Von Moni Bauer

Herr Meuser, Sie haben sich entschlossen, zusammen mit Ihrer Frau und Ihren drei Kindern seit dem 1. Januar 2019 auf Plastik nahezu zu verzichten.

Maik Meuser: Ja, wir haben versucht, Plastik in unserem Leben zu reduzieren. Wirklich plastikfrei leben schaffen wir nicht, ich glaube, das ist auch gar nicht mehr möglich. Aber wir versuchen, uns überall da, wo Plastik für uns keinen Sinn macht, davon zu trennen.

Was hat Sie denn dazu bewegt? Gab es einen Auslöser, nach dem Sie sagten: „Wir müssen jetzt selbst etwas tun“, oder war es nur ein Neujahresvorsatz, der sich dann doch zu etwas Größerem entwickelt hat?

Maik Meuser: Das war’s. (lacht) Meine Frau und ich saßen tatsächlich an Silvester zusammen und haben darüber geredet, was uns im vergangenen Jahr beschäftigt hat und was wir im nächsten Jahr anders machen möchten. Und da wir beide auch beruflich mit dem Thema „Plastikwahnsinn“ zu tun hatten, kamen wir darauf, dass wir versuchen möchten, uns selbst an der Nase zu packen. Wir wollten das aber immer so machen, dass wir zum einen die Kinder dabei nicht verlieren, sondern sie dafür begeistern können, und zum anderen, dass uns dadurch kein zusätzlicher Stress entsteht, schließlich sind wir ja beide auch voll berufstätig. Jetzt sind wir mittlerweile seit anderthalb Jahren dran. Es wird allerdings im Laufe der Zeit etwas schwieriger. Am Anfang kann man ganz viel verändern. Man schaut sehr achtsam auf sich und seine Umwelt und sieht auf einmal Dinge, die man im Alltag meistens ausblendet. Mittlerweile müssen wir schon gezielt suchen, an welchen Stellen wir noch etwas verändern können, um noch mehr Plastik zu reduzieren. Vieles ist jetzt einfach schon zur Gewohnheit geworden, beispielsweise beim Einkaufen: Keine Einkaufstüten mehr mitnehmen, zu unverpacktem Obst und Gemüse greifen oder Milch und Joghurt im Glas kaufen. Aber jetzt müssen wir schon ins Detail gehen, um noch Dinge zu verändern.

Im Hinblick auf die zunehmende Müllverschmutzung unserer Umwelt stellt sich die Frage: Wieviel Plastik muss wirklich sein? (Foto: Freepik)

Ich stelle mir das alles nicht so einfach vor, insbesondere mit Kindern. Wie haben Sie sie denn für Ihr Vorhaben beigeistern und mit ins Boot nehmen können?

Maik Meuser: Tatsächlich war es viel einfacher, als man glaubt, weil Kinder einfach großartig sind! Unsere Kinder waren total begeisterungsfähig und kreativ. Sie durften Stoffbeutel bemalen, die wir jetzt immer mit zum Einkaufen nehmen, und hatten tolle Ideen. Für sie war es auch wichtig, dass wir nicht einfach Lego und Playmobil aus dem Spielzimmer verbannt haben. Dass das nämlich auch Plastik ist, haben sie ganz schnell verstanden. Aber im Gespräch haben wir eben geklärt, dass das nicht unbedingt das Plastik ist, was wir reduzieren wollen. Aber auch da haben wir eine Lösung gefunden, denn es gibt bei uns einen kleinen Laden, der gebrauchtes Lego verkauft. Das ist nicht nur im Hinblick auf Nachhaltigkeit toll, sondern man findet auch Sachen, die schon gar nicht mehr auf dem Markt sind. Und so geht das mit den Kindern ganz fantastisch und sie verinnerlichen so etwas ganz schnell. Etwa ein halbes Jahr, nachdem wir mit der Umstellung angefangen hatten, war ich mit meinem Sohn einkaufen. Wir standen an der Kasse und hatten unser Obst und Gemüse einzeln auf das Kassenband gelegt. Es hatte sich schon eine kleine Schlange gebildet und direkt hinter uns stand ein älterer, etwas ungeduldiger Herr, der die ganze Zeit schon etwas grummelte und sagte, wir sollten die Kassiererin nicht so strapazieren. Diese meinte daraufhin, es sei schon gut so, und wenn das alle so machten, würde sich endlich was verändern, woraufhin der ältere Herr so richtig anfing zu meckern. Nach dem Einkauf wollte ich mit meinem Sohn noch einmal über die Situation im Supermarkt sprechen und fragte ihn: „Wie war das denn für dich? Der war schon etwas komisch, der Mann, oder?“ Darauf meinte er: „Ja, aber – Papa – der hat bestimmt keine Schildkröte.“ (kurze Pause)

