Dirk Roßmann: „Die Länder müssen aus ihrer Kollektiven Paranoia erwachen!“

Unter vier Augen: Unternehmer und Autor Dirk Roßmann im Gespräch mit dem Pfalz-Echo über seinen neuen Roman, seinen Erfolg als Gründer des Drogerieunternehmens Rossmann und seine Visionen für die Rettung des Planeten

Der Unternehmer und Autor Dirk Roßmann beschäftigt sich in seinem aktuellen Buch mit der Klimakrise – und zeigt einen drastischen Weg auf, wie die Politik in Zukunft darauf reagieren könnte. (Foto: Dirk Rossmann GmbH/Freepik)

Dirk Roßmann zählt laut Forbes-Liste zu den 50 reichsten Menschen in Deutschland. Er ist der Gründer der Drogeriemarktkette Rossmann und hat nun seinen ersten Thriller veröffentlicht. Dieser befasst sich mit der Zukunft des Planeten vor dem Hintergrund der Klimakrise – und der Autor Roßmann fordert darin radikale Maßnahmen.

Wie geht es Ihnen aktuell als Unternehmer im Einzelhandel?

Dirk Roßmann: Mir ist sehr bewusst, dass momentan ungefähr jeder dritte Deutsche große finanzielle Probleme hat und so muss ich mit großer Dankbarkeit sagen, dass es uns bei Rossmann relativ gut geht. Zwar haben wir nicht die großen Zuwachsraten wie der Lebensmittelhandel, aber die Menschen kaufen nach wie vor bei uns ein.

Sie haben keine klassische Laufbahn absolviert und eine sehr bewegte Lebensgeschichte hinter sich. Wie würden Sie Ihren Weg nach oben im Rückblick beschreiben?

Dirk Roßmann: Das ist eine gute Frage. Ich habe zwar nur die Volksschule besucht, aber ich habe früh große Literatur gelesen, Schopenhauer zum Beispiel. Dabei ist bei mir vor allem eines hängen geblieben: Die meisten Menschen haben nicht deshalb keinen Erfolg, weil sie dumm oder nicht kreativ sind, sondern weil sie zu früh aufgeben. Ob im Leben oder in der Liebe: Es gibt immer Widerstand und es kommt ganz selten vor, dass mal alles rund läuft. So stand auch ich in meinem Leben schon vor der Pleite. Aber ich bin ein Stehaufmännchen. Ein Beispiel: Noch im Juni oder Juli diesen Jahres hatte ich bei meinem Buch das Gefühl, es einfach nicht vollenden zu können. Aber ich bin dran geblieben. Als es dann Anfang August fertig war, war ich wieder tausendprozentig von meinem Werk überzeugt. Auch alle meine 20 Testleser gaben mir positive Rückmeldungen. Ich bin Perfektionist und ich wollte nicht einfach nur ein Buch schreiben, sondern damit auch eine wichtige Botschaft vermitteln. Ich bin im Sommer in Zeiten der Zweifel sogar richtig krank geworden, hatte eine schwere Magenschleimhautentzündung und hohen Blutdruck. Aber durch solche Krisen muss man durch, wenn man wirklich Erfolg haben will. Man muss kämpfen, egal ob man 74 oder 17 Jahre alt ist.

Gehen Sie mit einer Erfolgserwartung an Ihre Projekte?

Dirk Roßmann: Ich hatte letztes Jahr im Dezember 14 Tage lang jede Nacht Träume zum Thema meines Buchs. Ich hatte die Geschichte also damals schon vor mir. Deshalb stand ich sozusagen unter Druck, daraus dann auch einen Roman zu machen. Und ja, irgendwie war ich mir deswegen auch von Anfang an sicher, dass es ein Erfolg werden würde. Aber ich wusste, dass es richtig gut werden muss – und der Weg dahin war sehr anstrengend.

Auch mit Ihrem Unternehmen haben Sie Krisen durchlaufen und schließlich einen riesigen Konzern aufgebaut. Wie schaffen Sie es, den Überblick zu behalten?

