Was ist mit unseren Grundrechten?!

Pizza oder Gesundheit? Risiko oder Sicherheit? Redakteurin Anne Herder appelliert an die Geduld.

„Nach fünf Wochen reicht’s jetzt aber doch mal! Ich will wieder bei meinem Lieblingsitaliener essen gehen und einen guten Wein trinken. Ich will meine Freunde treffen, wann ich will! Seit fünf Wochen bestimmen die da oben über unser Leben! Meine Grundrechte werden beschnitten!
Soll ich das jetzt ernsthaft nochmal zwei weitere Wochen einfach hinnehmen? Hinterfragt das denn keiner? Ich sag es nochmal: Es geht immerhin um meine Grundrechte! Um unsere Grundrechte!“

Klingt gut, dieser Appell, oder? Da muss was dran sein. Irgendwann ist doch mal gut mit der Beschneidung der Grundrechte, oder?

Im Prinzip ist das so. Ja. Allerdings kann man sich über die Definition von „irgendwann“ ganz schön in die Haare kriegen. Dabei ist es eigentlich relativ einfach: Um mit der Pandemie in Deutschland gut umgehen zu können, darf die Reproduktionsrate den Wert 1 (R=1) nicht übersteigen. Das ist eine recht schnell und verständlich zu vermittelnde Tatsache. Die bestreitet, so viel ich weiß, auch keiner.

Nun ist es aktuell so: Diesen Wert haben wir jetzt – sehr wahrscheinlich durch (!) die strengen Maßnahmen – gerade so erreicht. Klar könnte man jetzt sagen: „Hopp, perfekt! Dann können wir jetzt ja wieder normal weiterleben.“ Könnte man. Oder man denkt kurz nach. Denn es ist ziemlich offensichtlich, auch für Laien, was passieren würde, wenn man jetzt zu schnell zur Normalität zurückkehrt: Es würden sich sehr schnell wieder viel mehr Menschen anstecken – und schon wären wir innerhalb weniger Tage wieder deutlich über R=1. Und das würde bedeuten: Erneuter „Shutdown“ – nur dieses Mal wahrscheinlich länger und strenger. Das kann eigentlich niemand wollen, oder?

Ja, es stimmt schon. Die Wissenschaftler sind sich in vielen Punkten nicht einig und die Institute kommunizieren eigentlich nur unvollständige Zahlen und Vermutungen – das kann einen natürlich beunruhigen. Aber es gibt zwei Möglichkeiten, wie man mit dieser Unsicherheit umgeht: Entweder man geht auf Nummer Sicher und sorgt mit drastischen Maßnahmen dafür, dass nichts aus dem Ruder läuft (R auf max. 1 halten) oder man beschließt, diesen Experten dann einfach grundsätzlich zu mistrauen und ins offene Feuer zu laufen – kann ja sein, dass es doch gar nicht so heiß ist.

Für welche Variante würdet ihr euch denn an Stelle der Regierung entscheiden? Fürs offene Feuer sicher nicht.

Also: Seit gestern gibt es ja vorsichtige Lockerungsaussichten – über die Details kann man sicher streiten. Aber dass man nicht noch schneller zur Normalität zurückkehren kann, muss jedem klar sein! Bitte bleibt also ruhig und haltet euch dran.
Denn eins wird ja auch oft vergessen: Das Recht auf „Leben und körperliche Unversehrtheit“ steht auch im Grundgesetz und das wiegt eben schwerer als das Recht, beim Lieblingsitaliener essen zu gehen, wann man möchte.