Almuth Schult - ARD Expertin im Sportschau-Studio. (Foto: WDR/Guido Rottmann)

Steckbrief: Almuth Schult

  • Geboren am 9. Februar 1991 in Dannenberg (Elbe).
  • Seit 2013 als Torhüterin beim VfL Wolfsburg.
  • Absolvierte bereits 64 Spiele für die Deutsche Nationalmannschaft.
  • Titel: 5 Mal Deutsche Meisterschaft (VfL Wolfsburg),  7 Mal Pokalsiegerin (VfL), Europameisterin 2013, U-20 Weltmeisterin 2010, Welttorhüterin 2014.
  • Während der Europameisterschaften der Männer ist sie aktuell als ARD-Expertin im TV zu sehen.

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Im letzten Jahr sind Sie Mutter von Zwillingen geworden. Nach einer längeren Pause sind Sie nun wieder aktiv als Fußballerin eingestiegen und ich kann mir vorstellen, dass das eine wahnsinnige Energie fordert.

Almuth Schult: Energie kommt aus der Freude und wenn man etwas gerne macht und sich darauf vorbereitet, dann kommt der Enthusiasmus und die Energie von alleine. Auch die Kinder rufen eine positive Hormonlage hervor. Natürlich ist es manchmal Stress, aber im Großen und Ganzen ist es einfach nur schön. 

Mit Zwillingen haben Sie ja auch den doppelten Stress.

Almuth Schult: Genau (lacht), aber natürlich auch die doppelte Freude!

In Ihrer Karrierelaufbahn haben Sie außer dem Weltmeisterpokal schon alle Titel erreicht. 

Almuth Schult: Das stimmt. Den Weltmeistertitel habe ich leider bisher nur in der U20-Nationalmannschaft erreicht. Aber zumindest konnte ich schon mal vorfühlen und ich hoffe, dass es mir in meiner anstehenden Zeit mal vergönnt sein wird.

Woher nehmen Sie die Motivation, nochmal diesen großen Schritt zu machen?

Almuth Schult: Es ist einfach immer etwas Neues. Jeder Titel ist anders. Ich kann auch nicht sagen, dass es langweilig ist, Deutscher Meister zu werden. Man hat immer ein ganz anderes Team um sich herum, es gibt immer eine ganz andere Ausgangssituation. Es ist bisher bei keinem Titel gleich gewesen. Das Gefühl, einen Titel zu gewinnen, ist die Bestätigung für die Arbeit, die man leistet, und das ist was Tolles. So ist es auch für andere bei der Arbeit, wenn man seinen Beruf liebt und Erfolge feiern kann. Dann ist es vielleicht nicht der Deutsche Meistertitel aber zum Beispiel eine Auszeichnung für ein Projekt, das man gemacht hat, und so sucht man sich das nächste Projekt, um es genauso gut oder vielleicht sogar noch besser zu machen. So ist es in unserem Beruf auch.  

Sie spielen jetzt beim VfL Wolfsburg, dessen Frauenfußballerinnen sehr erfolgreich sind. Wie ist der Stellenwert innerhalb des Vereins zum Frauenfußball. Ist er wirklich so hoch und erfahren Sie jetzt als Mutter entsprechende Unterstützung? 

Almuth Schult: Der Stellenwert ist schon relativ hoch. Wir sind natürlich noch nicht komplett gleichgestellt mit unseren männlichen Kollegen. Wir haben aber im Vergleich mit allen Frauenbundesligisten super Bedingungen, wofür wir sehr dankbar sind. Als Mutter ist es für mich jetzt etwas Neues. Ich stehe immer im Austausch mit dem Verein, was verbessert werden könnte. Es ist schön, dass ich unsere Familie im Hintergrund habe. Ohne sie wäre es für mich organisatorisch doch sehr schwierig, da wir keine vereinsinterne Kita oder etwas dergleichen haben. Aber es geht ja auch darum, einen Weg für die nächsten Jahre zu schaffen und den Weg auch für andere, die es irgendwann mal betrifft, zu ebnen.

Es gibt doch viele Firmen, die für Kinder ihrer Mitarbeiter einen angeschlossenen Kindergarten haben. Ich nehme an, dass dies bei VW auch der Fall ist. 

