Noah Roth mit seiner Lebensgefährtin. (Foto: privat)

„Ich kann nicht in den Sommerurlaub, ich kann nicht die Kleidung tragen, die ich möchte, ich muss mich nach dem Duschen immer sofort anziehen, da ich mich selbst nicht sehen möchte – ich bin in meinem Leben komplett eingeschränkt! Ich habe das Glück, eine Partnerin gefunden zu haben, die mich so liebt, wie ich bin und geduldig ist. Aber ich kann mich in unserer Beziehung natürlich nicht so öffnen, wie ich das gerne würde. Für mich kommt es also nicht in Frage, noch weitere Jahre meines Lebens zu verschenken!“, sagt Noah Roth. Sein Ziel ist es, seine Geschlechtsangleichung endlich abzuschließen.

Mehrere Jahre bereits kämpft er dafür, komplett als Mann leben zu können. Hormontherapie, psychologische Gutachten, Alltagstest und viele Behördengänge hat er bereits hinter sich. Nur der letzte Schritt – eine geschlechtsangleichende Operation – fehlt noch. Seine gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten jedoch nur für ein aufwendiges und vor allem langwieriges Verfahren, das aus mehreren Einzeloperationen besteht. Das möchte Noah Roth nicht akzeptieren: „Es gibt auch ein so genanntes ‚All-In-One-Verfahren. Das ist mit weniger Schmerzen verbunden, die psychische Belastung ist geringer, die Dauer der Krankschreibung ist deutlich kürzer – und es ist insgesamt sogar um einiges günstiger als das, was meine Kasse übernehmen möchte.“

Er hat kein Verständnis dafür, dass sich die Krankenkasse so unflexibel zeigt und deswegen gemeinsam mit seiner Familie die Sache nun selbst in die Hand genommen. Mit Hilfe einer Crowdfunding-Aktion und einer aufgenommen Hypothek wird er die Wunsch-OP zunächst selbst bezahlen. Gleichzeitig klagt er vor Gericht aber auch gegen seine Krankenkasse, um die Übernahme der Kosten doch noch zu erwirken.

Die Ungeduld ist mehr als verständlich: Noah Roth hat bereits einen langen Weg hinter sich, der nicht immer einfach war. Schon während seiner Kindheit zeichnet sich ab, dass er – damals noch sie – kein „typisches“ Mädchen ist. Spätestens aber mit der Pubertät wird klar, dass etwas grundlegendes nicht stimmt: „Ich kam mit den körperlichen Veränderungen überhaupt nicht zurecht! Und ich habe in der Zeit auch gemerkt, dass ich mich überhaupt nicht für Jungs interessiere. Ich habe mich selbst als heterosexuellen Mann wahrgenommen“, erzählt der 24-Jährige. Und er fasst damals schon den Mut, sich einigen Freunden anzuvertrauen. Aber die Reaktionen haben ihm nicht den nötigen Rückhalt gegeben. Seine Freunde reagierten eher neutral, wussten nicht wirklich etwas mit der Situation anzufangen. „Wir waren mitten in der Pubertät, die wenigsten konnten etwas mit meiner komplexen Situation anfangen.“ Von Außenstehenden musste er damals auch Anfeidungen aushalten.

Sich weiter zu outen hat er sich damals deswegen zunächst nicht getraut. Dieser enorme psychische Druck hat allerdings zu Depressionen geführt und dazu, dass er sich selbst verletzt hat, weswegen er auch in psychologische Behandlung kommt. „‚Fühlst du dich selbst wie ein Mädchen?‘, das hat mich meine Psychologin damals schon gefragt und nicht mal ihr gegenüber konnte ich ehrlich sein. Ich habe die Frage bejaht, obwohl ich wusste, dass es nicht stimmt.“ Erst als Noah nach dem Abitur zum Studieren nach Thüringen zieht, traut er sich ein Outing zu. Die Menschen, die er dort neu kennenlernt, sollten ihn von Anfang an so kennenlernen, wie er ist. Und damit hat er dann auch gute Erfahrungen gemacht: „Ich habe mir die Haare kurz geschnitten und viel Verständnis und Unterstützung erfahren – das war enorm wichtig, vor allem für mein Selbstbewusstsein!“

Mit diesem Selbstbewusstsein ist er zurück in die Pfalz gekommen, hat sich zunächst seiner Familie anvertraut und dann auch dem weiteren Freundes- und Bekanntenkreis. Dieses Mal mit durchweg positiver Resonanz. Nun konnte er auch beginnen, seinen Weg medizinisch und behördlich zu beschreiten. „Das war alles andere als einfach“, berichtet er, „man muss ich selbst über sehr viele Dinge informieren, die Behörden und Ämter wissen meist selbst nicht, wie vorgegangen werden muss.“ Unterstützung erhielt Noah nicht nur von seiner Familie, sondern auch von prominenter Seite: Balian Buschbaum (als Yvonne Buschbaum als erfolgreiche deutsche Stabhochspringerin bekannt) konnte ihm viele Tipps geben. Neues Geschlecht, neuer Name – diese Änderungen kosten nicht nur viel Zeit, sondern auch Geld. Aus eigener Kasse müssen die Gutachten und behördlichen Anpassungen bezahlt werden: „Alleine das hat mich privat schon 1.600 Euro gekostet – für eine Sache, die ich mir ja nicht freiwillig einfach ausgesucht habe!“

Nun steht also noch die entscheidende Operation aus. Ob am Ende doch die Krankenkasse oder er privat mit Hilfe der Spenden von Freunden und Bekannten zahlt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Auf Nachfrage bei der zuständigen Kasse, gab es zunächst folgende Auskunft: „Die Beurteilung erfolgt im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK).“ All-In-One-Operationen würden nur von Privatkliniken angeboten und könnten deswegen prinzipiell nicht von gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.

Für Noah ist das Ziel entscheidend: Dass er bald komplett die Person sein kann, als die er sich schon sein ganzes Leben fühlt. (hea)

Per Paypal unterstützen
Um die geschlechtsangleichende Operation durchführen zu können, ist Noah Roth auf Spenden angewiesen. Über folgenden Link kann man sich beteiligen:
http://bit.ly/NoahPaypal

(Foto: privat)