Dirk Roßmann: Das ist ganz einfach. Ich trage die Verantwortung nicht allein. Bei Rossmann tragen in Deutschland 34.000 Menschen Verantwortung. Wir achten im Unternehmen den Wert jedes Mitarbeiters – ob er an der Kasse sitzt oder in der Zentrale – wir begegnen jedem mit Respekt und Empathie. Die Summe aus solchen kleinen Bausteinen ergibt das große Ganze. Übrigens: Laut dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ steht Rossmann auf Platz 54 der weltweit besten Arbeitgeber und in Deutschland auf Platz eins der besten Arbeitgeber im Einzelhandel. Darauf bin ich sehr stolz!

Aber es ist sicher schwierig für Sie als Gründer, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, um Verantwortung zu übertragen und dann das Vertrauen zu haben, dass es auch ohne Ihre Kontrolle läuft?

Dirk Roßmann: Wie Sie sagen: Es geht um Vertrauen, nicht um Misstrauen. Ich habe in meinem Leben sehr gut gelernt, Menschen einzuschätzen und weiß, wer mein Vertrauen verdient hat. Schauen Sie sich die große Öko-Katastrophe an und wie sich die militärischen Großmächte gegenseitig misstrauen, so dass immer mehr Waffen produziert werden. Dass jetzt Rheinmetall High-Energie-Laser-Waffen herstellt, ist eine gruselige Nachricht. Wir brauchen eigentlich gar kein Militär oder neue Rüstungssysteme. Das ist doch alles krank – kollektive Paranoia! Wir brauchen Herz, Vertrauen und gesunden Menschenverstand. Mit Vertrauen habe ich meine Firma dorthin geführt, wo sie jetzt ist.

Wie viel arbeiten Sie eigentlich noch in Ihrem Unternehmen?

Dirk Roßmann: Die Frage kann ich gar nicht konkret beantworten, denn für mich gibt es den Begriff „Arbeit“ überhaupt nicht. Ich bin mit Herz und Verstand ganz bei der Firma, aber ich beschäftige mich auch mit vielen anderen Themen.

Dann stellt sich die Frage nach dem Ruhestand für Sie wahrscheinlich auch nicht?

Dirk Roßmann: Überhaupt nicht! Ich bin gesund und habe Energie. Für mich stellt sich zur Zeit nur die Frage – so wie für alle –, wie ich mich und meine Mitmenschen vor Corona schütze. Aber die Frage nach dem Ruhestand stelle ich nicht. Ich habe auch keine Angst vor dem Tod, weil ich weiß, dass ich ein tolles Leben gelebt habe und immer noch lebe. Alles andere als Bescheidenheit und Dankbarkeit dafür würde mir nicht zu Gesicht stehen.

Das Thema Klimaschutz treibt Sie ja schon länger um. Gab es ein Schlüsselerlebnis, weshalb Sie zu diesem Thema ein Buch geschrieben haben?

Dirk Roßmann: Der auslösende Moment liegt 30 Jahre zurück, als ich zusammen mit dem Hannoveraner Erhard Schreiber die Stiftung Weltbevölkerung gegründet habe. Seither beschäftige ich mich mit dem Thema. Ich sehe drei große Probleme, die angegangen werden müssen: Abrüstung, Begrenzung der Weltbevölkerung und Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Dazu möchte ich betonen: Nur für die beiden Brennpunkte Afrika und Indien plädiere ich ernsthaft für eine Ein-Kind-Politik, denn laut der Vereinten Nationen ist das Thema Weltbevölkerung in allen anderen Ländern ganz gut im Griff.

Die Thesen, die Kamala Harris in Ihrem Buch in ihrer fiktiven Antrittsrede im Jahr 2025 auflisten lassen, decken sich also mit Ihrer Zukunftsvision?

