Deutschland wählt am 26. Mai, ein neues EU-Parlament. Insgesamt stimmen 64 Millionen wahlberechtigte Deutsche über 96 Sitze im neunten Europaparlament ab. Anders als bei der Bundestagswahl hat jeder Wahlberechtigte bei der Europawahl nur eine Stimme. Und obwohl seit Wochen zahlreiche Wahlplakate Bauzäune und Straßenlaternen zieren, sind sich viele stimmberechtigte Bürger unsicher, ob und warum sie wählen gehen sollen.
Wir haben uns direkt an Brüssel gewandt und wollten u. a. wissen, was das Europäische Parlament eigentlich macht, warum die Europawahl so wichtig ist und was die Europäische Union für jeden Einzelnen tut.

Wer denkt, die Europäische Union ginge ihn nichts an, hat sich mächtig geschnitten. Wir atmen die Luft, die uns umgibt, wir trinken Wasser aus der Leitung, wir stehen morgens auf und gehen zur Arbeit, wir verreisen – die EU wirkt tagtäglich auf unser Leben. Vieles, was unser Leben bestimmt, wird durch europäische Vorschriften geregelt. Innerhalb der EU gibt es z. B. eine Feinstaubrichtlinie, die regelt, wie hoch der Wert der schädlichen Partikel in der Luft sein darf, und die Trinkwasserrichtlinie legt fest, wo die Höchstwerte der im Trinkwasser enthaltenen Giftstoffe liegen. Und dass wir im Supermarkt keine hohen Zollgebühren beim Kauf eines französischen Käses zahlen müssen, regelt auch die EU.
Spätestens wenn wir nach Feierabend noch „kurz ins Elsass fahren“, um Baguette, Käse, Kaffee usw. einzukaufen, dafür in den letzten 20 Jahren aber kein einziges Mal an der Grenze anhalten mussten, wird klar, was die EU bewirkt: offene Grenzen, freier Handel, eine Währung.

„Was tut die Europäische Union für mich?

Brüssel: Die Europäische Union sorgt etwa dafür, dass Einwegplastik nicht mehr verkauft werden darf. Das entlastet vor allem die Meere, die an Plastikmüll zu ersticken drohen. Für Reisende ins Ausland hat die EU in den letzten Jahren für deutlich niedrigere Handy-Kosten gesorgt. Seit 15. Mai dieses Jahres sind nun auch Anrufe und Nachrichten aus Deutschland ins EU-Ausland deutlich günstiger. Seit Ende letzten Jahres können Verbraucher auch bei Online-Shops aus anderen Ländern problemlos einkaufen. Die weitverbreitete Praxis des Geoblockings wurde abgeschafft.

Die kommende Europawahl, sei eine Schicksalswahl – so heißt es von zahlreichen politischen Stellen und Wirtschaftsverbänden. Aber warum eigentlich?

Brüssel: Das Europäische Parlament hat seit seiner ersten direkten Wahl 1979 stetig an Einfluss gewonnen und ist heute gleichberechtigter Gesetzgeber neben dem Rat der nationalen Regierungen. Die EU befindet sich in einer Phase der Umgestaltung. Angesichts eines möglichen Brexits, vieler internationaler Krisen und nationalistischer Tendenzen wird die anstehende Europawahl oft als Richtungsentscheid für die Zukunft Europas gesehen. Wollen die Bürger mehr oder weniger Europa? Wollen Sie eine gemeinsame Migrations- und Verteidigungspolitik, wollen sie schärfere oder laxere Gesetze für den Schutz der Umwelt oder des Klimas? Die angetretenen Parteien bieten ganz unterschiedliche Visionen für die Zukunft und auch die öffentliche Aufmerksamkeit für diese Wahl ist wesentlich höher als in vielen Jahren zuvor.

Wer darf wählen?

Brüssel: Wählen dürfen alle EU-Bürgerinnen und Bürger, die zum Zeitpunkt der Wahl 18 Jahre alt sind. Nur in Österreich und Malta darf man bereits ab 16 Jahren und in Griechenland ab 17 Jahren wählen. Außerdem müssen die Wähler länger als drei Monate in einem Mitgliedstaat der EU eingetragen sein.

Wie kann man einen Nicht-Wähler davon überzeugen, zur Wahl zu gehen? Oder anders gefragt: Wie überzeuge ich einen Nicht-Wähler von der Wichtigkeit Europas?

Brüssel: Wer will, dass seine Stimme gehört wird und seine Interessen vertreten werden, der muss auch wählen gehen. Als Deutsche wählen wir da übrigens auch eine der deutschen Parteien, die mit ihren Kandidatenlisten antreten. Die Abgeordneten machen dann für die nächsten fünf Jahre die Europäischen Gesetze und die haben direkte Auswirkungen auf unser Leben. Wer nicht wählt, wird auch keine Interessenvertreter im Parlament haben.Wie im Bundestag geht es auch im Europäischen Parlament um politische Verhandlungen. Da spielt es natürlich eine wichtige Rolle, welche Parteien gewählt werden und wie stark die sind. Wenn ich also will, dass Politik in meinem Interesse gemacht wird, dann muss ich auch für die Partei stimmen, die ich am besten finde. Deutschland hat mit 96 Abgeordneten im Europäischen Parlament übrigens so viele Abgeordnete wie kein anderes Land und damit auch ziemlich viel Einfluss. (pdp/hea/stm)