Almuth Schult: Ich schätze VW hat das auch. Im weitesten Sinn sind wir ja auch VW-Mitarbeiter, da der VfL ein Tochterunternehmen ist. Da müsste ich bei VW doch vielleicht mal fragen (lacht). Was bestimmt aber auch wieder schwierig wäre, denn die Kita wird gewisse Öffnungszeiten haben, die für mich eher schwierig einzuhalten sind. 

Sie waren ja die unangefochtene Nummer eins in Wolfsburg und bei der Nationalmannschaft, sind dann in Mutterschutz und Elternzeit gegangen, nun zurückgekommen und auf einmal die Nummer drei. Wie schwer ist es für Sie, das zu akzeptieren?

Almuth Schult: Durch meinen Ehrgeiz ist es auf der einen Seite schwer, auf der anderen Seite ist es für mich aber auch ein Ansporn und eine Herausforderung an meine Fähigkeiten. Ich möchte jedem beweisen, dass es funktioniert und dass ich mir meinen Platz zurück erkämpfe. Es ist ein zweischneidiges Schwert, was mir aber vorher durchaus bewusst war. Auch wenn jemand nach einer langen Verletzung zurückkommt, muss er seinen Platz zurückerobern. Ich habe vorher schon gesagt, dass ich mit meiner Karriere sehr zufrieden bin, auch wenn ich das Comeback nicht schaffen sollte. Dann bin ich nicht böse auf den Trainer oder den Verein. Ich habe Vertrauen in meine Fähigkeiten gehabt und war mir sicher, dass ich den Weg wieder schaffen werde. Ansonsten wäre ich den Weg gar nicht mit diesem Enthusiasmus angegangen. Letztendlich ist es schön, dass ich es geschafft habe. Allerdings bin ich noch nicht wieder auf dem selben Niveau, auf dem ich vorher war. Da ist noch ein bisschen Potential und ich hoffe, dass ich den Stand zur neuen Saison wieder erreiche. 

Gibt es für Sie eine Sportlerin oder Torhüterin als Vorbild, an der Sie sich auch ein bisschen orientieren? 

Almuth Schult: Als Torhüterin habe ich kein direktes Vorbild. Es ist so, dass ich viele Spiele anschaue und mir dann von den Torhütern Dinge abschaue, die ich auch so machen möchte. Natürlich auch im umgekehrten Sinn – ich sehe, was ich nicht machen möchte. So mache ich das schon mein ganzes Leben. Als Sportlerin, die als Mutter zurück gekommen ist, fand ich Christina Schwanitz sehr beeindruckend. Die es vorgemacht hat, dass man es auch mit Zwillingen wieder schaffen kann. Im Fußball sind viele Amerikanerinnen Vorreiterinnen. Viele Spielerinnen spielen als Mutter weiter und zeigen, dass der Spagat funktioniert. Der amerikanische Fußball hat schon eine andere Struktur für Mütter – auch wie sie unterstützt werden. Hoffen wir mal, dass sich das in Deutschland auch so aufbaut. 

Ist es eine Traumvorstellung in den USA zu spielen? Der Frauenfußball hat dort ja einen ganz anderen Stellenwert. 

Almuth Schult: Auf der einen Seite ist es schon ein kleiner Wunsch, allerdings ist die amerikanische Liga ganz anders als die deutsche Liga. Dort wird nur ungefähr ein halbes Jahr gespielt und dann hat man ein halbes Jahr Pause. Was zum Ende der Karriere bestimmt gut ist (lacht), aber wenn man mittendrin ist und auch in der Nationalmannschaft spielt, ist das schwierig. Im November oder im März werden Qualifikationsspiele gespielt und zu der Zeit hat man dann keine Spielpraxis im Verein. Das ist eine ungewohnte Situation. Wenn auch die Saison im Sommer weitergeht, obwohl man bei einem Turnier beispielsweise einer EM oder WM ist, wäre man die ganze Zeit nicht bei seiner Mannschaft. Das ist ein Konzept, mit dem ich mich noch nicht so richtig anfreunden kann. Aber die Erfahrung im Ausland ist bestimmt viel wert. Ich habe auch in Wolfsburg internationale Mitspielerinnen, die immer wieder berichten, wie schön es ist, eine andere Kultur und Sprache kennen zu lernen. Was über den Fußball sehr einfach ist, da immer der Kontakt zu anderen Mitspielerinnen besteht. 