Dirk Roßmann: Absolut! Auch die Princeton University in den USA sagt das Gleiche. Die Themen müssen vor allem von den drei großen Weltmächten angegangen werden. Vielleicht ist es ein wenig wahnsinnig von mir, solch gravierende Forderungen zu formulieren, aber mein großer Wunsch ist es, dass diese drei Länder zur Besinnung kommen. Die USA, Russland und China geben jedes Jahr tausend Milliarden Dollar für Militär und Rüstung aus – ich hoffe, diese Länder erwachen bald aus ihrer kollektiven Paranoia und investieren dieses Geld in den Klimaschutz. Natürlich ist es vermessen von mir, solch ein Buch zu schreiben und davon auszugehen, deswegen könnte sich die Welt verändern. Aber wer keine Utopien oder Visionen hat, bewegt auch nichts!

Sie plädieren ja auch für eine Abgabepflicht der Reichen für den Klimaschutz.

Dirk Roßmann: Man muss den Menschen klar machen, dass es ums Überleben und die gesamte Schöpfung geht. Leute, die 100 Millionen Euro besitzen, müssen 25 Prozent abgeben und Leute, die vier Millionen besitzen, müssen zwölf Prozent abgeben. Beide sind nach dieser Abgabe nicht verarmt und machen das sicher auch gerne – denn es geht schließlich um etwas viel Wichtigeres als Reichtum. Die Fleischpreise einfach zu erhöhen, wäre falsch. Denn die Reichen essen dann genauso viel Fleisch wie vorher und diejenigen, die weniger haben, müssen sich einschränken. Das geht so natürlich nicht! Ich will den Reichen ja auch nicht alles wegnehmen – aber jeder sollte den Beitrag leisten, den er auch stemmen kann. Da bin ich in Übereinstimmung mit 97 Prozent der Wissenschaftler, mit Greta Thunberg und mit allen, die sich mit dem Thema befassen.

Viele, die sich für den Klimaschutz einsetzen, hinterfragen auch den wachsenden Konsum und die kapitalistische Gesellschaft. Nun sind Sie aber jemand, der von diesem System profitiert. Wie passt das für Sie zusammen?

Dirk Roßmann: Ich will dieses System durchaus erhalten – aber eben weiterentwickeln. Als Demokrat und Verfechter der freien Marktwirtschaft bin ich natürlich kein Linker. Aber: wir haben eine Verantwortung für den Planeten! Von dem Schriftsteller Jonathan Safran Foer habe ich sehr viel über den Fleischkonsum gelernt. Er sagt, dass die Produktion von Rindfleisch für 25 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich ist. Eigentlich seien es sogar 50 Prozent, denn man müsse die für den Futteranbau abgeholzten Regenwälder hinzurechnen. Ich will nicht, dass wir die ganze Wirtschaft kaputt machen und ich will den Menschen auch nicht das Fleischessen und das Fliegen verbieten. Aber das alles muss eben in einem ganz anderen Rahmen passieren. Zum Beispiel fordern wir bei Rossmann gerade über eine Petition im Bundestag und in der EU die Pflicht zu Kompressionsdeos und Kompressions-Haarsprays. Diese haben den gleichen Inhalt und dieselbe Wirksamkeit, aber nur ein Drittel des Volumens. Allein dadurch könnten wir in Deutschland 145.000 Tonnen CO2 einsparen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, sie müssen allerdings unternehmerisch angegangen werden und dafür braucht es Vorgaben durch die Politik! Ich bin keinesfalls für eine Diktatur. Ich will nur, dass endlich das Vernünftige und Richtige getan wird und die drei Großmächte müssen damit anfangen.

Sein erstes Buch veröffentlichte Roßmann 2018: „… dann bin ich auf den Baum geklettert!“ (Biografie). (Foto: Dirk Rossmann GmbH)

Sie glauben also nicht, dass das auf der Basis von Freiwilligkeit erreicht werden kann?

Dirk Roßmann: Überhaupt nicht. Es wird Bezugsscheine auf Fleisch geben müssen und vor Brasiliens Regenwald müssen die Kriegsschiffe auffahren, um die weitere Rodung zu stoppen. Was mich an den Vereinten Nationen stört, ist, dass nur geredet wird. Wir brauchen gesunden Menschenverstand statt manipulierender und beschönigender Worte! Wenn wir in der Firma ein Problem haben, dann lösen wir es durch Handeln – wenn wir nur reden, sind wir irgendwann insolvent. So geht es dem Planeten auch.

