Vielen ist Antje Pieper heute noch als Moderatorin des Disney Clubs oder der Kindernachrichtensendung logo! in Erinnerung. Nach einer neunjährigen Tätigkeit als Auslandskorrespondentin in Italien und der Leitung des ZDF-Hauptstadtstudios in Rom leitet die sympathische Bayerin heute die ZDF-Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen stellvertretend und moderiert das auslandsjournal.

Vor vier Jahren sind Sie aus Rom nach Mainz zurückgekehrt. Neun Jahre lang haben Sie in Italien als Auslandskorrespondentin gearbeitet, heute sind Sie Moderatorin des auslandsjournals. Fehlt Ihnen manchmal das Reporterleben?

Antje Pieper: Ja, natürlich fehlt mir das. Aber auch beim auslandsjournal komme ich öfter mal raus. Wir produzieren rund viermal im Jahr ein auslandsjournal spezial, in dem wir eine halbe Stunde aus einem Land berichten. Vor der Wahl im März dieses Jahres haben wir zum Beispiel aus Russland berichtet. Im vergangenen Jahr gab es ein „auslandsjournal spezial“ aus dem Iran, davor waren wir in Saudi-Arabien. Das waren alles spannende Berichte. Demnächst reisen wir in die USA und berichten über die Midterm Elections. Und wenn es die Zeit erlaubt, mache ich auch selbst noch Beiträge und war zum Beispiel auch bei der Italienwahl vor Ort. Ich komme also noch raus (lacht). Aber natürlich errinnere ich mich sehr gerne an die Zeit als Auslandskorrespondentin – ich war ja über neun Jahre in Italien. Und mir fehlen die Stadt und das Land, aber ich bin auch sehr gerne in Deutschland und Mainz.

Ich stelle mir Ihren Beruf sehr abwechslungsreich und spannend vor. Man lernt unheimlich viele Länder, Menschen und Gebräuche kennen. Gab es in ihrem Reporterleben bestimmte Situationen oder Menschen, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Antje Pieper: Ich glaube, nach jedem Dreh bleibt etwas im Gedächtnis. Es gibt immer eine Situation oder eine Person, an die man sich besonders erinnert.

Antje Pieper moderiert das auslandsjournal. (Foto: ZDF/Rico Rossival)

Gibt es eine tragische Situation, an die Sie sich erinnern?

Antje Pieper: Tragisch war es immer, wenn es um die Flüchtlingskrise ging. An dem Thema war ich ja schon vor 2015 dran. In Italien, Griechenland und Malta hat man diese schon lange vorher erkennen können. Da gibt es viele Geschichten, die einem ans Herz gehen. Aber auch das Thema Mafia und Gespräche mit Mafia-Opfern lassen einen schlucken. Ich habe auch wahnsinnig mutige Menschen kennengelernt, die sich der Mafia entgegenstellen. Wer das tut, kann nicht mehr sicheren Fußes vor die Tür gehen und sich nur noch in einer Eskorte durch das Leben bewegen. Ich erinnere mich an einen Ladenbesitzer auf Sizilien, der die Mafia angezeigt hatte. Seine Familie und sein ganzes soziales Umfeld haben sich von ihm abgewandt, er wurde gemobbt. Seine Frau und seine Kinder sprechen nicht mehr mit ihm, er lebt in ständiger Angst – die traurigen Augen des Mannes sind mir sehr deutlich in Erinnerung geblieben. Diese persönlichen Schicksale gehen immer ans Herz.

Wenn Sie auf Sizilien waren, dann waren Sie bestimmt auch auf Lampedusa – können Sie mir Ihren Eindruck von den Flüchtlingen schildern, die dort zum ersten Mal europäischen Boden betreten?

Antje Pieper: Die Menschen sind voller Hoffnung, man sieht ihnen aber auch die Furcht an. Oft stehen diese Menschen bei ihrer Überfahrt Auge in Auge mit dem Tod. Sie nehmen ihn aber auch in Kauf, um ihren Traum zu erfüllen und nach Europa zu kommen. Es war schon früh absehbar, dass die Dublin 2-Regelung, also dass die Menschen in dem europäischen Land, das sie als ersten betreten, Asylantrag stellen, nicht funktionieren kann. Die meisten kommen ja eben in Italien und Griechenland an. Leider ist das weiterhin ein ungelöstes Problem.

Hinter Ihnen steht ein Bild, auf dem Sie und Papst Benedikt XVI. sich die Hände reichen – wenn Sie bei Drehs auf bekannte Persönlichkeiten treffen, bleibt dann auch Zeit, sich privat auszutauschen?

Antje Pieper: Bei Benedikt war ich total froh, dass er sich überhaupt die Zeit genommen hatte, ein Interview mit uns zu führen. Das war unmittelbar vor seiner Deutschlandreise. Bei anderen Aufeinandertreffen mit berühmten Persönlichkeiten bleibt manchmal schon etwas Zeit, sich auf einer etwas privateren Ebene zu unterhalten.

Gibt es Personen, die Sie gerne mal interviewen würden?

Antje Pieper: Ich habe eigentlich noch nie den Wunsch verspürt, diesen oder jenen Promi unbedingt kennenlernen zu müssen. Für mich geht es immer um den Menschen und seine Geschichte, ganz gleich ob es sich bei meinem Interviewpartner um einen mächtigen Präsidenten oder einen kleinen Fischer handelt. Den Rang des Menschen blende ich dann aus. Toll war es Roberto Saviano zu treffen, der Autor von „Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra“. Heute lebt Saviano unter Polizeischutz. Er kann richtig gut formulieren und als ich mit ihm ein Interview geführt habe, war ich sehr fasziniert von seiner Wortwahl.

