Steckbrief: Prof. Volker Quaschning

  • Geboren 1969 in Leonberg. 
  • 1988-1993: Studium Dipl.-Ing. Elektrotechnik an der Universität KIT Karlsruhe
  • 1996-2000: Habilitation an der Technischen Universität TU Berlin zu Strukturen einer klimaverträglichen Energieversorgung
  • Seit 2004: Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin
  • Youtube-Kanal: youtube.com/c/VolkerQuaschning
  • Podcast: dasisteinegutefrage.de

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Energie ist sein Fachgebiet: Prof. Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hat sich spezialisiert auf erneuerbare Energien. Er macht sich seit vielen Jahren stark für eine Energiewende mit dem Ziel, ganz auf fossile Rohstoffe zu verzichten. In zahlreichen Veröffentlichungen klärt er über neue Technologien rund um das Thema Energiegewinnung auf. Eines der zentralen Themen bei der Energiewende ist die Mobilität – da sind sich alle Experten einig. Wir haben den geplanten Start der Serien-Produktion des eActros zum Anlass genommen, mit Volker Quaschning über Elektro-LKWs zu sprechen.

Ganz allgemein gefragt: Ist Elektromobilität im LKW-Bereich die Zukunft? 

Volker Quaschning: Man muss bei der Verkehrswende etwas weiter ausholen. Die zentrale Frage lautet: Wie schafft es Deutschland innerhalb der nächsten 15 Jahre klimaneutral zu werden? Denn dieses Ziel müssen wir erreichen, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Generell muss dazu Verkehr, wo es geht, vermieden werden und Vieles muss von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Nun wird das natürlich nicht in allen Bereichen möglich sein und auch der Schienenverkehr wird an Kapazitätsgrenzen stoßen. Deswegen wird es auch weiterhin LKW-Verkehr geben. Wenn wir diesen dann auf Elektromobilität umstellen, ist das auf jeden Fall der richtige Weg. Denn mit Verbrennungsmotoren haben wir definitiv keine Chance, klimaneutral zu werden. 

Bei solch großen und schweren Fahrzeugen braucht man aber ja auch entsprechend größere und schwerere Batterien – ist dieser Weg dennoch sinnvoll?

Volker Quaschning: Das Problem des Gewichts und der Größe hat man ja bei allen Antriebsformen – auch ein Dieselmotor muss mitwachsen. Der Vorteil bei elektrisch betriebenen LKWs ist der Platz: Aufgrund der Bauweise gibt es die Möglichkeit, Akkus unterzubringen. Zudem muss man bedenken: Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, einen LKW elektrisch zu betreiben. Das ist zum einen der rein batterieelektrische LKW, dann gibt es noch die Möglichkeit das Fahrzeug mit Wasserstoff zu betreiben – auch das ist letztendlich ein Elektromotor. Und die dritte Option ist die, dass der LKW per Oberleitung mit Strom versorgt wird. Hier gibt es bereits mehrere Teststrecken in Deutschland.

Was denken Sie: Etablieren sich diese drei Technologien parallel oder wird sich eine durchsetzen?

Volker Quaschning: Je nachdem, welchen Experten Sie fragen, werden Sie dazu unterschiedliche Meinungen hören (lacht). Meiner Meinung nach bleibt der Wasserstoffantrieb eine Nischentechnologie. Die Wasserstoffherstellung ist extrem teuer und aufwendig, zusätzlich hat man dabei hohe Energieverluste. Allein aus Kostengründen sprechen also sehr viele Argumente gegen den Wasserstoff. Er hat allerdings auch einen Vorteil: Man kann relativ einfach deutlich weitere Strecken zurücklegen. 

Das wäre ja gerade im Logistik-Bereich ein entscheidender Vorteil!

Volker Quaschning: Das ist richtig. Aber das Problem der Reichweite wird man in Zukunft auch mit Batterien in den Griff bekommen. Und gerade in der Logistikbranche werden die Kosten am Ende über den Erfolg einer Technologie entscheiden.

Gibt es für die Wasserstoffgewinnung nicht die Aussicht, dass es in Zukunft günstiger und effizienter werden könnte?

