Jürgen Tarrach ist derzeit in zwei neuen Lissabon-Krimis im Ersten als Strafverteidiger Eduardo Silva zu sehen. Gemeinsam mit seiner jungen Referendarin Vidina Popov ermittelt er in der portugiesischen Metropole. Der nächste Lissabon-Krimi „Feuerteufel“ läuft am Donnerstag, 4. April, im Ersten. Redakteurin Patrizia Bär hat den Grimme-Preisträger getroffen.

Ihre Filmografie ist sehr umfassend. Sie sind ein bekanntes Gesicht in der deutschen Fernsehlandschaft und Sie haben schon viele unterschiedliche Rollen gespielt. Gibt es eine Rolle, die Sie gerne mal spielen würden, aber die Anfrage kam einfach noch nicht?

Jürgen Tarrach: Manchmal entpuppen sich Wunschrollen als gar nicht so toll. Zufällige Sachen, an die man so überhaupt nicht gedacht hat, sind dann ganz plötzlich tolle Erfolge und machen größten Spaß. Wenn es um Rollen geht, habe ich keinen Entwurf. Höchstens am Theater. Da würde ich gerne mal Ödon von Horváth spielen.

Sie sagen, dass es Rollen gibt, die besonders großen Spaß machen. In der Theaterkomödie „Fehler im System“ spielen Sie eine Frau. Wie ist es, als Mann eine Frau zu spielen?

Jürgen Tarrach: Das stimmt nicht ganz. Ich spiele keine Frau, sondern einen Mann, der mit über 50 Jahren entdeckt, dass er gerne eine Frau sein möchte. Und sich diesen Traum jetzt erfüllt. Im Stück bin ich der traurige Clown. Ich spiele das sehr gerne. Ich bin der Vater der Hauptfigur Emma, und als dieser kann ich mütterliche Gefühle spielen. Das ist sehr lustig, das mal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Mütter und Töchter haben immer ein besonderes Verhältnis zueinander, die wollen immer Freundinnen sein, dann reiben sie sich doch aneinander oder die Mutter projiziert etwas auf die Tochter, was sie selber nicht geschafft hat, und will die Tochter deshalb immer verbessern. Das sind alles Aspekte, die ich in diese Rolle reinlegen kann. Natürlich auch auf komödiantische Weise. Und der Wiedererkennungswert für die Zuschauer ist sehr hoch – und man lacht ja gerne über etwas, das man wiedererkennt.

Sie haben auch in internationalen Kinoproduktionen mitgewirkt. 2006 hatten Sie eine kleine Nebenrolle in dem James-Bond-Streifen „Casino Royale“. Wie kam es dazu?

Jürgen Tarrach: Das war eine verrückte Geschichte. Die englische Casterin, die den James Bond besetzte, wollte noch ein paar Rollen mit deutschen Schauspielern besetzen. Die Casterin, die in Deutschland arbeitete, war jedoch krank geworden und sie hatte keinen Ansprechpartner. Deswegen hat sie alle möglichen Leute angerufen, die sie in Deutschland kannte, unter anderem eine wunderbare Kollegin von mir – und die hat mich dann beim Deutschen Fernsehpreis angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, drei bis vier Tage auf den Bahamas für den neuen Bond-Film zu spielen. Da habe ich gesagt: „Ja, für James Bond mache ich alles.“ Als einige Zeit später die deutsche Casterin wieder genesen war, habe ich sie wiedergesehen und sie hat mir verraten, dass sie sich gar nicht getraut hatte, mir diese kleine Rolle anzubieten. So gehen die Wege manchmal. Jetzt steht es in meiner Biografie und das war eine schöne Erfahrung.

Jürgen Tarrach mit PFALZ-ECHO-Redakteurin Patrizia Bär. (Foto: privat)

Die meisten Menschen kennen Ihren Namen in Verbindung mit der Schauspielerei – aber Sie machen ja noch ganz andere Sachen. Sie haben zum Beispiel ein Kochbuch geschrieben –„Richtig Fressen, Rezepte zum Sattwerden“ – Ist das Buch ein Gegenstück zu dem heute vorherrschenden Diäten- und Low-Carb-Wahn?

