Hommage an die Heimat

Regisseur Sönke Wortmann
über „Sommerfest“, das Ruhrgebiet und Jugendlieben

In Aktion: Stefan Zöllner (Lucas Gregorowicz), Sönke Wortmann (Mitte) und „Omma“ Änne 
beim Dreh einer Szene. -Foto: Tom Trambow

Wie sind Sie auf die Idee für Ihren neuen Film „Sommerfest“ gekommen?

Sönke Wortmann: Das ist relativ einfach: Es gibt den Roman von Frank Goose, den habe ich gelesen, so entstand die Idee.

Was hat Sie besonders an der Geschichte von Frank Goose gereizt?

Sönke Wortmann: Ich selber bin auch im Ruhrgebiet aufgewachsen, ich kenne die Gegend, ich kenne die Leute, die in dem Roman vorkommen – und die jetzt auch im Film vorkommen. Die waren mir alle sehr vertraut. Das ist für mich so ein Stück Heimat. Das war das, was mich so interessiert hat.

Also die Heimatverbundenheit …

Sönke Wortmann: Ja, also sagen wir mal so: Die Dinge, die dort passieren, die könnten auch woanders passieren. Man kann z. B. auch nach Mannheim zurückkommen. Es macht es mir natürlich leichter, wenn der Protagonist nach Bochum kommt, weil ich mich da auskenne und einfach sicherer bin in dem, was ich da erzähle.

Außer der Heimatverbundenheit, gibt es noch andere Parallelen zu Ihrem Leben? Ich habe z. B. gelesen, dass Sie Profi-Fußballer werden wollten, wie der junge Türke in dem Film.

Sönke Wortmann: Wer will das nicht, wenn er 14 Jahre alt ist im Ruhrgebiet. Also das wollte ich natürlich werden, aber dass Fußball im Film vorkommt, war mir jetzt gar nicht so wichtig. Es kommt halt vor, weil es im Ruhrgebiet häufig so ist, es hat mich auch nicht gestört. Vor allem die Geschichte, die im Film erzählt wird, mit dem jungen Türken, die hat mich schon bei dem Roman sehr berührt und deswegen sollte sie auch unbedingt in den Film kommen. Also das hat nichts mit meinem Wunsch zu tun, dass ich selber auch einmal Fußballer werden wollte, selbst wenn das nicht gewesen wäre, hätte es die Szene in dem Film gegeben.

 

Der Protagonist in Sommerfest ist Ihnen in bestimmten Dingen sehr ähnlich, er ist beispielsweise auch ein Künstler.

Sönke Wortmann: Naja, Künstler … ich mag das Wort nicht so gerne. Er ist Schauspieler, ich bin kein Schauspieler, aber ich habe natürlich mit Schauspielern zu tun, insofern ist es ähnlich, es ist ein relativ exotischer Beruf. Das macht dann, glaube ich, auch den Reiz aus, wenn er nach Hause kommt, in eine Arbeitergegend, wo niemand diesen exotischen Beruf hat, dann führt das immer gleich zu gewissen Reibepunkten. Einerseits wird man ein bisschen bewundert als Schauspieler, zumindest erst einmal. Wenn er dann aber „nur“ Theaterschauspieler ist, dann wird man schon nicht mehr richtig ernst genommen und wird immer gefragt: „Muss man dich kennen?“

 

Es herrscht eine eher bedrückende Stimmung in dem Film. Auf der anderen Seite ist er sehr lebendig. Das ist ein Gegensatz.

Sönke Wortmann: Jede gute Komödie ist einen Schritt von der Tragödie entfernt. Diesen Satz habe ich nicht erfunden, aber es macht die Sache nicht weniger wahr. Bedrückend finde ich den Film aber überhaupt nicht. Wenn der Vater stirbt, dann ist das keine schöne Sache. Aber das kommt ja eigentlich nur zweimal im Film vor, am Anfang, wenn er nach Bochum fährt, und dann am Schluss bei der Beerdigung. Vorher finde ich es eigentlich eher witzig und gar nicht bedrückend.

-Foto: Mathias Bothor

Bedrückend vielleicht, weil der Protagonist einen gescheiterten oder noch nicht erreichten Lebenstraum hat?

Sönke Wortmann: Man kommt immer mal wieder in seinem Leben an einen Punkt, wo man sich entscheiden muss, wo eine Krise entsteht. Krisen sind notwendig, damit man sich mit ihnen auseinandersetzt und dann wieder Entscheidungen trifft, die aus dieser Krise herausführen und einen umso stärker macht. Und das passiert dem Protagonisten und er trifft am Schluss auch eine Entscheidung.

Am Ende des Films ist der Satz zu lesen: „Für alle Jugendlieben.“ Hatten auch Sie eine Jugendliebe?

Sönke Wortmann: Klar, wer hat sie nicht gehabt! Sie bestimmt auch.

Ist Ihre damalige Jugendliebe Ihre heutige Frau?

Sönke Wortmann: Nein, das wäre ja auch aus vielen Gründen schade, weil ich dann eine Menge verpasst hätte. Und ich bin ganz froh, dass ich meine Frau relativ spät getroffen habe, nachdem ich ein bisschen was gelernt habe über das Leben und die Liebe. Das geht ja nur durch Learning by Doing. Aus Erfahrung wird man meistens schlauer. Meine Frau habe ich im richtigen Moment getroffen. Es wäre wirklich schade, wenn ich meine Jugendliebe geheiratet hätte. Da hätte mir etwas gefehlt im Leben.

Welche Thematik steht für Sie im Fokus des Films? Die Heimatverbundenheit, Freunde, gescheiterte Lebensträume …

Sönke Wortmann: Alles. So ein Film hat ja oft mehrere Themen und hier geht es um Liebe, Tod und Leidenschaft in einem Heimatfilm.