Volker Quaschning: Es gibt dabei rein physikalische Grenzen: Wenn ich einen batteriebetrieben LKW mit Strom lade, habe ich 90 Prozent der Energie auch wirklich zur Verfügung. Bis der Wasserstoff im Elektromotor ankommt, sind bereits 70 Prozent der Energie verloren. Diesen Verlust kann man in Zukunft vielleicht noch auf 50 Prozent reduzieren, aber mehr ist nicht drin. Das Wasserstoff-Auto wird also immer deutlich mehr Energie brauchen als batterieelektrisch betriebene Autos und allein deswegen auch immer deutlich teurer sein. 

Bei PKWs rechnet man ja gerne durch, nach wie vielen Kilometern Laufleistung eine positive Ökobilanz erreicht ist im Vergleich zum Verbrenner. Gibt es das bei LKWs auch? 

Volker Quaschning: Darüber habe ich im Bezug auf LKWs noch nichts gelesen. Bei PKWs sagen aktuelle Studien – je nach Batteriegröße und je nach Strommix –, dass man den negativen CO2-Ausstoß, der durch die aufwendigere Produktion entsteht, irgendwann zwischen 30.000 und knapp 100.000 Kilometern wieder wett gemacht hat. Die positive Ökobilanz wird in Zukunft aber immer früher erreicht werden, wenn sich der Anteil an Ökostrom erhöht. Hinzu kommt, dass Fabriken – auch die LKW-Hersteller – ihre Standorte und Produktionen in den kommenden Jahren klimaneutral betreiben werden. Dann ist die Bilanz bereits ab dem ersten Kilometer positiv. 

E-Mobilität gerät allerdings immer wieder in die Kritik, weil in den Fahrzeugen relativ viele Rohstoffe verbaut werden, deren Abbau umweltschädlich ist. Ist diese Kritik nicht berechtigt?

Volker Quaschning: Wir nutzen seit Jahrzehnten zahlreiche Produkte, in denen die gleichen problematischen Rohstoffe verwendet werden. Handys, Laptops, Fernseher usw. – dort schaut allerdings niemand so genau hin. Beim Elektroauto wird das nun zum großen Thema gemacht. Keine Frage: Das ist natürlich ein Problem, aber es betrifft eben nicht nur die E-Mobilität, sondern viele andere Bereiche auch. Außerdem muss man bedenken: Wenn ich einen Diesel-LKW kaufe, sind darin auch zahlreiche problematische Materialien wie beispielsweise seltene Erden verbaut, wenn auch weniger als in einem Batterieauto. Wenn man allerdings die Gesamtbilanz betrachtet – und bei einem Dieselfahrzeug gehört da auch die Erdölförderung dazu – sieht das schon wieder anders aus. Der Umweltschaden eines Verbrenners ist am Ende erheblich größer. Man muss sich natürlich bewusst machen, dass jedes Fahrzeug einen Umweltschaden verursacht. Das Fazit muss also lauten: E-Mobilität ist nicht gut, aber sie ist das deutlich kleinere Übel!

Was ist denn mit dem Lithiumabbau in Südamerika? Das ist ja ein zentraler Kritikpunkt, der immer wieder genannt wird. Wie schneidet diese Problematik im Vergleich zur Erdölgewinnung ab?

Volker Quaschning: Man muss sich immer fragen, was die Alternativen sind. Setze ich ein batteriebetriebenes Fahrzeug in Relation zur Bahn, die mit Oberleitung fährt, ist letztere natürlich der klare Gewinner. Bleiben wir beim Vergleich jedoch auf der Straße, dann gibt es bei allen Antriebsformen einige Umweltprobleme. Lithiumgewinnung fällt deswegen besonders ins Auge, weil es in Landschaften passiert, wo vorher keinerlei Rohstoffabbau betrieben wurde. In Regionen, wo Erdölförderung betrieben wird, sind die Landschaften seit Jahrzehnten belastet und negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Dort schockiert das niemanden mehr. Nichtsdestotrotz ist es gut, dass der Fokus zurzeit so stark auf der Thematik liegt, denn dadurch lastet ein Druck auf den Automobilherstellern, nach besseren Lösungen zu suchen. In Bereichen, wo keiner hinschaut, gibt es dieses Interesse nicht.