Aha.

Maik Meuser: (lacht) Ja, ich wusste auch erst nicht, was er meinte, und fragte nach. „Der weiß vielleicht nicht, dass die Schildkröten im Meer den ganzen Plastikmüll fressen und davon krank werden oder sogar sterben“, erklärte mir mein Sohn. Und in diesen Momenten hat man dann schon mal Tränen in den Augen und denkt: „Alleine dafür war es das schon wert!“

Kinder gehen da wohl mit einer ganz anderen Selbstverständlichkeit an die Sache ran.

Maik Meuser: Ja, und mit einer ganz anderen Leidenschaft. Wir machen zum Beispiel auch unser Eis selber, aber wenn es eben gar nicht anders geht, wird auch mal eines in der Verpackung gekauft. Wichtig ist nur, dass die Kinder wissen, eigentlich wäre es besser, wenn wir das verpackte Eis jetzt nicht gekauft hätten. Sie bekommen ja auch verpackte Dinge von anderen geschenkt und freuen sich darüber, sagen aber im gleichen Atemzug: „Aber das ist ja in Plastik verpackt!“ Allein das Darüber-Nachdenken und ein Bewusstsein dafür entwickeln funktioniert mit Kindern ganz toll.

„Aber Papa – der weiß vielleicht nicht, dass die Schildkröten im Meer den ganzen Plastikmüll fressen und davon krank werden oder sogar sterben.“ (Foto: Freepik)

Das heißt, Ihr Verzicht auf Plastik betrifft hauptsächlich Verpackungen und Einweg-Dinge? Sie erwähnten ja vorhin, dass es nicht möglich ist, sämtliches Plastik zu verbannen: Es gibt schließlich Plastik auch in Schuhen, in Kleidern oder auch der Spülmaschine – auf die man ja auch nicht verzichten möchte.

Maik Meuser: Ja, das stimmt. Was wir aber auch gemacht haben, ist, unsere Lebensmittel nicht mehr in Plastik zu lagern. Wir möchten vermeiden, dass das Mikroplastik, das sich zum Beispiel durch die Fette in den Lebensmitteln aus den Kunststoffdosen löst, in das Essen und damit auch in unsere Umwelt übergeht. Wir kaufen zwar mit Kunststoffboxen Wurst und Käse ein, laden aber zu Hause dann sofort in verschließbare Glaschalen um. Oder wir versuchen, Zahnbürsten aus Bambus oder Holz zu kaufen. Ob sich bei Sporttrikots, die ja ganz aus Polyester bestehen, im Kontakt mit der Haut Mikroplastik löst, ist zwar noch umstritten, aber wir haben trotzdem versucht, auf Polyester in Kleidung weitestgehend zu verzichten. Wichtig ist bei der ganzen Sache allerdings auch, das „Maß der Mitte“ nicht zu verlieren. Deshalb haben wir unseren Blog geschrieben. Zum einen, um uns selbst zu animieren, weiter zu machen, und zum anderen, um auch andere zu motivieren. Manchmal genügt es, nur Kleinigkeiten zu ändern – wenn es eben alle machen. Es gibt sie natürlich, diese wunderbaren Menschen, die es schaffen, am Ende des Jahres ihren Müll in ein Marmeladenglas zu pressen, aber davon haben wir alle relativ wenig. Aber wenn von den 83 Millionen Menschen in Deutschland auch nur die Hälfte zwei oder drei Dinge ändern würde, wäre das eine riesige Bewegung. In einen Satz gepackt: „Mit kleinen Dingen viel erreichen, ohne sich selbst dadurch das Leben wahnsinnig schwer zu machen.“

Wo fängt man denn an, sein Leben diesbezüglich umzustellen? In der Küche bei den verpackten Lebensmitteln?

