Dirk Steffens ist für die Sendung Terra X in Sierra Leone unterwegs. (Foto: ZDF/Rolf Oetze)

Vor ein paar Wochen erst hat Dirk Steffens gemeinsam mit Fritz Habekuss das Buch „Über Leben“ veröffentlicht. Es geht darin um nicht mehr und nicht weniger als das Überleben der Menschheit: Das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier hat gravierende Folgen für uns alle. Der Appell der beiden Autoren lautet deswegen auch: Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren und müssen jetzt handeln! Das sind eigentlich düstere Aussichten, möchte man meinen. Aber so ist es gar nicht, erzählt uns Dirk Steffens im Interview. Wir können eigentlich ziemlich optimistisch in die Zukunft blicken. Der Wissenschaftsjournalist ist seit beinahe 30 Jahren auf der ganzen Welt unterwegs und vor allem bekannt für die ZDF-Reportagen („Terra X“). Er beleuchtet dabei aber nicht nur die Schönheit der Natur, sondern nimmt auch – vor allem durch den Mensch verursachte – Veränderungen in den Fokus. Seit Jahren setzt er sich für den erhalt von Biodiversität ein, u. a. als UN-Dekade-Botschafter für biologische Vielfalt.

Normalerweise bist du auf Expeditionen auf der ganzen Welt unterwegs. Jetzt bist du aber wahrscheinlich gerade seit Monaten nur zuhause, oder?

Nicht ganz. Ich bin erst seit wenigen Tagen wieder zuhause, weil wir unsere erste Reise schon wieder machen konnten. Nicht nach Kasachstan, wie ursprünglich geplant, sondern in die Alpen. Aber dort war es auch ganz schön exotisch!

Das glaube ich! Stimmt. Ich habe einige Bilder auf Instagram von der Reise gesehen. Das sah sehr spektakulär aus.

Das war es! Das vergisst man ja oft: Dass man spektakuläre Natur nicht nur am anderen Ende der Welt findet, sondern auch, wenn man in den eigenen Garten geht und genau hinschaut. Gut, die Alpen sind jetzt nicht gerade der eigene Garten, aber eben auch nicht am anderen Ende der Welt! Wir haben das Glück, dass zum Team von „Faszination Erde“ auch eine Biologin gehört, die selbst eine leidenschaftliche Alpinistin ist und die Region extrem gut kennt. Sie hat das organisiert und uns an Orte gebracht, die man sonst nicht kennenlernt. Wir sind zum Beispiel dort in Höhlen gestiegen und haben darin übernachtet. Das war richtig spooky!

Gerade erst war Steffens unterwegs in den Alpen. (Foto: Dirk Steffens/Oliver Roetz)

Sogar für jemanden, der schon so viele unheimliche Situationen erlebt hat wie du?

Ich war zwar schon oft in verschiedensten Höhlen, habe aber noch nie zuvor in einer übernachtet. Das war also ein wirklich schräges Erlebnis. Wir lagen mit den Höhlenforschern in einem kleinen Biwak, dicht gedrängt – das ist nicht ganz Corona-konform, aber irgendwie muss man ja überleben! Wenn man sich 100 Meter unter der Oberfläche befindet, ist es naturgemäß ja sehr, sehr dunkel. Durch die Höhle fließt auch ein Fluss, es tropft von den Decken, es ist extrem kalt und der Berg arbeitet die ganze Nacht. Das heißt: Es knistert, knarzt und knallt ständig. Die Sinne sind durch die Dunkelheit extrem geschärft und wir befinden uns in einer Situation, für die wir evolutionär eigentlich nicht geschaffen sind. Normalerweise wissen wir: Unten gibt es eine gerade Fläche, oben ist der Himmel, tags ist es hell, nachts dunkel.usw. In solch einer Höhle ist das alles anders und die eigenen Sinne spielen einem Streiche. Wenn man dort nachts wach wird, glaubt man, zwischen dem Gurgeln des Bachs und dem Knarzen des Bergs ein paar Seufzer oder Wörter zu hören. Ich habe mich auch mit den Bergführern unterhalten – starke Kerle, die dort seit 30 Jahren unterwegs sind – und selbst die haben mir bestätigt: „Ja, wir hören auch Stimmen nachts, wenn das Licht aus ist.“

Härtet man bei einem Job wie deinem mit der Zeit nicht ab, was solche extremen Situationen betrifft?

