2021 erhielten rheinland-pfälzische Krankenhäuser, rückwirkend für 2020, über 18 Millionen Euro Sonderleistungen, da sie aufgrund der Pandemie besonders belastet waren. Diese Prämien richteten sich an Pflegekräfte in insgesamt 56 anspruchsberechtigten Häusern. Clemens Hoch (Gesundheitsminister RLP) betonte, gerade die Pflege habe sich in der Versorgung der an COVID-19 erkrankten Personen verdient gemacht: „Die Prämienzahlungen ermöglichen den Krankenhäusern, eine Anerkennung für diese Leistung zu erbringen. Diese ist mehr als verdient!“. Es scheint, als habe zumindest teilweise ein Umdenken begonnen, was die echte Wertschätzung von Menschen in Pflegeberufen betrifft. Das Applaudieren vom Balkon, das zu Anfang der Corona-Krise eine schöne Geste war, doch leider eben nicht mehr, hat Diskussionen angestoßen. Nun gilt es, das System selbst in den Fokus zu nehmen und über einen nötigen Umbau zu sprechen.

Mike Schreier, der Inhaber der anaFLEX GmbH in Landau, vernetzt Pflegeprofis und Kliniken. Er gründete das Personaldienstleistungsunternehmen, nachdem er mehrere Jahre als Pfleger im Ausland gearbeitet hatte und sich nicht vorstellen konnte, in das deutsche System zurückzukehren. Er startete zunächst als Freiberufler und ließ sich nach Bedarf von unterschiedlichen Einrichtungen buchen. Schnell kamen immer mehr Anfragen und er stellte selbst Personal ein. Er betont: „Ich sage immer, so 1.000 Euro Bruttogehalt mehr im Monat pro examinierter Pflegekraft, das wäre mal ein Anfang. anaFLEX ist in einer anderen Situation als die Krankenhäuser und kann Honorare frei gestalten und das tun wir auch.“ Er sieht unser Sozialsystem im Gesundheitsbereich kritisch: „Wir haben es zu einem Business gemacht und jetzt beschweren wir uns, dass es ein Business ist. Einzelne Maßnahmen der Politik werden daran vermutlich nichts ändern, denn es ist eine grundsätzliche Systemfrage.“ 

Sebastian aus Rülzheim, Krankenpfleger auf einer Intensivstation, erklärt: „Es geht für alle Berufsgruppen im Gesundheitsbereich bergab. Der Gewinn steht derart im Vordergrund, dass auch ein Mehr an Geld allein nicht ausgleichen kann, wie unzufrieden viele sind. Ich vergleiche das gern mit der Situation eines Schreiners, der gezwungen ist, einen klapprigen Tisch aus minderwertigen Materialien in kürzester Zeit zusammen zu schustern, nur weil es eben ins Budget passt. Ich wünsche mir vor allem mehr Zeit für die Tätigkeiten, die zu meinen Aufgaben gehören, damit ich sie so ausführen kann, wie ich es für notwendig erachte. Wir arbeiten mit Menschen.“

Auf Rückfrage durch das PFALZ-ECHO bestätigte das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung RLP, dass die gesellschaftliche Bedeutung der in der Pflege Beschäftigten in den vergangenen Jahren noch einmal sichtbarer geworden ist. Deshalb stünden auch Schwerpunktthemen wie die Schaffung von zukunftsorientierten Formen von Aus- und Weiterbildung, die Angleichung der Vergütungen, die Digitalisierung und die Steigerung der Attraktivität der Beschäftigungsbedingungen in der Pflege nun im Vordergrund. 

Seit dem 1. September 2022 hat sich zumindest in der Altenpflege etwas verändert. Jede Langzeitpflegeeinrichtung, die als solche zugelassen sein will, muss entweder selbst tarifgebunden sein oder ihre Pflege- und Betreuungskräfte mindestens in entsprechender Höhe entlohnen. Im Gegenzug sind die Pflegekassen verpflichtet, die steigenden Lohnaufwendungen bei den Verhandlungen der Vergütung der Pflegeleistungen zu berücksichtigen.

Bleibt zu hoffen, dass es zukünftig tatsächlich zu einem positiven Wandel für Beschäftigte im Gesundheitswesen kommt und langfristig ein stabiles Versorgungssystem in Deutschland gewährleistet wird. (cdr)