Jürgen Tarrach: Absolut! Das Kochbuch habe ich 2003 veröffentlicht. Damals gab es diesen Diäten-Wahn auch schon. Das Buch habe ich mit einem Freund zusammen geschrieben, der auch gerne und viel isst. Wir beide waren damals in der gleichen Situation, wir hatten Kinder zwischen acht und neun Jahren. Und wenn man Kinder in diesem Alter hat, bleibt man zum Essen doch eher zu Hause – man macht Cocooning. Und da wir beide gerne kochen, haben wir uns immer Rezepte zugeschickt und dazu immer einen Blödsinn geschrieben. Wir kamen dann bald auf die Idee, daraus ein kleines Büchlein zu machen, das man zu Weihnachten verschenken kann. Ich habe in einem Interview mal darüber gesprochen und dann kam auch schon ein Verlag auf mich zu. Das Buch beinhaltet nicht nur Rezepte, sondern auch Geschichten aus unserem Leben. Das war eine tolle Erfahrung. Da gibt es zum Beispiel das „Ich-will-alles-haben-Brot“ oder „The original New Years rich man Soup“ – das ist die Neujahrssuppe, die wir jedes Jahr kochen. Das ist eine Linsensuppe – eigentlich ein italienischer Brauch. Die Suppe ist unsere Anti-Kater-Suppe. Laut den Italienern soll das erste Gericht im neuen Jahr ein Linsengericht sein, weil die Linsen für Geld stehen.

Schauspieler und Kochbuchautor – das wissen jetzt unsere Leser. Was sie aber noch nicht wissen: Sie singen auch.

Jürgen Tarrach: Ja, ich mache Chanson-Abende. Gemeinsam mit einem grandiosen Pianisten und Komponisten und einem Textdichter bin ich auf die glorreiche Idee gekommen, deutschen Fado zu kreieren. Wir sind gerade sogar bei Sony Music unter Vertrag genommen. Mit Start der Lissabon-Krimis im Ersten werden wir die ersten Songs veröffentlichen. Das ist ein sehr spannendes Projekt mit schöner, sehnsuchtsvoller, melancholischer Musik.

Vor einigen Jahren waren Sie bei einer Misereor-Kampagne gegen Armut und Korruption auf Plakaten in ganz Deutschland zu sehen. Was hat Sie dazu bewogen, dieser Kampagne Ihr Gesicht zu leihen?

Jürgen Tarrach: Mit Miseror kam ich über einen Freund in Verbindung, der viel für das Hilfswerk gearbeitet hat. Irgendwann hat man mich gebeten, mitzumachen. Ich habe sofort zugesagt und ich habe es gerne gemacht. Der Senegal ist gar nicht einmal das ärmste Land Afrikas, aber durch Planwirtschaft und Korruption liegt das Land am Boden. Das habe ich selbst sehen können, als ich für einen Dreh dort war. Afrika ist eigentlich kein armer Kontinent, im Gegenteil: Es gibt unheimlich viele Bodenschätze – aber diese werden einfach falsch verteilt oder es werden Waffen davon gekauft. Das ist die Tragödie Afrikas. Viele Experten sagen, dass die Entwicklungshilfe im Boden versickert. Grund dafür sind die korrupten Strukturen in dem Land. Das Geld kommt einfach nicht dort an, wo es hin soll. Es ist wichtig, dass Projekte vor Ort gefördert werden. Förderung zur Selbsthilfe sozusagen. Der Hauptgrund für die Armut ist Korruption. Die Grenzen zwischen den Staaten sind zu Kolonialzeiten relativ willkürlich festgesetzt worden. Deswegen leben heute verschiedenste Ethnien in einem Land zusammen und die haben kein Bewusstsein für ein Staatswesen. Sie haben nur Bewusstsein für ihre Clans und ihr Volk innerhalb dieser Völkergemeinschaft. Das macht die Sache so schwer.

Sie haben wahnsinnig viel in Ihrem Leben erreicht und zahlreiche Preise gewonnen. Auf was sind Sie besonders stolz?

Jürgen Tarrach: Auf meine Kinder. Wobei ich das Wort Stolz eigentlich komisch finde. Stolz hat irgendwie einen komischen Beigeschmack. Aber wenn ich auf etwas stolz bin, dann auf unsere Kinder, die total wohlgeraten und eine große Freude für uns sind. Und das ist etwas, das bleibt. Sie haben die Preise angesprochen, die ich gewonnen habe. Es ist sehr schön, Preise zu gewinnen, aber Preise sind flüchtig. Das ist nur ein kurzer Moment im Leben, aber die Kinder sind immer da. (pdp)