Nein! Und das ist gerade das Tolle. Viele Dinge im Leben nutzen sich mit der Zeit ab. Wenn man zum ersten Mal von seinem Lieblingskuchen isst, ist die Begeisterung riesig, aber nachdem man zehn Jahre lang jede Woche ein Stück gegessen hat, ist es schon weniger besonders. Bei Naturerlebnissen ist das nicht so! Es nutzt sich nie ab. Ich bin jetzt 52 und kann sagen: Die Natur macht mich immer wieder aufs Neue so glücklich wie beim ersten Mal! Das ist doch herrlich, oder?

Wie ist es dir denn im Frühjahr ergangen, bevor du die erste Reise wieder unternehmen konntest? Dir müsste es ja besonders schwerfallen, so lange zuhause zu bleiben.

Das Reisen als solches – immer unterwegs sein, das Leben aus dem Koffer, die Warterei am Flughafen – das macht mir ja eigentlich eh keinen Spaß! Das habe ich also gar nicht vermisst. Ich fand es erstmal also sehr schön, so viel Zeit zuhause zu verbringen. Wir haben hier ein kleines Haus in Schleswig-Holstein mit einen Garten auf dem Land – das macht es natürlich angenehm und man fühlt sich nicht so kaserniert wie in einer Stadt. Ich habe gemeinsam mit meiner Frau mal überlegt, wann ich in meinem Erwachsenenleben so lange an einem Stück an einem Ort verbrach habe. Und die Antwort ist: noch nie! Privat habe ich das also wirklich genießen können, aber auch beruflich hat es mir spannende Möglichkeiten eröffnet: Als Wissenschaftsjournalist konnte ich die Krise noch einmal ganz anders beleuchten als klassische Nachrichten. In Zusammenarbeit mit der TerraX-Redaktion habe ich von zuhause aus mit meinem Smartphone Videos für die Sozialen Netzwerke aufgenommen.

Die Resonanz darauf war sehr positiv, oder?

Ja! Das hat mich extrem gefreut. Millionen Menschen haben sich die Clips angeschaut, wir haben also ähnlich viele Menschen erreicht wie mit unserer Fernsehsendung. Mit solch einem Feedback macht es natürlich umso mehr Spaß. Als Wissenschaftsjournalist muss man nicht immer tagesaktuell reagieren, das ist ein Vorteil. Wenn sich ein paar Virologen streiten, wartet man besser ein paar Tage ab, schaut sich alle Berichte in Ruhe an, liest Studien zum Thema – und erst dann macht man seinen Bericht dazu. Ich hatte das Gefühl, dass viele Menschen hier in Deutschland auf die aufgeregte Berichterstattung keine Lust mehr hatten. Viele haben darauf gewartet, dass man den Dingen etwas Zeit gibt und in Ruhe darüber nachdenkt. Das haben wir dann auch getan und auch immer die Fragen gestellt: „Was wissen wir? Und was wissen wir nicht?“ Das ist ja im tagesaktuellen Nachrichtengeschäft häufig das Problem: Es sind sehr viele Wissende unterwegs. Alle erzählen, was gerade der Stand der Dinge ist. Dabei ist es oft viel interessanter, wenn man auch mal beleuchtet, was wir alles nicht wissen!

Warst du auch vor diesen Beiträgen in den Sozialen Medien so aktiv?