Maik Meuser: Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir sogar im Bad angefangen. Der erste Schritt ist eigentlich die Bestandsaufnahme. Mal ganz bewusst zu schauen, wo denn tatsächlich überall Plastik ist. Daraufhin bekommt man erst mal einen Riesenschreck. Und dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder man sagt: „Oh je, das schaffe ich nie!“, oder man sagt: „Wow, wenn das so viel Plastik ist, dann kann ich ja auch ganz einfach ganz viel reduzieren!“ Und das war eher unser Ansatz.

Und wenn es jetzt um solche Dinge geht, wie Zahnpastatuben und Haarshampoo oder Duschgel? Auch das ist ja in Plastikflaschen oder -tuben verpackt.

Maik Meuser: Also Haarshampoo geht super. Mittlerweile auch viel leichter, als das noch vor anderthalb Jahren der Fall war. Man bekommt in den Drogeriemärkten Shampooseife, die wie eine Seife aussieht, aber anders schäumt. Und verpackt ist sie in einem kleinen Karton. Bei der Zahnputzgeschichte ist meine Familie allerdings ausgestiegen. Ich selbst benutze Zahnputztabletten, die wie kleine Bonbons aussehen. Die werden in den Mund genommen und gekaut und dann wird geputzt. Die schäumen aber nicht so doll. Und in der Dusche kann man dann nur noch Seife verwenden. Ich habe übrigens meine Leidenschaft für Seifen neu entdeckt. Man braucht nämlich auch gar nicht so viel davon. Auch Geschirrspülmittel ist ganz einfach selbst herzustellen. Selbst Klarspüler für die Spülmaschine kann man mit Essig und Wasser prima ersetzen. Es gibt eben für alles viele kleine Tricks und Möglichkeiten, es anders zu machen. Wir haben natürlich auch sehr viel ausprobiert und auch so manche lustige Erfahrung gemacht, nach der man dann sagt: „Okay, das hat jetzt nicht so funktioniert.“ Wie zum Beispiel das Roggenmehl-Shampoo. (lacht)

Aber immerhin eine neue Erfahrung.

Maik Meuser: Ja, man muss das vielleicht als keines Spiel ansehen. Ein Spiel, bei dem wir im Endeffekt alle nur gewinnen können.

Haben Sie denn auch seit diesen anderthalb Jahren einen Kassensturz gemacht?

Maik Meuser: Den haben wir so konkret nicht gemacht. Aber ich denke, dass es in etwa auf dasselbe rauskommt. Das Gute ist, dass die Industrie ja mittlerweile auch mitzieht. Die Shampooseife zum Beispiel ist nicht teuerer als das herkömmliche Produkt. Gleichzeitig habe ich aber wesentlich weniger Müll und die Shampooseife hält natürlich auch viel länger, ist also viel ergiebiger. Ich glaube nicht, dass wir viel mehr Geld ausgegeben haben als vorher. Man kauft auch gezielter und weniger ein und vieles macht man günstig selbst.

Herr Meuser, wenn man Ihnen so zuhört, bekommt man schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Geben Sie doch mal einen Tipp, was man selber machen kann.

Maik Meuser: Einfach mal schauen: Wo habe ich überall Plastik und wo brauche ich es auch tatsächlich? Alternativen suchen. Und dann beim Einkaufen anfangen. Einkaufen vorbereiten. Baumwollbeutel oder Gemüsenetze mitnehmen, evtl. auch zwei oder drei Frischhalteboxen, wenn man Käse, Wurst oder Fleisch kaufen möchte. Und dann eben nur das einkaufen, was man auch wirklich verbraucht. Danach schaut man mal ins Bad und wenn alle Duschgel- und Shampooflaschen leergemacht sind, stellt man um auf Shampooseife oder Seifenstücke anstatt Duschgels. Sie merken dann wahrscheinlich selbst: „Wow. Das ist cool. Geht eigentlich ganz einfach.“ Kleinigkeiten ändern. Joghurt gerne in Glasflaschen kaufen. Wasser kann man selber sprudeln oder ohne Kohlensäure direkt aus dem Hahn trinken. Man muss sich kleine Ziele setzen und nicht alles auf einmal wollen. Vielleicht alles ein bisschen spielerisch sehen.

