Ihr Motto lautet „Austeilen, einstecken, durchboxen“. Welche Besonderheiten in Ihrem Leben stehen für diese Metapher?

Henry Maske: Ich habe mich nicht nur im bildlichen, sondern auch im wörtlichen Sinne durchboxen müssen. Mein Leben hat aber nicht immer nur im Ring stattgefunden, sondern vor allen Dingen außerhalb des Ringes. Auch die Vorbereitungen für die einzelnen Aktionen im Ring hatten vordergründig mit anderen Dingen zu tun: mit der Auseinandersetzung mit mir selbst, angefangen bei meinem Trainer, der natürlich höchstkritisch war. Das Hilfreichste, was man im Leben bekommen kann, ist Kritik von jemandem, dem man vertrauen kann, der einem helfen will. Er kritisiert dich nicht, um dich zu ärgern, sondern weil er dich weiterbringen möchte, und weil er dich schützen möchte – übertragen aus den Boxsport sogar im wahrsten Sinne des Wortes (lacht). Wenn man das verstanden hat, ist es nicht leichter, mit der Kritik umzugehen, aber sie ist verständlicher. Ich selbst bin immer selbstkritisch gewesen. Im Zuge der Zeit habe ich verstanden, dass es hilfreich ist, selbstkritisch zu sein. Es bringt dich voran. Mein Sport, mit dem ich früh begonnen habe, und die Erfahrungen, die ich gemacht habe, haben mir im Leben weitergeholfen. Vor allen Dingen die Niederlagen, auch wenn niemand Niederlagen mag. Es gibt zwei Möglichkeiten an eine Sache heranzugehen: Man kann es sein lassen, weil man denkt, dass man sowieso keine Chance hat, oder aber man arbeitet daran, sich zu verbessern. Ich habe mich für die zweite Möglichkeit entscheiden. Diese Einstellung hat meinen Charakter sehr geprägt. Ich kann Ihnen jetzt gar nicht sagen, welches konkretes Ereignis für die Metapher steht. Es ist vielmehr ein Fluss von Vielem. Vor allen Dingen sind es aber die Erfahrungen durch meine Niederlagen. Und wenn wir ehrlich zueinander sind, trifft das auf jeden von uns zu: Eine Niederlage, egal welcher Form, analysiert man viel intensiver als einen Sieg.

32 Kämpfe, eine Niederlage – ist Ihnen diese immer noch ein Dorn im Auge oder ist sie eher eine Motivation für Sie?

Henry Maske: Vor meiner Profikarriere gab es eine lange Amateurkarriere und die hatte für mich eine ebenso große Bedeutung wie die Profikarriere. Sie hat mir sicher nicht das Finanzielle eingebracht, aber deswegen war sie nicht weniger belastend. Und da musste ich einige Niederlagen einstecken. Ich kann mich eigentlich noch an jede einzelne erinnern, weil jede dieser Niederlagen mich weitergebracht hat. Die Niederlage, die ich bei den Profis erfahren hab, bei meinem letzten Kampf, die ließ mich natürlich im Zuge der Zeit wieder völlig normal schlafen. So erwachsen bin ich schon, zu begreifen, dass mit dieser Niederlage nicht mein Ende festgesetzt war. Zehn Jahre nach der Niederlage habe ich etwas total Beklopptes gemacht. Das hatte damals niemand gebraucht, aber wenn ich heute darüber nachdenke, kann ich sagen, dass es mir guttat (lacht).

Henry Maske trägt sich in das Goldene Buch der Stadt Landau ein. (Foto: pdp)

Was haben Sie denn „Beklopptes“ gemacht?

Henry Maske: Ich war zehn Jahre nach der Niederlage noch einmal motiviert, mich für einen Kampf vorzubereiten. Ich habe 55 Wochen lang hart trainiert, für einen Kampf, für ein Ziel, für einen Moment und glücklicherweise ist es mir auch gelungen. Das hätte ja auch ganz anders ausgehen können. Der Ursprung für diese Motivation war die Niederlage gegen Virgil Hill 1996. Damit ist aber meine Niederlage aus dem ersten Kampf nicht korrigiert, die bleibt für immer.

Was würden Sie einem Menschen entgegnen, der sagt: „Boxen ist einfach nur ein brutaler Sport, da stehen zwei Menschen in einem Ring und schlagen sich“?

Henry Maske: Bei den Kämpfen, an die Sie gerade denken, muss ich die Aussage unbedingt und genauso bestätigen. Aber es gibt auch andere Kämpfe, qualitativ hochwertige Kämpfe. Da kann man sehr wohl und sehr große Unterschiede erkennen. Da kann man richtige Strategien erkennen. Wie denkt der Boxer, was denkt er, welchen Schritt macht er als nächstes und was genau erhofft er sich durch die Handlung. Natürlich geht es am Ende immer um den Schlag, weil nur dieser den Punkt bringt. Aber bis es soweit kommt, passiert sehr viel. Da stehen sich zwei Leistungssportler gegenüber und beide kämpfen darum, dem anderen klarzumachen, der Bessere zu sein. Das ist ein Prozess und der ist nicht darauf zu reduzieren, den anderen niederzustrecken. Diese einfachen Kämpfe gibt es auch, ja, aber in den qualifizierten Kämpfen, wie ich sie beschrieben habe, da ist weitaus mehr drin. Wenn ich darüber nachdenke, bekomme ich Gänsehaut. Ich verstehe aber auch die Kritiker, wenn ich eine Zeitlupe von einem Boxkampf sehe. Das ist nichts, was ich meinem Sohn ans Herz legen würde.