Ich habe auch vorher bei Facebook und Instagram immer mal wieder Fotos von unseren Reisen veröffentlicht. Aber das lief eher so nebenher. Jetzt war es das erste Mal so, dass diese Kanäle als zentrales Medium genutzt wurden. Bisher hatte man das Publikum dort eher unterschätzt – auch von Seiten des ZDFs. Die Inhalte auf den Plattformen sollten „besser nicht zu anspruchsvoll“ sein. Das ist also auch eine positive Entwicklung der letzten Monate: Jetzt wissen wir, dass das eine totale Fehleinschätzung war. In den Sozialen Medien gibt es sehr viele Leute, die Bock haben, mal nachzudenken, wenn die entsprechenden Inhalte geliefert werden.

Was Dirk Steffens auf seinen Reportagen erlebt, ist meist extrem beeindruckend. Hier taucht er mit der Delfin-Forscherin Angela Ziltener im Roten Meer für die Sendung „Terra X – Rätselhafte Phänomene“. (Foto: ZDF/Oliver Roetz)

Du setzt dich als Journalist und jetzt auch als Buchautor seit vielen Jahren für Artenschutz und Biodiversität ein und hast vor kurzem gesagt: „Ich wollte um die Welt reisen, um Abenteuer zu erleben und Spaß zu haben. Inzwischen fühle ich mich wie ein Kriegsreporter.“ Wann war denn der Wendepunkt?

(lacht) Eigentlich ist der ursprüngliche Plan ja auch aufgegangen: Ich habe echt viel Spaß und auch viele Abenteuer erlebt. Aber irgendwann eben nicht mehr nur das. Es gibt nicht den einen Wendepunkt. Es war eine Entwicklung. Am deutlichsten habe ich es aber am Great Barrier Reef gespürt. Als ich die Unterwasserwelt dort das erste Mal gesehen habe, konnte ich nächtelang nicht schlafen, weil ich so etwas Schönes noch nie in meinem Leben gesehen hatte! Die Vielfalt, die Farben und die Größe haben mich umgehauen. Es ist das größte Bauwerk, das Lebewesen auf diesem Planeten je errichtet haben – diese kleinen Korallen haben das geleistet! Ich bin jahrelang immer wieder dort hin gefahren und der Zustand des Riffs wurde jedes Mal ein wenig schlechter. Das zu beobachten, hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Und wenn man auch nur einen ganz kleinen journalistischen Ehrgeiz hat, kann man so etwas nicht ignorieren. Weiter nur schöne Naturfilme und Hochglanz-Dokus zu machen, hätte sich angefühlt wie eine Lüge. Es ist zwar nicht falsch, wenn man die Schönheit der Natur darstellt, aber eben auch nur ein Teil der Wahrheit. Und inzwischen ist es so: Egal wo auf der Welt ich hinfahre, es gibt immer auch die Naturkatastrophe, über die ich auch berichten möchte.

Gibt es eine zentrale Botschaft, die du aus deinen Erlebnissen mitnimmst, die wirklich jeder Mensch auf dieser Welt verstehen muss?

Als Journalist hat man eine große Hemmung davor, manche Dinge klar auszusprechen: „Die Welt wird untergehen!“ Das ist kein Satz, den man gerne ausspricht. Auf das Thema Artensterben bezogen bedeutet das: Wir haben nur noch ein paar Jahre, um das Ruder rumzureißen! Ob es nun 10, 15 oder 20 sind – darüber kann man sich streiten – aber es sind auf jeden Fall nur noch so wenige, dass es unser jetziges Leben betrifft! Das ist etwas, das uns allen bewusst sein muss. Wir verlieren im Moment etwa 150 Arten pro Tag! Und da geht es um Tiere, die zu dem System beitragen, das uns alle am Leben erhält, unsere Atemluft und unser Trinkwasser liefert, unsere Nahrungsmittel bereitstellt. Das ist insofern also noch bedrohlicher als die Klimakrise. Die bedroht zwar die Art, wie wir leben, aber das Artensterben stellt die Frage, ob wir überhaupt leben! Das ist eine so große Frage, dass ich mich jahrelang nicht getraut habe, sie laut auszusprechen. Aber inzwischen ist es soweit: Es geht um das Überleben unserer Spezies. Das ist also die eine große Frage, die uns alle umtreiben sollte!