Hoffen Sie, dass Sie mit Ihrem Buch Einfluss auf die großen Mächte ausüben? Sie haben ja Putin bereits ein Exemplar zukommen lassen.

Dirk Roßmann: Ja, ich weiß, dass er es persönlich bekommen hat. Aber auf eine Reaktion kann ich natürlich Jahre warten. (lacht) Wenn aber mein Buch auch außerhalb Deutschlands Erfolg hat, was sich bereits andeutet, dann finde ich vielleicht auch Gehör bei anderen Politikern. Bedingung dafür ist natürlich, dass es erstmal in Deutschland erfolgreich ist.

Warum spielt eigentlich in Ihrem Thriller Europa eine nur sehr kleine Rolle?

Dirk Roßmann: Die Frage höre ich immer wieder und ich muss ein wenig lachen. Es ist unendlich schwer vorstellbar, dass drei Großmächte in einer Kultur des Misstrauens konstruktiv aufeinander zugehen und sich irgendwie einig werden. Je größer eine Community wird, desto schwieriger ist eine solche Zusammenarbeit. Drei Akteure sind in dieser Hinsicht schon ambitioniert gedacht. Ich bin mir trotzdem sicher, dass es genau diese drei sein müssen – USA, China und Russland, sonst funktioniert es nicht. Erst im zweiten Schritt sollen dann die drei auf Europa und Indien zugehen. Aber das werde ich in meinem zweiten Buch beschreiben, das vielleicht im nächsten Herbst rauskommt.

Haben Sie sich deshalb für genau diese drei entschieden, weil sie die militärisch Stärksten sind?

Dirk Roßmann: Ja, und auch wirtschaftlich. China und die USA sind die wirtschaftlich Stärksten. Dafür hat Russland die meisten Sprengköpfe. Diese drei sind die wirklich großen Player. Der häufigste Vorwurf, den ich höre ist, ich sei für eine Klimadiktatur. Aber das stimmt nicht. Ich bin für eine Allianz. Ich bin dafür, dass gehandelt wird! Angenommen, jemand würde einem anderen die Lunge herausreißen, dann würde man ihn auch mit Gewalt daran hindern. Der tropische Regenwald ist die Lunge der Erde. Wollen wir bei der Brandrodung ewig zugucken? Ich finde, dass man einem Land wie Brasilien, das den kostbarsten Schatz der Erde vernichtet, die rote Karte zeigen muss.

In Ihrem Thriller lässt sich die Katastrophe nach vielen Konflikten gerade so noch abwenden. Können Sie sich auch eine harmonische Zukunft vorstellen?

Dirk Roßmann: Das Thema ist ernst. Die meisten Menschen haben genügend eigene Sorgen und wollen deshalb nichts von Einschränkungen durch Maßnahmen gegen den Klimawandel hören. Aber ich will sie aufrütteln. Ich glaube nicht, dass es unter Menschen dauerhaft harmonisch zugeht. Ich bin froh, dass ich eine tolle Familie habe und Harmonie in meinem Freundeskreis erleben kann. Aber eine Harmonie in der Welt wird schwer zu erreichen sein.

Es gibt eine Figur in Ihrem Roman, die mit Hilfe technologischer Erfindungen sehr alt wird. Wäre es für Sie auch erstrebenswert, 150 Jahre alt zu werden?

Dirk Roßmann: Darüber denke ich nicht nach. Ich hoffe, dass ich gesund bleibe und möchte nicht künstlich am Leben erhalten werden. Solange ich körperlich fit bin und keine Demenz habe, macht mir das Leben Spaß. Ich bin jetzt als alter Mensch viel glücklicher als als junger. Früher hatte ich viele Probleme und war in Therapie. Jetzt bin ich ein glücklicher Mensch und ich genieße das.

„Der neunte Arm des Oktopus“ von Dirk Roßmann ist am 16. November bei Lübbe erschienen. (Foto: Verlag)