Sie erwähnten einmal in einem Fernsehgespräch, dass Sie andere nicht mit erhobenem Zeigefinger zu demselben Lebenswandel, den Sie gewählt haben, belehren möchten, sondern dass Sie andere „positiv irritieren“ möchten. Wie genau haben Sie das gemeint?

Maik Meuser: (lacht) Das, was Ihnen passiert ist. Ein bisschen ein schlechtes Gewissen zu haben. Obwohl ich das jetzt gar nicht provozieren wollte. Aber zum Beispiel die Kassiererin, die uns beispringt und dem meckernden Herrn sagt: „Das passt schon so, wenn das alle machen würden, wäre schon viel gewonnen.“ Oder im Supermarkt stand einmal eine Frau neben mir an der Frischtheke und fragte mich: „Haben Sie jetzt die Dose selbst mitgebracht?“ Und ich sagte: „Ja, ich weiß, ich brauche nur 300 Gramm Schnittkäse, der passt genau hier rein und ich habe keinen Verpackungsmüll.“ Und die Frau meinte: „Ach, das ist ja eine tolle Idee! Das mache ich auch mal.“ So meinte ich das. Klar, wir schreiben auch unseren Blog und möchten schon auch Andere erreichen. Aber wir schicken den jetzt nicht täglich an unsere Freunde und sagen: „Hast schon gelesen? Morgen fragen wir dich ab!“ Das kann ja jeder freiwillig entscheiden, ob er unseren Blog liest und ob er ihm gefällt. Wer uns konkret fragt, bekommt eine Antwort, aber wer uns nicht fragt, dem legen wir auch nichts vor die Nase und sagen: „Ihr müsst das genauso machen wie wir, sonst werden wir alle unter gehen!“ Das ist nicht unser Ding.

Maik Meuser moderiert u. a. „RTL aktuell“ oder das „RTL Nachjournal spezial“. (Foto: Moitz Jansen/honorarfrei)

Im Laufe der vergangenen anderthalb Jahre hat sich ja schon etwas verändert und auch ein Umdenken beim Konsumenten hat – wenn auch zögerlich – schon stattgefunden. Auch der Einzelhandel oder sogar die Discounter haben sich schon ein bisschen auf die neue Art einzukaufen eingestellt.

Maik Meuser: Ja, total. Natürlich könnte es noch besser sein und noch weniger Verpackungsplastik in den Regalen liegen, aber es ist schon sehr viel passiert. Unser Supermarkt hat auch nach einem halben Jahr selbst Dosen zum Mitnehmen verkauft, in welche sie dann Wurst, Fleisch oder Käse einpacken. Und es gibt einen Verpackungsfrei-Bereich, in dem – ähnlich wie im Unverpackt-Laden – Bohnen, Rosinen, Müsli und Ähnliches angeboten wird. Oder auch die Gemüsenetze, in denen man loses Gemüse abwiegen kann, und die viele Märkte bereits im Sortiment haben, sind ein Zeichen dafür, dass schon einiges passiert ist. Es gibt mittlerweile auch mehr Produkte, auf die man ausweichen kann. Im Allgemeinen glaube ich allerdings, dass Lebensmittel bei uns einfach nicht genügend wertgeschätzt werden. Die sind viel zu billig, und daher landen sie auch so schnell im Müll – man kann ja günstig was nachkaufen. Auch hier ist es wichtig, nachzudenken: „Brauche ich das wirklich alles, oder reicht nicht weniger?“ Aber das muss jeder für sich entscheiden.
Trotz allem müssen wir aber erst selbst mal aus dem Quark kommen und das Heft in die Hand nehmen, bevor wir die Politik oder den Handel in die Pflicht nehmen dürfen.
Maik Meuser: Genau. Je mehr wir machen, desto mehr zieht die Industrie nach und desto größer kann auch der Druck auf die Politik werden. (bam)

https://www.familie-plastik.org