War das nun auch die Motivation, das Buch jetzt zu schreiben?

Ja! Wir haben letztes Jahr zum ersten Mal auf großer internationaler Ebene weltweit über Biodiversität gesprochen. Im UN-Bericht zur globalen Artenvielfalt wurde quasi ein Zustandsbericht der Biodiversität auf der Erde veröffentlicht. Und wenn man die Ergebnisse zusammenfasst, ist von den acht Millionen Arten, die als bekannt gelten, eine Million vom Aussterben bedroht. Das heißt: Wir erleben gerade das größte Massenaussterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier. Der Unterschied zu früheren Katastrophen ist, dass es jetzt uns Menschen gibt und wir uns um unsere Zukunft sorgen. Das ändert die Spielregeln vollkommen: Wir müssen jetzt handeln!

Was empfiehlst du denn auf privater Ebene: Wie sollen wir uns verhalten?

Ich glaube, die Antwort darauf, weiß inzwischen jeder. Im Grunde haben wir alle schon ein ziemlich gutes Bewusstsein dafür entwickelt, was vernünftig wäre. Mehr Fahrradfahren, weniger Plastikmüll verursachen, den Fleischkonsum reduzieren, weniger Flugreisen, effizienterer Energieverbrauch – wir können über all diese Dinge reden! Aber wenn wir ganz ehrlich sind, wissen wir das doch alle. Man muss aber an diesem Punkt dazu sagen: Persönliches Ökoheldentum alleine reicht längst nicht mehr aus! Wenn du jetzt beschließt, nie wieder Fleisch zu essen, kein Auto mehr zu fahren und auf dem Gehweg zu übernachten, um Heizkosten zu sparen, rettest du die Welt nicht. Es hilft erst, wenn das viele Millionen Menschen auf dem ganzen Planeten machen. Die großen Hebel müssen also betätigt werden: in der Wirtschaft, in der Industrie, im Handel und vor allen Dingen in der Politik.

Denkst du, das ist möglich?

Das ist ja eine der guten Nachrichten der letzten Monate: Es muss sehr vieles gleichzeitig passieren und entschieden werden. Und wir wissen jetzt, dass das geht! In dieser Situation ist „wollen“ das gleiche wie „können“. Hätten wir dieses Interview vor einem halben Jahr geführt und ich hätte darin gefordert, innerhalb von ein paar Tagen 90 Prozent des internationalen Flugverkehrs zu stoppen, hättest du mich für verrückt erklärt. Nun hat aber die Welt – und zwar ohne zentrale Order – genau das entschieden! Es war ja nicht das Virus, das die Flugzeuge am Boden gehalten hat, es waren Frauen und Männer, die das entschieden haben. Und das zeigt: Es ist möglich, wenn wir die Notwendigkeit wirklich eingesehen haben. Das ist eine positive Botschaft, die wir aus der Krise mitnehmen können. Wir können alles verändern, wenn wir nur wollen!

Du forderst die Politik dazu auf, solche großen Hebel zu bewegen?

Selbstverständlich! Wo wären wirklich krasse Maßnahmen denn gerechtfertigt, wenn nicht da? Lass uns mal ein bisschen politiktheoretischer denken: Die Aufgabe eines politischen Systems ist es, Grundpfeiler wie Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit usw. aufrecht zu erhalten. Aber diese Grundpfeiler kann es alle nur dann geben, wenn wir auch leben! Wenn wir sterben an verschmutzter Luft, an Seuchen oder ähnlichem – dann ist Freiheit nicht mehr wichtig, denn dann sind wir tot! Wir müssen also das wichtigste Problem zuerst lösen und das beudeutet, die Lebensgrundlage der Menschen zu erhalten. Das ist also meine krasse Forderung: „Ihr müsst jetzt verdammt nochmal alles dafür tun – einen permanenten ökologischen Ausnahmezustand ausrufen – damit wir auch in Zukunft ein wohlhabender Industriestaat sind!“ Dieses Ziel erreichen wir nicht, wenn wir weiter so viele Verbrennerautos bauen und Landwirtschaft wie im Jahr 1970 betreiben. Wir müssen viel moderner werden!

