Chris Tall: „Am allerliebsten lache ich über mich selbst“

Unter vier Augen: Der 27-jährige Nachwuchs-Comedian Chris Tall verrät, warum er der glücklichste Junge der Welt ist

(Foto: Robert Mschke)

Chris Tall heißt eigentlich Christopher Nast. Der 27-Jährige hat in seiner jungen Comedy-Karriere schon viel erreicht: 2013 wurde er mit dem RTL Comedy Grand Prix ausgezeichnet, 2016 gewann Chris Tall den deutschen Comedypreis als bester Newcomer. PFALZ-ECHO-Redakteurin Patrizia Di Paola hat den Jungen, der sich selbst nicht so ernst nimmt, vor seinem Auftritt beim SWR3-Comedy-Festival in Bad Dürkheim getroffen.

Du kommst auf der Bühne und auch so im Gespräch sehr cool rüber. 2016 hast du den deutschen „Nachwuchs-Comedypreis“ gewonnen und diesen 2017 dann auch moderiert – wie tief ist dir da das Herz in die Hose gerutscht?
Chris Tall: Ich glaube, nein, ich weiß, dass der „Deutsche Comedypreis“ für mich das Aufregendste war, das ich bisher in meiner Karriere erlebt habe. Wenn die ganze deutsche Comedy-Szene vor dir im Publikum sitzt und gespannt guckt, was du machst – da war ich doch sehr, sehr aufgeregt. Vor allem war es für mich natürlich unglaublich, meine Idole so hautnah zu treffen! Hape Kerkeling war da! Am Ende hat es sich gelohnt, es war ein sehr schöner Abend.

Comedypreisträger Chris Tall. (Foto: Robert Mschke)

Hat sich durch den Comedypreis für dich etwas verändert?
Chris Tall: Nee, eigentlich nicht. Es ist eine besondere Ehre, wenn man den Preis gewinnt, aber am Ende des Tages habe ich genauso weitergearbeitet wie vor der Prämierung. Als ich 2013 den „Comedy-Grand Prix“ bei RTL gewonnen habe – das ist ein Wettbewerb für Newcomer – hat sich für mich tatsächlich mehr verändert. Zum ersten Mal bin ich vor der breiten Masse und nicht mehr nur vor zehn Zuschauern aufgetreten – quasi aus Versehen (lacht).

Mit 27 Jahren bist du noch einer der ganz Jungen in der Comedy-Branche – und du hast schon viel erreicht. Welche großen Ziele hast du noch?
Chris Tall: Als ich mit der Comedy angefangen habe, habe ich mir immer gewünscht, in einer Arena zu spielen. Da haben alle gefragt: „Bist du bescheuert?“ Ich habe aber darauf bestanden, es war mein Traum. Jetzt habe ich den Traum, irgendwann einmal im Volkspark aufzutreten, da wo mein großer HSV (macht eine Pause) großartige Spiele zeigt (lacht).

Wenn ich aber bedenke, was ich zurzeit alles machen darf, und ich mir vorstelle, dass das in den nächsten Jahren so weitergeht, dann bin ich der glücklichste Junge der Welt. Was darfst du denn alles so machen?
Chris Tall: Ich habe eine Solotour, die hoffentlich erfolgreich bleibt. Erfolg ist für mich, wenn ich auf der Bühne stehe und die Leute lachen den ganzen Abend. Dann weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin – Lacher sind das beste Feedback überhaupt. Dann durfte ich ja noch eine eigene Sendung bei RTL machen – Chris Boom Bang, mal sehen, was wir da dranhängen. Und mit Bülent bin ich in einem Kinofilm zu sehen… Ich bin sehr stolz darauf, das alles machen zu dürfen.

Der Satz „Darf er das?“ ist zu einem Markenzeichen von dir geworden – was steckt dahinter?
Chris Tall: Ich mache Witze über alles und jeden – über Rollstuhlfahrer, Schwule, Schwarze, Dicke, Dünne, Kevins und natürlich Mütter mit Mobiltelefonen, solange sie auf Augenhöhe sind. Da grenze ich niemanden aus. Leider gab es auch mal Applaus aus der rechten Ecke, das konnte ich leider nicht verhindern, habe mich aber klar dagegen positioniert. Ich kann nur immer wieder öffentlich betonen, dass ich für Toleranz und Menschlichkeit stehe und gegen Rassismus bin. Aber es gibt Menschen, die meine Witze falsch verstehen, falsch verstehen wollen. Für mich gibt es keine Minderheiten. Minderheiten entstehen erst, wenn wir sie zu Minderheiten machen.