Sie sagten am Anfang unseres Gesprächs, dass Sie dieses Jahr auch in Russland waren. Welchen Eindruck haben Sie von dem Land, den Menschen und der Stimmung dort?

Antje Pieper: Die Menschen in Russland sind immer sehr herzlich und offen. Ich hatte nie das Gefühl, Russland sei ein schwieriges Land. Die Angst, beobachtet zu werden, gerade bei den Oppositionellen, ist aber natürlich vorhanden, die spürt man deutlich. Da ist es schon schön, wieder nach Hause nach Deutschland zu kommen, weil man hier sagen kann, was man möchte, ohne Angst vor Sanktionen haben zu müssen. Wenn man aber nach Russland geht, um das Land einfach zu besuchen oder dort Urlaub zu machen, dann spürt man von dieser Unterdrückung nichts.

Als Journalistin müssen Sie dann immer ganz unvoreingenommen in das Land reisen…

Antje Pieper: Natürlich – obwohl der Mensch ja nie ganz unvoreingenommen ist. Man kommt ja als Journalist auch mit einer bestimmten Fragestellung in das Land. Aber ich habe die Antworten nicht im Kopf. Die Antworten versuche ich dann in dem Land zu finden – darin besteht objektive journalistische Arbeit.

Redakteurin Patrizia Di Paola traf Antje Pieper. (Foto: privat)

Ich gehe mal einen Schritt zurück: Ihre Anfänge waren beim Kinderfernsehen – Sie haben den Disney Club moderiert oder auch die logo!-Kindernachrichten. Als Auslandskorrespondentin standen Sie dann bei den Griechenland-Ausschreitungen im Tränengas. Das ist ein krasser Gegensatz. Wie empfinden Sie das?

Antje Pieper: Ich bin immer mit Neugier an die Sache gegangen, ganz egal, ob es sich um die Moderation von Kindernachrichten oder die Korrespondententätigkeit an Brennpunkten handelte. Insofern finde ich nicht, dass sich zwischen meinen Tätigkeiten von damals und heute so viel geändert hat. Man wächst auch mit seinen Aufgaben. Kindernachrichten werden nicht anders hergestellt als Nachrichten für Erwachsene. Kindernachrichten sind sogar meiner Meinung nach viel komplizierter zu produzieren. Komplizierte Sachverhalte müssen einfach ausgedrückt werden, ohne sie zu verfälschen. Dann muss man sie auch verstanden haben. Deswegen ist es nicht einfacher, Kindernachrichten zu machen, sondern manchmal auch schwerer. Wenn ich in Griechenland im Tränengas stehe, gehe ich dort auch mit der Intention hin, die Hintergründe zu verstehen.

Gab es Situationen, in denen Sie richtig Angst um Ihr Leben hatten?

Antje Pieper: Nein. Natürlich war es nicht schön, inmitten des Tränengases zu stehen. Als es damals auf dem Syntagmaplatz in Athen mit dem Tränengas losging, haben die Reporter neben mir mit Gasmaske moderiert. Als ich meine Schalte hatte, habe ich mir ein Tuch vor Mund und Nase gehalten – aber mit Gasmaske zu moderieren, fand ich ein wenig affektiert. Einmal war die Frage aus Mainz so lang, dass ich wirklich nicht mehr konnte und mir mittendrin wieder das nasse Tuch vorhalten musste. Ich kann mich auch an eine Situation erinnern, als vor mir die Straße brannte. Rechts und links waren die Randalierer zu Gange. Ich sollte dann zu einer Aufsagerposition, aber das war einfach nicht möglich und ich habe mich zurückgezogen und eine Telefonschalte gemacht. Natürlich dürfen wir uns auch zurückziehen, wenn es brenzlig wird.

Welchen Beruf hätten Sie ausgeübt, wenn Sie keine Reporterin bzw. Moderatorin geworden wären?

Antje Pieper: Internationale Politik hat mich schon immer interessiert. Ich hätte mir vorstellen können, bei der UNO zu arbeiten oder bei einem internationalen Verband. Aber auch das Reisen und fremde Länder interessieren mich sehr.

Worin unterscheidet sich die italienische von der deutschen Medienlandschaft?

Antje Pieper: In Italien gibt es tolle Zeitungen und viele tolle Journalistin. Das Phänomen Berlusconi hat mich damals sehr beschäftigt. Berlusconi war damals schon ein Vorläufer von Donald Trump. Auch Berlusconi hat sich gegen alles und jeden gestellt – er war gegen das herrschende System, er war ganz anders, er war der Milliardär. Damals wurde mir die Wichtigkeit von unabhängigen Nachrichten noch einmal richtig bewusst. Der Einfluss von Berlusconi war riesig. 80 Prozent der Italiener haben sich über das Fernsehen informiert – und seine Macht über dieses Medium war enorm. Den Wert eines breiten, öffentlich-rechtlichen Informationsangebots habe ich sehr früh schätzen gelernt.

Und im Allgemeinen? Wo lebt es sich besser: In Deutschland oder in Italien?

Antje Pieper: Ich bin in Italien ein Anhänger der deutschen Bürokratie geworden (lacht). In Deutschland wird unheimlich viel Wert auf Unterlagen und die Richtigkeit dieser gelegt – und da ist es egal, ob ich jemanden kenne. Ohne Papiere läuft bei uns nichts. Anders ist das in Italien: Da geht es oft schneller, wenn man jemanden kennt. Oder zumindest jemanden kennt, der jemanden kennt (lacht). Und das zieht sich durch alle Lebensbereiche. Auch im Krankenhaus wird man manchmal schneller aufgenommen, wenn man den Chefarzt kennt. Oder zumindest jemanden kennt, der den Chefarzt kennt. In Italien muss man auch mal versuchen einen Weg vorbei zu finden. Da muss man manchmal kreativ sein. (lacht)