Welche Entwicklungen gibt es denn im Bereich Lithiumbatterien, die evtl. Hoffnung machen könnten?

Volker Quaschning: Ganz sicher werden wir in 20 Jahren vollkommen andere Batterien verwenden als heute. Man kann ganz gut Parallelen zur Photovoltaik ziehen. In diesem Bereich hat sich in den vergangenen Jahren enorm viel verbessert, was Kosten und Materialverbrauch angeht. Im Bereich der Batterieforschung sind wir ungefähr an der Stelle, an der die Solartechnik vor 20 Jahren war. Wir werden also auf diesem Gebiet ebenfalls große Fortschritte machen. Ein Lichtblick in der Forschung ist beispielsweise die Feststoffbatterie, die pro Kilogramm Batterie fünfmal mehr Energie speichern kann als herkömmliche Lithiumbatterien. 

Was ist denn überhaupt das Hauptproblem bei der Lithiumförderung?

Volker Quaschning: Die Förderung an sich ist eigentlich nur bedingt problematisch: Das heißt, es entstehen dabei keine sehr giftigen Abfälle oder Ähnliches. Zentrales Thema ist der enorme Wasserverbrauch – und um dieses Problem in den Griff zu bekommen, gibt es auch einige Forschungsprojekte. Die Ausgangslage ist folgende: Für die Lithiumgewinnung wird eine große Menge salziges Grundwasser benötigt. Man nimmt also kein Nutzwasser weg. Trotzdem kann es zu Problemen führen. Dieses Wasser wird im Moment in große Seen geleitet, wo es verdunstet. Wir entwickeln nun Methoden, wo das Wasser stattdessen in Reaktoren fließt, dort wird es vom Lithium getrennt und übrig bleibt am Ende Süßwasser, welches entweder zurück unter die Erde gepumpt oder sogar für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden kann. Der Prozess der Lithiumgewinnung kann also erheblich verbessert werden!

Ist es denn zum jetzigen Zeitpunkt Ihrer Meinung nach in jedem Fall sinnvoller, ein Elektroauto zu kaufen und keinen sehr sparsamen Verbrenner?

Volker Quaschning: Ja! Verbrenner dürften eigentlich gar nicht mehr neu verkauft werden. Laut Statistik leben Verbrenner etwa 20 Jahre lang. Das heißt, ein Auto, das heute gekauft wird, stößt auch im Jahr 2041 noch CO2 aus. Wenn man aber bedenkt, dass wir in 20 Jahren eigentlich weltweit klimaneutral sein sollten, ist das fatal. Eigentlich müssten ab sofort nur noch Autos mit alternativen Antrieben produziert werden. Wer einen Verbrenner besitzt, kann diesen aber selbstverständlich noch zu Ende fahren!

Wenn nun der komplette Verkehr auf Elektromobilität umgestellt wird und gleichzeitig sich auch unser Alltag immer mehr ins Digitale verlagert, brauchen wir natürlich immer mehr Strom. Ist das zu stemmen?

Volker Quaschning: Das ist es, klar! Es gibt Berechnungen, die zeigen, dass der Strombedarf um etwa 20 Prozent steigen würde, wenn wir, Stand jetzt, alle PKWs mit Elektromotoren betreiben würden. Wenn der LKW-Verkehr noch dazukommt, wird das noch einiges mehr. Es ist also wichtig, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien schnell vorangetrieben wird.  

Solche Anlagen müssen in Zukunft verschwinden. In Deutschland wird jedoch noch etwa ein Viertel des Stroms durch Kohle erzeugt. Im Bild: der Braunkohle Tagebau in Garzweiler. (Foto: Von Arne Müseler, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Sie haben vermutlich nicht den Eindruck, dass es zurzeit in Deutschland schnell genug geht mit dem Ausbau?

