen dazwischen. Wie kommst du wieder runter?

Namika: Ich arbeite viel in Blöcken und teile mir meine Urlaube ein. Wenn ich mal eine Woche frei habe und zuhause bin hier in Frankfurt, dann lade ich meinen Akku wieder auf, indem ich auf der Couch chille und Netflix schaue.

Hast du gerade eine Lieblingsserie auf Netflix?

Namika: Ich habe so viele. Eine hat mich und meine beste Freundin so extrem gefesselt, dass wir die ganze Nacht durchgeschaut haben. Die Serie heißt: „Dead to me“. Das war schon krass. Ich will nicht spoilern, aber das zieht einen extrem in eine andere Welt.

Welche Musik hörst du privat?

Namika: Aktuell höre ich privat sehr viel afrikanische Musik – aus Marokko, dem Senegal und Ghana. Ansonsten höre ich auch einfach mal Radio. Ich bin ein Radiokind.

Wie geht es bei dir musikalisch weiter?

Namika: Im November und Dezember bin ich auf Tour. Ich spiele auch in Frankfurt, da ist aber schon ausverkauft. Und über den Sommer spiele ich ein paar Festivals – sozusagen für die Tour schon einmal ein bisschen warm spielen. Und dann kommt das Finale zum Ende des Jahres. (hea)