Wie gehst du denn mit Menschen um, die diese Probleme und Bedrohungen zwar auch sehen und nicht anzweifeln, aber trotzdem sagen: „Das ist eben der Lauf der Zeit!“?

Dieses Argument hört man vor allem im Zusammenhang mit der Klimakrise sehr oft. Und es stimmt: Es gab schon einige Klimakrisen, auch welche, die ähnlich schnell verlaufen sind wie jetzt. Aber es gibt trotzdem einen entscheidenden Unterschied: Es gab damals keine Menschen. Das ist der entscheidende Game Changer! Das verändert alles! Es geht heute um Kinder, Erwachsene – es geht um uns! Wir sind anders als Amöben oder Ammoniten, wir sind eine Spezies mit Mitgefühl. Es ist nicht egal, wenn Millionen Menschen sterben. Aber im Moment sterben jedes Jahr neun Millionen Menschen an den direkten Folgen von Luft- und Wasserverschmutzung. Das ist kein Geheimnis, sondern längst erforscht und bekannt. Trotzdem tun wir sehr wenig, um diese unfassbar hohe Zahl zu reduzieren. Zum Vergleich muss man sich nur mal klar machen, welche Panik plötzlich ausbricht, wenn irgendwo im Wald in Deutschland ein Wolf gesichtet wird! Wölfe haben seit hunderten von Jahren in Deutschland keinen einzigen Menschen verletzt. Autos, Hummeln, selbst Giraffen – alles ist gefährlicher für Menschen als der Wolf! Aber vor dem haben wir tierische Panik und eine Sache, die jedes Jahr neun Millionen Menschenleben kostet, lässt uns völlig kalt. Das ist leider ein Problem des Menschen: Wir müssen die Bedrohung immer sichtbar direkt vor unseren Augen haben. So wie den Wolf mit seinem aufgerissenem Maul!

Wie schaffst du es, trotzdem motiviert zu bleiben und den Eifer nicht zu verlieren?

Es gibt durchaus Momente der Frustration und ehrlicherweise auch die, wo ich richtig wütend bin. Dann muss ich auch mal kurz aus dem Raum gehen und durchatmen, bevor ich wieder reinkomme und nett bin. Ja, manchmal würde ich meinem Gegenüber gerne in die Fresse hauen – aber das ist ja keine Lösung. Wir müssen uns ja auch in unseren Methoden von den Bösen unterscheiden, sonst sind wir keine Guten! Frustration und Resignation helfen nicht beim Lösen eines Problems. Mir ist jedenfalls kein Problem der Welt bewusst, das gelöst wurde, indem man aufgegeben hat. Deswegen ist der Satz des Philosophen Karl Popper so wichtig: „Optimismus ist Pflicht!“ Was klingt wie ein Spruch aus dem Glückskeks, ist in Wahrheit natürlich viel mehr – gerade im ökologischen Zusammenhang. Wir haben keinen Planeten B. Was würde es also bedeuten, wenn wir resignieren und die Probleme nicht mehr versuchen zu lösen? In dem Moment haben wir dann schon verloren. Ich weiß auch nicht, ob es gut ausgehen wird! Aber wenn wir es versuchen, haben wir zumindest die Chance darauf. Und es bereitet einem ja auch viel mehr Freude, wenn man mit Hoffnung durchs Leben geht.

Du hast aber auch einmal gesagt: „Wir können die Krise nicht mehr verhindern“? Wie sieht denn dann eine hoffnungsvolle Zukunft für uns alle aus?

