Die Eichelmast in Bellem

Eine Arbeitsgruppe des Historischen Vereins in Bellheim deckt beim Stöbern in alten Landkarten anlässlich des 200. Geburtstags des Kreises Germersheim immer wieder spannende Geschichten aus der Südpfalz auf

Kaum jemand kennt sich in der (historischen) Südpfalz so gut aus wie der Bellheimer Rainer Becki. (Foto: hea)

Von Anne Herder

Bellheim. Dass die Südpfalz eine sehr bewegte Vergangenheit hat, dürfte jedem bekannt sein: Rom, Bayern, Frankreich – viele Großmächte haben hier in der Region ihre Spuren hinterlassen. Und kaum etwas macht einem das bewusster als das Stöbern in alten Landkarten. Rainer Becki vom „Historischen Arbeitskreis“ in Bellheim stöbert zurzeit besonders gerne in solchen alten Karten. Anlässlich des 200. Geburtstags des Landkreises Germersheim im nächsten Jahr bereitet der begeisterte Hobby-Historiker eine Aufarbeitung alter Karten aus der Region vor.

Wer alte Karten studiert, muss viele Details beachten und entdeckt immer wieder Neues. (Foto: hea)

Welche Ortschaften hatten schon vor mehreren 100 Jahren eine überregionale Bedeutung? Welche sind erst in den letzten Jahrzehnten gewachsen? Welche (Wirtschafts-)Wege und Routen waren im 17. Jahrhundert von zentraler Bedeutung? Und wie groß waren die Waldflächen im 18. Jahrhundert? Das alles kann man auf historischen Karten nachlesen, dazu finden sich natürlich Informationen über Grenzverläufe, Herrschaftsgebiete, Verwaltungsbezirke. Aber auch Kuriositäten und Raritäten: Es tauchen Ortsnamen in ungewöhnlichen Schreibweisen auf; kleine Kapellen, die heute kaum noch Beachtung finden, sind in manchen Karten von zentraler Bedeutung.

Aber nicht nur auf den Karten selbst entdecken die Mitglieder der Arbeitsgruppe immer wieder spannende Details. Um an ihr Material zu kommen, durchforsten sie einerseits natürlich die offiziellen Archive, stöbern aber auch immer wieder in privaten Nachlässen. „Wir sind darauf angewiesen, dass die Leute in solchen Fällen auf uns zukommen. Hier in Bellheim ist es zum Glück bekannt, dass unser Verein immer auf der Suche nach historischem Material ist“, so Rainer Becki.

Auf historischen Karten findet Rainer Beck zahlreiche spannende Informationen (Foto: hea)

Spannend sei die Arbeit mit historischen Dokumenten immer, man müsse ständig aufpassen, dass man sich nicht verzettelt bei den ganzen Geschichten, auf die man im Rahmen der Recherchen automatisch stößt. Rainer Becki erzählt gerne von den vielen kleinen Anekdoten, die ihm beispielsweise bei der Durchsicht der so genannten „Aussteuer-Akten“ begegnen. In diesen Akten seinen bei jeder „Verheiratung“ genaue Listen über Güter und Besitz festgehalten worden. Darin sei beispielsweise bis ins Detail geklärt, wie viele Kochlöffel jemand besaß und aus welchem Material diese waren. Heute würden Datenschutzbeauftragte vermutlich laut aufschreien, angesichts der Genauigkeit der Auflistungen.

Aber erst durch die Genauigkeit der Dokumente, Karten und Listen entstehen lückenlose Geschichten – von Männern, die ihren Frauen eine Religion aufzwingen wollten, von Witwen, die nichts von den hohen Schulden ihres Ehemanns wussten, von Schweinen, die aus dem ganzen Landkreis Germersheim zur Eichelmast nach Bellheim kamen. All diese Geschichten aufdecken und sie der Öffentlichkeit zugänglich machen – das ist das Anliegen von Rainer Becki und dem Historischen Verein. Mit einer Veranstaltung zum 200. Kreisjubiläum, die im März 2018 stattfindet, soll dieses Anliegen verwirklicht werden. Anhand der Karten können viele Zusammenhänge und geschichtliche Entwicklungen wunderbar visualisiert werden – und so für die Bevölkerung leichter verständlich gemacht werden. Anekdoten und historisch passende Musik werden das Event abrunden.

„Manchmal stößt man jedoch an seine Grenzen“, berichtet Rainer Becki am Ende des Gesprächs mit dem PFALZ-ECHO, „in Bellheim und den umliegenden Orten kenne ich mich inzwischen sehr gut aus, aber oft fehlt mir in anderen Orten ein Ansprechpartner, der mir dort bei Fragen zu historischen Begebenheiten weiterhelfen kann.“ So hofft er auch durch mehr Öffentlichkeit auf neue Kontakte und Möglichkeiten der Vernetzung.