An den Beatmungsgeräten in der Region werden derzeit ausschließlich nicht geimpfte Personen versorgt. (Foto: Freepik)

Kandel/Landau. „Alle Covid-Patienten an den Beatmungsgeräten in unserem Haus in Kandel sind nicht geimpft. Das kann man gar nicht oft genug betonen!“, berichtet Prof. Dr. Stypmann, Chefarzt in der Asklepios Klinik in Kandel. Diejenigen, die trotz Impfung stationär behandelt werden müssen, gäbe es natürlich auch, aber das seien meist ältere Personen, die bereits vorerkrankt und geschwächt waren. An den Beatmungsgeräten hingen dagegen auch jüngere, zurzeit u.a. auch ein 32-Jähriger.

In Kandel gibt es – wie in den meisten Kliniken – eine eigene Covid-Station. Diese fülle sich in den letzten Wochen immer mehr, der Aufwand, diese zu betreiben, ist immens: Es handelt sich um eine komplette Station, die man nur mit Schutzkittel, -brille, einem Spuckschutz und FFP2-Maske betreten darf. Hinzu komme ein enormer bürokratischer Aufwand, wie Stypmann erklärt. Die Dokumentationspflicht müsse laut Vorgaben z. B. immer noch händisch in Papierform laufen. 

Gefahr der Triage steht im Raum

Zum Zeitpunkt des Gesprächs ist in Kandel noch eines der sieben Intensivbetten frei, zudem gibt es noch einige Notreserven, die im Ernstfall aufgestockt werden könnten – da sich mit den Betten aber nicht das Personal erhöht, bedeutet das eine erhebliche Einschränkung der Regelversorgung und die weitere Reduzierung von nicht dringend medizinischen Eingriffen, erläutert der Fachmann. Dennoch sei man auf alles gefasst: „Wir rechnen damit, dass uns die Pandemie bis Weihnachten überrollt.“ Selbst die Gefahr der Triage steht im Raum, wenn die Inzidenzen weiter so steigen – dann müsse man aufgrund der extrem hohen Auslastung entscheiden, welcher Patient beispielsweise an ein Beatmungsgerät angeschlossen wird und welcher nicht. „Wir haben schon vor längerer Zeit für solche Fälle eine eigene, hausinterne Ethikkommission ins Leben gerufen – vier Ärzte und ein Pfarrer gehören dieser an. Selbstverständlich fühlen wir uns dabei zuallererst dem Leben verpflichtet. Allerdings bereiten wir uns auch darauf vor, Familienangehörigen Palliativkonzepte vorzuschlagen, wenn es für uns nach Beratung in der Ethikkommission sinnvoll erscheint.“ Um dies zu vermeiden, haben die Asklepios Südpfalzkliniken bereits in der ersten Welle 29 Beatmungsplätze geschaffen, die im Notfall betrieben werden können.

Um die Welle zu brechen, hilft nur ein harter Lockdown

Impfen sieht Prof. Dr. Stypmann als wichtigstes Instrument im Kampf gegen die Pandemie. Hier sei noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten, meint er – auch mit Blick auf die Politik. Allerdings können Erst- und Boosterimpfungen jetzt die vierte Welle nicht mehr brechen. Auch das politische Hin und Her sei wenig zielführend: „Täglich neues Stückwerk an Regelungen bringt uns nicht weiter. Das einzige, was jetzt noch hilft, ist tatsächlich ein harter Lockdown.“

Impfen sieht Prof. Dr. Stypmann als wichtigstes Instrument im Kampf gegen die Pandemie. (Foto: Asklepios)

Besucherstopp zum Schutz der Patient:innen

Ähnlich ist die Haltung auch im Klinikum Landau-Südliche Weinstraße: „Neben einem sehr rasanten Impffortschritt sind aus unserer Sicht umfangreiche Kontaktbeschränkungen zur Entlastung des Gesundheitswesens absolut notwendig.“ Auch dort werden Behandlungen und Operationen, wenn medizinisch vertretbar, verschoben oder bei Bedarf ganz eingestellt, um die unmittelbar notwendige Versorgung von Covid- und Nicht-Covid-Patient:innen weiterhin sicherzustellen. Und auch in Landau ist die Situation eindeutig: Dort werden zum Zeitpunkt des Interviews zwei Covid-Patienten intensivmedizinisch betreut – beide sind nicht geimpft. Auf der Normalstation lägen auch sehr viele Geimpfte – deren Altersdurchschnitt jedoch über 80 Jahre sei. „Die vielen Impfdurchbrüche sind u. a. durch die hohe Impfquote (bei über 60-Jährigen aktuell bei 86 Prozent) und eine sehr starke Virusausbreitung leicht zu erklären. Außer Frage steht, dass die Corona-Schutzimpfung vor schweren Verläufen schützt!“, so eine Sprecherin des Klinikums. 

Regelmäßig trifft sich hier die „Koordinierungsstelle Coronavirus“, um Regelungen und Maßnahmen für das Klinikum zu beschließen – vergangene Woche fand die 171. Sitzung dieses Gremiums statt. Unter anderem wurde dabei hier ein Besucherstopp angeordnet. „Der Schutz und das Wohl unserer Patientinnen und Patienten wie auch unserer Beschäftigten haben für uns höchste Priorität. Dafür tun wir in unserem Klinikum auch in der vierten Welle in allen Berufsgruppen unser Bestmögliches.“ 

Geschäftsführer: Schwierige Situation

„Die Situation hat sich in den vergangenen Wochen merklich verschlechtert“, erläutert der Geschäftsführer des Klinikums Landau-SÜW, Dr. Guido Gehendges, auf Nachfrage, „wir rechnen mit einer weiteren Verschlechterung der Lage in den kommenden Wochen.“ Auch er fordert konsequentes Handeln: „Sehr wesentlich ist für die weitere Entwicklung, endlich einen rasanten Impffortschritt umzusetzen und umfangreiche Kontaktbeschränkungen zur Entlastung des Gesundheitswesens zu realisieren. (…) Aber auch jeder einzelne in unserer Gesellschaft sollte von sich aus auf das Einhalten der AHA+L-Regeln und auf Kontaktreduzierungen achten. Jede:r einzelne trägt auch eine Verantwortung für andere.“

Einig waren sich alle PFALZ-ECHO-Gesprächspartner: Trotz der immensen Belastung gebe das Klinikpersonal sein Bestes und bewältige auch jetzt wieder mit viel Engagement diese schwierige Situation. (hea)