Wörth. Ernst Fuchs wurde am 1. Januar 1930 in Offenbach bei Landau geboren. Mit 91 Jahren erfreut er sich guter Gesundheit und ist gegen Corona geimpft. Er steckt voller Erinnerungen, mit denen man ein ganzes Buch füllen könnte. Eine Auswahl aus den Gesprächen geben wir hier wieder. Es spricht Ernst Fuchs:

Anfang 1930 stand meine Oma an der Straße, da kam eine Verwandte vorbei und hat gesagt: Prost Neijohr, ich wünsch eich en Bub mit rode Hoor. Darauf hat die Oma gesagt: Gehscht grad nei, drin liegt er. Da war ich auf der Welt.

Mein Großvater mütterlicherseits war Schmied. Er ist krank aus dem Ersten Weltkrieg heimgekehrt und früh gestorben. Die Oma musste drei kleine Kinder aufziehen und zum Lebensunterhalt ein paar Äcker bewirtschaften. Als einmal ein jüdischer Händler zu ihr kam und ihr etwas verkaufen wollte, hat sie zu ihm gesagt: Brauchen könnte ich schon was, aber ich habe kein Geld. Und hat ihm ihre Geschichte erzählt. Daraufhin hat er sie unterstützt. Er hat ihr andere Juden vermittelt, fliegende Händler, die haben ihre Räder bei ihr eingestellt und Pakete gelagert, und wenn sie gegangen sind, haben sie ihr etwas gegeben. Das hat sie über Wasser gehalten. Einer hat ihr einmal ein Rind geschenkt und gesagt, wenn es kalbt, soll sie ihm das Kälbchen geben. Das alles haben wir nie vergessen.

Wie das mit den Judenschikanen losgegangen ist, ist Onkel Fritz bei der SA ausgetreten. Er hat gesagt, das macht er nicht mit. Da hätten sie ihn beinahe gelyncht.

Zu meiner Oma habe ich Mutter gesagt, zu meiner Mutter Mama. Wir wohnten im gleichen Haus. Manchmal habe ich noch Hunger gehabt und sie gefragt: Hast du noch ein Stückchen Brot? Da hat sie mir ein Knörzel gegeben.

Als Kind hatte ich Diphtherie und musste im Bett bleiben, während die anderen aufs Feld gingen. Sie haben gesagt, ich darf nicht auf den Boden. Da bin ich vom Bett auf den Schrank geklettert, vom Schrank auf den Tisch, und so im ganzen Zimmer herum. Wie sie heimgekommen sind, habe ich gesagt: Ich bin aber nicht auf dem Boden!

Einmal haben wir ein Fahrradrennen gemacht, bis an den Fußballplatz und wieder zurück. Ich hatte einen hintendrauf. Wir sind gestürzt, ich war bewusstlos. Ein paar Tage lag ich daheim im Bett. Es wurde nicht besser. Die Eltern brachten mich ins Krankenhaus. Ich hatte Eiter am Bart, ein Stück Knochen war abgesplittert, ich musste operiert werden. 

Neben mir lag ein anderer Bub im Zimmer, der hat mit seinem Korken-Gewehr immer auf mich geschossen. Ich habe zu ihm gesagt, hör auf. Er hat weitergemacht. Da habe ich den Gewehrlauf geschnappt und ihm eine übergezogen. Er hat dann einen Kopfverband gebraucht. Wie seine Eltern gekommen sind, haben sie ihn nicht mehr erkannt. Hätte er nur aufgehört!

Mein Vater war im Musikverein Edelweiß Offenbach, dadurch habe ich früh Instrumente spielen gelernt. 1937 hatten wir Einquartierung, eine Artillerie-Einheit aus Darmstadt, wir haben nur gesagt die Darmstädter Soldaten. Die waren am Westwall. 1938 kamen die von der BE (Beobachtungseinheit) 33. Abends haben sie oft noch beim Pfalzwirt gegenüber gefeiert, das war ein Cousin meiner Oma. Manchmal haben sie mich geholt, eine Sprudelkiste auf den Tisch gestellt, dann habe ich auf der Bandonika gespielt und sie haben dazu gesungen. Einmal wollte mich die Oma holen, es wäre Zeit fürs Bett, da hat ein Soldat gesagt: langsam, ist rumgegangen und hat gesammelt und eine Handvoll Geld auf den Tisch geleert. Da war ich stolz wie ein Spanier.

Ernst Fuchs mit Bandonika und einquartierten Soldaten (1938). (Foto: ebl)

Zwei Soldaten logierten bei uns in der Hinterstube. Unteroffizier Fischer hatte ein Instrument auf dem Bett liegen. Ich war vorwitzig und habe heimlich versucht, darauf zu spielen. Plötzlich stand er in der Stube. Ich bin erschrocken. Brauchst keine Angst zu haben, hat er gesagt, wenn du mir versprichst, dass du sie lernst, schenke ich sie dir. Von meinem Vater habe ich dann erfahren, dass es eine Mandoline ist. Die spiele ich heute noch.

Über die Mandoline habe ich meine Frau Lore kennengelernt. Sie war im Musikverein Edelweiß zuerst bei den Zitherspielerinnen. Als die Zithergruppe aufgelöst wurde, hat unsere Dirigentin, die Frieda, zu ihr gesagt: Du könntest auch Mandoline spielen. Danach war sie neben mir gesessen, wir haben beide erste Stimme gespielt. So sind wir uns näher gekommen. 1958 haben wir geheiratet. 

Ernst Fuchs mit seiner Frau Lore. (Foto:ebl)

In Offenbach sind wir Jungen nach der Schule gleich zur Feuerwehr gekommen. Es war noch Krieg. Damals standen wir mit 14, 15 Jahren schon unseren Mann. Man hat nicht so viel Angst gehabt wie heute.

Ich habe noch im Krieg eine Lehre als Wagner in Bornheim angefangen. Einmal, ich bin gerade zu Bornheim reingeradelt, habe ich gesehen, dass in Offenbach Bomben fallen. Da habe ich zum Meister gesagt: Ich will heim zur Feuerwehr. Er hat gesagt: Bleibe hier, die Flieger sind noch in der Luft. Ich bin trotzdem gefahren und bis zum Dreihof gekommen. Dort haben sie die Bahnlinie angegriffen. Plötzlich sind drei Jabos (Jagdbomber) auf mich zugedreht. Der eine hat gleich angefangen, ratatat, die Geschosse habe ich sirren hören, ich habe mich in den Straßengraben geworfen. Wie sie drüber weg waren bin ich schnell weitergeradelt und habe mich im Wald unter einer Bachbrücke versteckt. Damals hat es in Offenbach mehrere Tote gegeben, eine Frau wurde durchs Fenster beim Bettmachen tödlich getroffen. (ebl)

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