Ist der Film in gewisser Weise eine Hommage an Ihre Heimat?

Sönke Wortmann: Ja, das bleibt gar nicht aus. Das passiert automatisch, weil ich meine Heimat ja sehr mag. Sie sieht auch so aus, wie sieht aussieht, und die Menschen, die in dem Film vorkommen, sind so, wie sie wirklich sind, und das mag ich alles. Und deswegen ist es gar nicht übertrieben oder so, sondern es ist tatsächlich so. Ich habe in Diskussionen mal die Frage gehört, ob die Darstellung der Menschen in dem Film nicht übertrieben wäre. Das ist nicht so. Und das ist nicht nur im Ruhrgebiet so. Die Leute, die vorkommen, die kenne ich aus Hamburg auch oder aus Berlin, die sprechen dann halt ein bisschen anders und ich bin sicher, in Mannheim gibt es die auch.

Gab es besondere Vorkommnisse während des Filmdrehs? Oder ist alles reibungslos verlaufen?

Sönke Wortmann: Das Drehbuch habe ich selber geschrieben, das ging mir sehr gut von der Hand, wahrscheinlich, weil die Vorlage so gut war. Beim Drehen gab es eine Schwierigkeit. Der Hauptdarsteller wurde bei der Szene in dem hohen Gras bei der Abbruchsiedlung von einer Zecke gebissen oder irgendeinem Tier, keiner weiß, was das war. Auf jeden Fall ist sein Auge angeschwollen. Wir mussten dann schnell umstellen, die Maskenbildner haben auch gut gearbeitet. Ich sehe es noch, aber ich glaube, wenn man das nicht weiß, sieht man es nicht. In der Szene mit der Schlange oder später, wenn der Fernseher läuft und die schrägen Typen da rumsitzen, da sieht man schon ein bisschen die Schwellung am Auge.

Waren Sie schon einmal in der Pfalz?

Sönke Wortmann: Ich war mal in Kaiserslautern. Mit dem damaligen Bundeskanzler Schröder war ich in der Pfalz beim Wahlkampf von Kurt Beck. Und dann war ich in der Pfalz, als ich den Film „Das Wunder von Bern“ gedreht habe. Die wichtigsten Spieler kamen ja alle aus Kaiserslautern, einer lebt ja noch, Horst Eckel, der wohnt noch in Kaiserslautern. Den habe ich dort besucht. Das ist mein Bezug zur Pfalz.

Gibt es irgendetwas in der Pfalz, was Sie mit ins Ruhrgebiet importieren würden?

Sönke Wortmann: Nein, eigentlich nicht. Es gibt aber auch umgekehrt nichts, was ich aus dem Ruhrgebiet in die Pfalz importieren würde. Das sind, glaube ich, zwei sehr unterschiedliche Gegenden. Z. B. landschaftlich. Gegensätze sind ja auch sehr schön, dann sollte man diese auch so lassen und nichts importieren.

-Foto: XVerleih/Ralf Ibing

Was machen Sie, wenn Sie mal keine Drehbücher schreiben?

Sönke Wortmann: Ich schreibe selten Drehbücher. Vor diesem war es bestimmt zwölf Jahre her, dass ich eines geschrieben habe. Ich habe keine wirklichen Hobbys. Ich gehe nicht angeln und ich fahre auch kein Motorrad. Was ich am liebsten mache, ist reisen, sogar in die Pfalz. Sehr gerne schaue ich mir fremde Länder und Städte an. Das ist das einzige Hobby, das ich habe.

Haben Sie ein Vorbild? Zum Beispiel aus der Filmbranche oder vielleicht auch aus dem Sport?

Sönke Wortmann: Eine Person kann ich Ihnen nicht nennen. Es gab aber mal im amerikanischen Kino eine Phase, die ich sehr toll fand: Das war das amerikanische Kino der 1970er. Da waren viele junge Regisseure, die heute teilweise berühmt sind. Steven Spielberg ist einer davon. Die fingen alle mit sehr aufregenden Filmen an und das war für mich immer vorbildhaft, die Anfänge dieser Leute.

Gibt es einen Höhepunkt in Ihrem Leben oder in Ihrer Karriere?

Sönke Wortmann: Viele. Im Leben natürlich meine Familie und meine Kinder, das ist schon sehr aufregend, wenn Kinder auf die Welt kommen. Beruflich habe ich zum Glück sehr viele Erfolge gehabt, auch Misserfolge, aber die Erfolge waren doch in der Mehrzahl. Das ist jedes Mal ein Highlight. Im Moment übrigens auch. Die Premiere von „Sommerfest“ in Bochum gehört mit Sicherheit auch dazu, weil das wirklich ein überragender Erfolg war. Was mich besonders freut, ist, dass der Film auch außerhalb des Ruhrgebiets sehr gut ankommt. Ich war in Münster, Osnabrück, Bremen und Hamburg und auch hier wurde er sehr gut aufgenommen, weil die Geschichte universell ist. Jeder kann da was mit anfangen, mit dem Thema Jugendliebe, mit dem Tod der Eltern, viele Menschen, die älter sind, kennen das, andere Menschen durch Tod zu verlieren.

Ist schon ein neues Filmprojekt geplant?

Sönke Wortmann: Nein.

Etwa im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft nächstes Jahr? „Deutschland ein Sommermärchen“ ist ja vielen im Gedächtnis geblieben …

Sönke Wortmann: Ich finde, so etwas kann man einmal machen und dann reicht es auch. Damals war es in eigenem Land, das war ein großes Thema, auch im Film. Russland ist jetzt weit weg und deswegen nicht halb so interessant wie die WM im eigenen Land.