Volker Quaschning: Richtig! Das lässt sich auch ganz einfach berechnen. In den vergangen 30 Jahren haben wir es geschafft, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von vier auf 50 Prozent zu steigern. Die benötigte Strommenge wird sich in Zukunft aber sicher noch verdoppeln oder sogar verdreifachen – und gleichzeitig wissen wir, dass wir nur noch 15 Jahre Zeit haben, um klimaneutral zu werden. Studien gehen aktuell davon aus, dass wir das Tempo beim Ausbau der Solar- und Windenergie etwa versechsfachen müssten, um rechtzeitig klimaneutral zu werden.

Und Sie würden in erster Linie weiter auf Sonne und Wind setzen?

Volker Quaschning: Es gibt natürlich noch weitere Technologien, wie Wasserkraft oder Geothermie, aber die haben in Deutschland kein besonders großes Potential. Wenn wir also unseren kompletten Strombedarf, inklusive Verkehr, decken wollen, müssen wir auf Sonne und Wind setzen! Da gibt es ausreichend Ressourcen.

Aktuell gibt es wieder verstärkt Diskussionen, dass man auf dem Weg zur Klimaneutralität auch auf Kernkraft setzen sollte. Warum sehen Sie das kritisch?

Volker Quaschning: Der gefühlte Anteil der Kernenergie in Deutschland ist viel höher als er tatsächlich ist: Bei der Stromerzeugung liegt er bei etwa zwölf Prozent. Beim gesamten Energieverbrauch in Deutschland liegt die Kernenergie gerade einmal bei drei Prozent. Wir müssen aber in den nächsten Jahren auf 100 Prozent erneuerbare Energien kommen – da spielen diese drei Prozent also kaum noch eine Rolle. 

Was wären denn Ihre zentralen Wünsche an die Politik – nicht nur für den Verkehrsbereich, sondern ganz allgemein, was die Energiepolitik angeht?

Volker Quaschning: Das wichtigste ist, das Ausbautempo der erneuerbaren Energien deutlich zu steigern. In einigen Bereichen muss die Akzeptanz in der Bevölkerung gesteigert werden, um Erfolg zu haben – Stichwort „Windenergie“. Im Verkehrsbereich muss man so schnell wie möglich aus der Produktion von Verbrenner-Motoren aussteigen – daran führt kein Weg vorbei. 

Sonne und Wind: Die wichtigsten Energielieferanten der Zunkunft. (Foto: Freepik)

Und denken Sie, dass wir das alles rechtzeitig schaffen? Schauen Sie optimistisch in die Zukunft?

Volker Quaschning: Sagen wir es mal so: Ich weiß, dass wir es schaffen können, denn die Technologien existieren bereits. Glücklicherweise befinden wir uns bereits mitten im Wandel. Vor 20 Jahren war die Batterietechnologie noch lange nicht so weit, dass man daraus hätte effiziente Autos bauen können. Die Photovoltaik war damals noch so teuer, dass wir uns die Energiewende nicht hätten leisten können – heute ist sie preiswerter als alle anderen Technologien. Im Bereich der E-Mobilität entstehen inzwischen richtig tolle Produkte. Auch der Wettstreit zwischen den Autokonzernen tut dieser Entwicklung gut und macht E-Autos immer attraktiver. Die Grünen fordern ja einen Ausstieg aus der Produktion von Verbrennungsmotoren bis 2030 – das ist meiner Meinung nach deutlich zu spät. Ich bin mir aber sicher, dass sich das automatisch regeln wird, denn bis dahin will niemand mehr einen Verbrenner fahren. Elektroautos haben mehr Sexappeal und sind die spannenderen Produkte. Wer einmal eins gefahren hat, möchte nie wieder etwas anderes.

Und wenn sich dieser Trend bestätigt, werden automatisch auch die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut?

Volker Quaschning: Genau! Wer ein E-Auto zu Hause hat, installiert sich nach Möglichkeit auch eine Solaranlage – schon aus Kostengründen. Das kann also auch in dieser Hinsicht ein Turbo sein. Ich sehe den Verkehr deswegen als große Chance. In Deutschland sind damit viele Emotionen verbunden. Wenn wir es schaffen, diese Emotionen positiv Richtung E-Mobilität zu lenken, schaffen wir auch eine schnelle Energiewende.