Sie gelten als Gentleman im und auch neben dem Ring. Sehen Sie sich als Vorbild?

Henry Maske: Ich habe mich während meiner aktiven Zeit nicht als Vorbild gesehen und ich habe auch nie versucht, mich als solches in Szene zu setzen. Eine gewisse Verantwortung habe ich aber schon immer gehabt, das ist ganz normal als Person des öffentlichen Lebens. Dann ist es schon gut, wenn man mit sich selber „agree“ ist, wenn man die Dinge, die man macht, vertreten kann. Ich glaube, dass man sich so sehr viel wohler fühlt als wenn es einem egal wäre, was die anderen Menschen über einen denken. Solange man sich nur für sich betrachtet bewegt und alles um sich herum ausblendet, kann man machen, was man will, das ist auch völlig in Ordnung, aber wenn ich mich aber in der Öffentlichkeit bewege, muss ich Rücksicht nehmen auf die Menschen um mich herum.

Ein Gespräch nicht ganz auf Augenhöhe. (Foto: privat)

Im Sport haben Sie ausgeteilt, Sie mussten aber auch oft einstecken. Wie war das nach Ihrer Boxkarriere – gab es da auch Momente, in denen Sie ausgeteilt haben und einstecken mussten?

Henry Maske: Selbstverständlich, das zeichnet das Leben ja aus. Wenn das Leben so wäre, wie es im Boxsport ist, wäre es ein Stück weit fairer. Beim Boxen gibt es einen dritten Mann, der immer darauf achtet, dass alles korrekt läuft. Dann gibt es aber noch die Punktrichter und die können schon mal eine Unkorrektheit reinbringen, weil sie mit ihren Beurteilungen auch falsch liegen können. Im besten Fall gewinnt immer der Bessere, es passiert immer das Richtige und es sitzt immer derjenige am längeren Hebel, der sich am meisten bemüht hat – so ist das Leben leider nicht. Das Leben ist kein Zuckerschlecken.

Ich habe 1995, damals als Achtjährige, Ihren legendären Kampf gegen Graciano Rocchigiani im Fernsehen verfolgt und war sehr bestürzt, als ich Anfang Oktober von seinem Tod erfahren habe. Wie ging es Ihnen, als Sie davon hörten?

Henry Maske: Graciano hat eine wichtige Rolle in meiner sportlichen Karriere gespielt, auch aufgrund der beiden bedeutsamen Kämpfe, die wir gegeneinander ausgetragen haben. Auch nach meiner Boxkarriere war er immer Teil meiner Gedanken. Wir haben, so unterschiedlich wir auch waren, eine gemeinsame Ebene gefunden. Wir waren uns viel ähnlicher als man meinen könnte. Wenn man sich abseits der Emotionen eines Boxkampfs begegnet, lernt man sein Gegenüber besser kennen. Wir hatten das Glück, uns besser kennenlernen zu können. Nachdem ich mit seinem Tod konfrontiert wurde, war ich er zunächst sehr überrascht und bestürzt. Einige Zeit später, nachdem man das Geschehene akzeptieren musste, machte sich auch ein gutes Gefühl in mir breit. Ein gutes Gefühl, weil Graciano und ich miteinander „klar“ waren, zwischen uns war alles geklärt.

Was ist das für ein Leben nach der großen Box-Karriere? Was für ein Mensch sind Sie heute?

Henry Maske: Ich hatte das große Glück, finanziell abgesichert zu sein. Ich konnte mir nach Beendigung meiner Karriere Zeit nehmen, zu entscheiden, was ich als nächstes mache. Ich wollte eigentlich immer Trainer werden, hatte mich dann aber doch entscheiden, es nicht zu tun. Irgendwann bin ich dann Franchise-Nehmer von McDonald’s geworden, und das mache ich seit über 18 Jahren. Ich habe dabei eines verstanden, etwas, das man als Boxer, als Einzelkämpfer verstehen muss: Du musst kapieren, dass du im Ring für dich alleine verantwortlich bist. Übertragen auf das Leben heißt das, dass du vieles selbst verantworten musst, das, was du tust und auch das, was du lässt. Ich hatte Situationen in meinem Leben, da bin ich nach vorne gegangen und als ich mich umgedreht habe, war niemand mehr da – ich war viel zu schnell. Heute habe ich einen Weg gefunden, meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, aber gleichzeitig auch auf das Tempo meiner Mitarbeiter zu achten. Aber nach wie vor spielt die Leistungsbereitschaft in meinem Leben eine große Rolle.