Es gibt ja die „self fulfilling prophecy“. Wenn wir uns heute ständig erzählen, dass in 50 Jahren nur noch graue, gebückte Gestalten unter einem braunen, verseuchten Himmel durch zerstörte Städte wanken, dann wird es wahrscheinlich auch so kommen! Wenn wir aber an die Innovationsfähigkeit der Menschen glauben und sehen, dass wir Dinge positiv verändern können, hat das auch einen Einfluss auf die Zukunft. Wenn ich zum Beispiel aus meinem Haus hier in Schleswig-Holstein gehe, kreisen über mir wieder Seeadler. Die hat es vor einigen Jahren hier eigentlich schon nicht mehr gegeben. Wir können also die Hoffnung auf eine bessere Zukunft haben! Eine Zukunft, in der wir gesünder leben und insgesamt glücklicher sind. Man muss sich ja nur mal bewusst machen, wie viele Beschwerden, Krankheiten und psychische Störungen es gibt – Diabetes, Asthma, Depressionen – die direkt damit zusammenhängen, wie unsere Zivilisation aktuell aufgebaut ist. Wir sollten also alle – ich vielleicht noch ein bisschen mehr als andere – damit aufhören, ständig vom Weltuntergang zu sprechen. Umweltschutz ist viel zu oft etwas Negatives: Es geht um Verzicht und Einschränkungen. Aber in Wahrheit ist es genau das Gegenteil: Wenn wir es schaffen, eine moderne Wirtschaft aufzubauen, wird alles besser! Wir werden gesünder und wohlhabender sein! Wenn Deutschland es schafft, Autos zu bauen, die umweltfreundlicher sind als alle anderen auf der Welt, werden wir noch erfolgreicher sein mit unserer Industrie. Umweltschutz ist ein positives Narrativ für eine bessere Zukunft, keine Verzichtserzählung.

Im Kongobecken watet das Terra X-Team mit Dirk Steffens durch einen Urwaldfluss, um zum Ziel zu kommen. (Foto: ZDF/Oliver Rötz)

Das wäre auch eine Forderung an die Politik, dieses Narrativ zu ändern, oder?

Absolut. Populisten wie Trump oder auch viele aus der AfD nutzen auch positive Erzählungen für ihre Zwecke. Sie versprechen uns mit ihren Plänen immer eine bessere Zukunft. Trump wollte „America Great again“ machen, die AfD erzählt uns, mit weniger Ausländern hätten wir keine Kriminalität und keine Arbeitslosen mehr, Bolsonaro verkündet, dass Brasilien das Land Nummer Eins wird, wenn man nur noch mehr Regenwald abholzt. Das ist natürlich alles völliger Unsinn, aber es sind positive Narrative. Ausgerechnet die, die Richtiges sagen, sind so negativ in ihrem Erzählungen. Das ist nicht clever. Wir müssen dem Schwachsinn der Populisten, realistische positive Erzählungen gegenüberstellen!

Dann lass uns zum Schluss auch noch positiv in die nähere Zukunft blicken: Wo geht die nächste Reise hin?

Die Planung ist aktuell natürlich immer noch ein bisschen schwierig. Unter anderem wäre eines der nächsten Ziele Brasilien gewesen – da kann man in absehbarer Zeit natürlich erst mal nicht hin! Was aber auch auf dem Plan steht – und ich bin optimistisch, dass das klappt – ,ist Island! Dort wollen wir die Vulkane in den Fokus nehmen, deren Rolle bei der Entstehung des Lebens und ihre Bedeutung für das Klima beleuchten. Dorthin geht es also nach einer kleinen Sommerpause für uns. Und danach hoffe ich, dass wir bald wieder um die ganze Welt reisen können!

Buch: Über Leben, Zukunftsfrage Artensterben: Wie wir die Ökokrise überwinden (Dirk Steffens und Fritz Habekuss), Penguin Verlag, ISBN: 978-3-328-60131-9