„Freiheit für alle“ schallte es 1848 durch das Deutsche Reich. Was aber für alle proklamiert wurde, galt nur für das männliche Geschlecht. Die Frauenrechtlerin Louise Dittmer sprach anlässlich der Wahl zur Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848, bei der keine Frauen, sondern nur besitzende Männer ab 25 Jahren vertreten waren, das aus, was damals gang und gebe war: Vor mehr als 150 Jahren hatten Frauen in Deutschland kein Wahlrecht, sie durften nicht arbeiten gehen und waren somit von ihren Ehemännern oder Vätern sozial und ökonomisch abhängig.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Frauenstimmrecht erstritten und – nach langem, zähmen Ringen – endlich erkämpft: 1919 trat in Deutschland die erste Frau an die Wahlurne. Doch anders als erhofft, übernahm die Einführung des Stimmrechts für alle keine Schlüsselfunktion auf dem langen Weg zu einer Gleichberechtigung der Frau.

Wer sich im Landauer Straßennetz gut auskennt, kann ohne zu zögern sagen, welche vier Frauen in der Geschichte der Stadt eine bedeutsame Rolle gespielt haben: Emma Maxon, Katharina Peters, Lina Kössler und Luise Harteneck wurden bei den ersten Kommunalwahlen, bei denen auch Frauen zur Stimmabgabe berechtigt waren, in das Landauer Parlament gewählt. 1920 markierte somit das erste Jahr in der Geschichte Landaus in dem das weibliche Geschlecht in der Politik vertreten war. „Nachdem das Frauenwahlrecht 1919 reichsweit eingeführt wurde, haben die Parteien vorausschauend gehandelt und Frauen auf gute Listenplätzen gesetzt“, erzählt Christine Kohl-Langer Stadtarchivarin von Landau. „Man ging davon aus, dass Frauen natürlich auch Frauen wählen. Das führte dazu, dass Landau 1920 die ersten vier Kommunalstadträtinnen hatte. Und nach diesen vier Frauen sind heute Straßen im Stadtgebiet benannt.“

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Kladderadatsch, Heft 3 1919: „Damenwahl am 19. Januar“. (Foto: AddF/Gustav Brandt)

Am 19. Januar 2019 wird deutschlandweit 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert – ein wichtiges historisches Ereignis, bei dem jedoch eines in den Hintergrund geraten ist: „Es ist wichtig, wenn man 100 Jahre Frauenwahlrecht feiert, gleichzeitig hervorzuheben, dass es vor 1919 auch kein allgemeines Männerwahlrecht gab. Das Wahlrecht war bis 1918 an das Einkommen bzw. an die Steuerleistung gebunden. Es ist nicht so, dass jeder Mann hätte wählen dürfen, ganz und gar nicht“, klärt Kohl-Langer auf. Gerade hier bei uns in Bayern – damals gehörte die Pfalz noch zu Bayern – galt ein strikteres Wahlrecht als anderswo. Männer mussten nachweisen, dass sie mindestens ein Jahr indirekte Steuern gezahlt haben. Wenn man von staatlicher Fürsorge lebte, durfte man nicht wählen. Und erst 1919 wurde das Wahlrecht von Männern auf 20 Jahre herabgesetzt, vorher durfte man erst mit 25 Jahren sein Kreuzchen setzen. „Somit markierte die Einführung des Frauenwahlrechts den Startpunkt für einen Demokratisierungsschub für die gesamte Gesellschaft“, so die Stadtarchivarin.

Bis dahin war es jedoch ein langer Weg. Das Frauenwahlrecht musste hart erkämpft werden. Vor allem auf konservativer Seite gab es eine große Skepsis gegenüber der Einführung des Stimmrechts für Frauen. Es gab sogar Bewegungen gegen die Einführung dieses: „Man vermutete, dass die Frauen radikal wählen könnten oder unzurechnungsfähig“, berichtet Christine Kohl-Langer. „Es würde dem weiblichen Wesen nicht entsprechen, wenn Frauen auf einmal ‚gezwungen werden‘, sich mit öffentlichen Themen zu beschäftigen. Frauen seien zuständig für die Hausführung und die Kindererziehung.“

Das Frauenwahlrecht alleine konnte jedoch damals wie heute keine allgemeine Gleichberechtigung bringen. Das Thema ist nach wie vor höchst aktuell. „Den Haushalt führen – das ist Frauensache“ und „Die Familie? – das macht Mutti“ – diese Sprüche sind heute noch hier und da zu vernehmen. Eine aktuelle Studie zeigt, das sich Frauen doppelt so häufig um den Haushalt kümmern, selbst wenn sie genauso viel oder gar mehr verdienen als ihr Mann. Im Bundestag ist eine politische Arbeitsteilung wahrzunehmen: Frauen sind auf bestimmte Politikbereiche festgelegt. So kann die Bundesrepublik bis heute keine Finanzministerin verzeichnen, wohingegen die Position als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchgehend von Frauen besetzt wurde. „Der Schlüssel zu einer Kehrtwende liegt in der Gesellschaftspolitik. Diese muss die Frauenwelt in ihrer Gesamtheit wahrnehmen und versuchen, dauerhaft Lösungen zu finden“, sagt Kohl-Langer. „Aber die Frau muss diese Kehrtwende auch wirklich wollen und einfordern und das sehe ich momentan nicht. Es wäre eindimensional zu behaupten, dass die gesellschaftliche Situation dazu führt, dass Frauen weniger in der Politik oder in höheren Positionen vertreten sind als Männer. Wir haben seit 100 Jahren ein Wahlrecht, wir können mitbestimmen und wählen und können unseren Mund aufmachen, daran hindert uns niemand.“