Nach Hause

Unser Transfer wird mehrfach verschoben. 18 Uhr stand ganz ursprünglich mal auf dem Info-Brief, den wir auf unserer Kabine liegen haben. Jetzt heißt es aber, wir sollen uns besser schon ein paar Stunden vorher bereit machen, da die Sicherheitschecks doch etwas länger brauchen. Kurze Zeit später sagt man uns, es ginge nun doch alles viel schneller. Der Transfer gehe wohl doch pünktlich. Und wieder ein bisschen später verschiebt sich dann alles nach hinten.

Um 20 Uhr sitzen wir endlich im Transferbus und wir werden von einer Polizei-Eskorte zum Flughafen begleitet.

Natürlich startet das Flugzeug nicht pünktlich um 21 Uhr, wie es ursprünglich einmal geplant war. Auch wenn der Flughafen schon einige Tage lang erprobt darin ist, gestrandete Kreuzfahrer zurück in ihre Heimatländer zu leiten, wirkt alles sehr improvisiert. Die eigentlichen Hallen für Check-In und Boarding-Abwicklung bleiben leer. Stattdessen werden wir in ein Nebengebäude gebracht, dort müssen wir erstmal wieder unsere Koffer suchen, die zu hunderten in der Halle aufgereiht sind. Die Flughafen-Mitarbeiter sind freundlich und gut gelaunt. Wahrscheinlich sind sie alle trotzdem froh, wenn endlich alle (Kreuzfahrt-)Touristen zu Hause sind – wir konnten ja nicht einmal etwas für die Wirtschaft vor Ort tun, in der Zeit, in der wir dort waren.

Nun haben wir es also endlich geschafft, denken wir, als um 23 Uhr – nach irgendwelchen EDV- und Registrierungsproblemen – das Flugzeug endlich abhebt. Noch knapp zehn Stunden Flug und wir würden in Deutschland landen, wo inzwischen die Kontaktsperren nicht mehr nur Empfehlungen, sondern offizielle Anweisungen sind.

Geschafft? Nicht ganz! Wir sind noch über dem Atlantik, kurz vor Europa, wie ich auf dem Bildschirm vor mir sehen kann, als unser Flugzeug zum Sinkflug ansetzt. Komisch, denke ich, das ist noch ein bisschen zu früh. Und prompt meldet sich der Pilot: Wir müssen in Lissabon landen, da wegen der Verspätung und irgendwelchen Richtlinien in Frankreich und Spanien ein Überflug nicht mehr möglich sei. Oder so ähnlich. Keiner im Flugzeug ist mehr in der Lage der Durchsage richtig zu folgen. Ein leises Raunen geht durch die Reihen. Mehr nicht. Und selbst als wir dann ungefähr zweihundert Meter über der Landebahn plötzlich wieder durchstarten und die Flugrichtung nach Norden ändern, wundert sich keiner mehr. In Lissabon sei kein Parkplatz mehr für uns, so der Pilot, wir fliegen jetzt auf gut Glück einfach mal weiter. Sehr beruhigend, denke ich, aber nicke dann auch schon wieder ein.
Wir landen eine halbe Stunde später in Porto. Der Tank wird neu gefüllt, der Pilot beschließt, die Regelungen zu ignorieren und startet eine Stunde später das Flugzeug erneut. Wir Passagiere nehmen alles gelassen hin. Wir sind von Costa Rica einmal quer durch die Karibik geschippert, lagen drei Tage vor Barbados, sind auf abenteuerliche Weise zum Flughafen gebracht worden – also seit sechs Tagen unterwegs, um nach Hause zu kommen. Was macht so ein kurzer Zwischenstopp in Portugal da noch für einen Unterschied?

Es ist 15.30 Uhr als wir in Frankfurt landen. Der Flughafen ist gespenstisch leer, genau wie die Autobahn auf dem Weg nach Hause. Aber wir sind trotzdem froh, endlich angekommen zu sein.

So unbeschwert wie auf Caye Caulker (Belize) gestaltet sich das Leben inzwischen nicht mehr. (Foto: hea)

Mit etwas Abstand

Nach einer Woche zurück in Deutschland, hat uns der Alltag wieder. Home-Office, Kontaktsperre – jetzt sind auch wir mittendrin. Ich durchstöbere die Aufnahmen auf meinem Smartphone und stolpere über die Bilder und Videos von der Abschiedsparty. Das ist gerade mal ein paar Tage her, kommt mir inzwischen aber total unwirklich vor. So viele Menschen, so eng beieinander. Ich erwische mich dabei, wie ich mir selbst einen Vorwurf mache.

Noch vor knapp drei Wochen bin ich mit gutem Gewissen diese Reise angetreten, weil ich mir sicher war, dass alles halb so schlimm ist und „Panikmache“ völlig unangemessen sei. Die Ereignisse haben sich in nur wenigen Tagen überschlagen und ich habe meine Meinung geändert.

Hätte diese Reise überhaupt stattfinden dürfen? Hätte der Veranstalter nicht schon viel früher abbrechen müssen?

Am Ende ist alles gut gegangen, wir haben vom Kapitän persönlich ein Zertifikat erhalten, „Corona-frei“ zu sein. Wir haben rechtzeitig einen Hafen gefunden, an dem wir noch anlegen durften und – auch wenn wir eine Weile warten mussten – es konnten Rückflüge für uns alle organisiert werden. Ich bin froh, die Reise gemacht zu haben. Wer weiß, wann „so etwas“ wieder möglich ist! Diese Erinnerungen nimmt mir niemand mehr.


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Die Insel Roatan (Honduras) begeistert uns. (Foto: hea)