Das heißt, du bekommst Kritik, ziehst dein Programm aber trotzdem durch…
Chris Tall: Kritik gibt es meistens von Leuten, die nicht verstehen, was ich mache, oder sich meine Show noch nie angesehen haben. Natürlich hört es sich hart an, wenn erzählt wird, dass ich Witze über Schwule mache. Aber ganz so einfach ist es ja nicht. Es geht um das Spiel mit der „political correctness“ – als Teil meines Mottos „#darferdas?“. Dieses führt mich während der Show mehrfach zu einer Reihe von Themenfeldern. Und auch hier erfahren die Gags jeweils eine ganz klare Einordnung. Natürlich mache ich auch Witze über andere Menschen, über die, die in der ersten Reihe sitzen, und vor allem über mich selbst. Ich nehme die Zuschauer einfach nur mit auf meine Reise, nicht mehr und nicht weniger. Ich mache niemanden fertig, sondern wir lachen zusammen.

Jetzt wurde der Echo abgeschafft, weil Farid Bang und Kollegah trotz ihrer rassistischen Songs den Preis gewonnen haben. Was denkst du darüber?
Chris Tall: Ich habe das natürlich mitbekommen, aber den Inhalt des Songs, um den es in der Debatte geht, kenne ich nicht. Mir stellt sich eine andere Frage: Jetzt hat sich nämlich auch die Plattenfirma von den beiden getrennt – aber die kannten die Inhalte, sie haben schließlich mit ihnen produziert. Sie trennen sich also erst, wenn es heiß wird. Warum? Aber gleich den ganzen Musikpreis wegen zwei Rappern abzuschaffen, finde ich krass – da leidet die ganze Musikszene drunter. Ich glaube, dass man das hätte verhindern oder anders lösen können.

Ich wechsle mal das Thema. Du machst auch gerne Witze über deine Eltern. Eine Zeit lang stand deine Mutter ganz hoch im Kurs, bis sich dein Vater beschwert hat, dass du auch mal Witze über ihn machen könntest. Was reizt dich daran, deine Familie auf die Schippe zu nehmen?
Chris Tall: Als ich mit der Comedy angefangen habe – ich kam gerade aus der Berufsschule – , habe ich überlegt, was ich erzählen kann. Ich entschied mich dann für das Thema Schule, weil mir das nah war – und in diesem Programm habe ich auch zehn Minuten über meine Mutter gesprochen. Und ich merkte schnell, dass das gut ankommt, weil die Geschichten authentisch sind. Jeder findet sich in irgendeiner dieser Geschichten wieder. Inhaltlich ging es ja um das, was ich erlebe. Deswegen habe ich dann angefangen, Programme um meine Mutter herumzustricken. Und das Gleiche gilt für meinen Papa – die Reise geht immer weiter, meine Programme altern mit mir (lacht).

Patrizia Di Paola mit Chris Tall. (Foto: honorarfrei)

Du hast unter deinen Zuschauern auch viele Kinder und Jugendliche – und dementsprechend eine große Verantwortung…
Chris Tall: Das stimmt. Früher habe ich einfach einen Spruch rausgehauen, des Spruchs wegen. Heute versuche ich schon, mich immer wieder zu überprüfen. Z. B. habe ich im neuen Solo ein Thema, da geht es um Aufklärung. Einfach, weil ich weiß, dass sich heute Kinder ziemlich früh mit Sexualität beschäftigen. Aufklärung mit einer Prise Humor kann echt Spaß machen!

Über dich selbst machst du auch gerne Witze…
Chris Tall: Am allerliebsten.

…warum machst du das?
Chris Tall: Ich kann nicht Witze über alles und jeden machen und mich selbst aussparen – das geht gar nicht. Wenn ich austeile, muss ich auch einstecken können. Es ist doch viel schöner, wenn jemand einen Witz über dich macht und du mitlachst. Jeder Mensch hat Stärken, aber auch Schwächen – und über die lacht man halt. Bei mir sind es ein paar Kilos zu viel, außerdem war ich nicht gut in der Schule – natürlich lache ich darüber.

Du setzt dich für Kinder in Nepal ein. Wie ist es denn dazu gekommen?
Chris Tall: Es gibt da eine Organisation – Magic Moments – und die wird von meinem Kumpel Peter Löhmann geführt. Er und sein Team setzen sich nicht nur für Kinder, sondern im Allgemeinen für die Menschen in Nepal ein. Nepal zählt immer noch zu den ärmsten Ländern der Welt. Bei dem schlimmen Erdbeben wurden Häuser zerstört, es gibt kaum Schulen. Ich habe mich dann ein bisschen intensiver mit dem Thema beschäftigt und entschieden, zu helfen. Du kannst dort schon mit wenig Geld viel erreichen. Und die Menschen dort sind unheimlich dankbar für die kleinsten Dinge – das hat mich sehr berührt und deswegen engagiere ich mich.