Sie hatten doch sicher schon die Möglichkeit, ins Ausland zu wechseln.

Almuth Schult: Nicht so oft, wie man vielleicht denkt. Ich wurde hauptsächlich von deutschen Clubs angesprochen. Es war auch bis vor drei oder vier Jahren etwas schwieriger, im Ausland zu spielen, weil man bei den Bundestrainerinnen nicht so sehr im Fokus stand.  Zu der Zeit war die Übertragung der Ligen noch nicht so beständig wie heute. Inzwischen gibt es aber nicht mehr die Ausrede, wir seien nicht sichtbar. Es gehen heute mehr Spielerinnen ins Ausland, weil dort der Stellenwert des Frauenfußballs doch höher ist und mittlerweile die Liga eine bessere Sichtbarkeit hat. 

Während Ihrer Karriere hatten Sie bereits sowohl Trainerinnen als auch Trainer gehabt. Ergibt sich hier für Sie ein Unterschied, ob männlich oder weiblich?

Almuth Schult:  Es ist einfach die Führungsperson, egal ob Mann oder Frau. Ich schätze die Kompetenz des Trainers oder der Trainerin. Mich hat sowohl ein männlicher wie weiblicher Trainer überzeugt oder auch mal nicht. Das richtete sich immer nur nach der Persönlichkeit und Authentizität der Person, nach dem fußballerischen Vermögen und dessen Vermittlung. Das kann bei Männern und bei Frauen gegeben sein. Oftmals hat man ja auch ein gemischtes Trainerteam. Das haben wir hier in Wolfsburg und auch in der Nationalmannschaft. Ich bin da ganz vorurteilsfrei und beobachte, was der Mensch kann. 

Ich habe fast nur Mitarbeiterinnen und bin der Meinung, dass Frauen einfach leistungsstärker sind.

Almuth Schult:  Vielleicht können einige ein höheres Stresslevel ab, ohne den Stress direkt persönlich zu nehmen.

Absolut. Deshalb fände ich es auch gut, wenn in einer Vereinigung wie dem DFB mehr Weiblichkeit Einzug halten würde – auch in Führungsebenen. 

Almuth Schult: Das ist unser Wunsch. Vor Kurzem kam das Positionspapier einer Gruppe von Frauen heraus, der ich auch angehöre. Mehr Diversität würde der Führung des Verbandes, denke ich, helfen.

Sie sind jetzt bei der EURO beim Expertenteam der ARD mit dabei. Bekommen Sie bei Experten nicht auch manchmal Ausschlag, bei dem, was sie vom Stapel lassen?

Almuth Schult: Grundsätzlich kann natürlich jeder sagen, was er möchte. Worüber ich mich aber aufregen kann, ist, wenn jemand etwas völlig Unfundiertes erzählt. Sagen wir mal, es wird über den Frauenfußball geurteilt, obwohl man noch gar kein Bundesligaspiel von Frauen gesehen hat.

Bei der EM im Expertenteam der ARD dabei – Almuth Schult. (Foto: Guido Rottmann/WDR)

Werfen Sie als Expertin verstärkt auch ein Auge auf Manuel Neuer?

Almuth Schult: Natürlich werde ich verstärkt ein Auge auf ihn haben. Aber nicht nur auf Manuel Neuer, sondern auf alle Torhüter bei der Europameisterschaft. Es ist ganz normal, dass man diese Positionen genau beobachtet, wenn man den Beruf ausübt. Man schaut, was gut oder schlecht gelaufen ist. Ich freue mich, wenn ein Torhüter eine super Aktion hat, leide natürlich aber auch mit, wenn ihm ein Fehler unterläuft. Ich hoffe, dass wir allgemein bei der EM sehr gute Torhüterleistungen sehen werden. 

In Deutschland sind wir ja schon immer mit guten Torhütern gesegnet. 

Almuth Schult: Das ist richtig. Wir haben meiner Meinung nach auch aktuell den weltbesten Torhüter. 

Wagen Sie einen Tipp, wie weit die Deutsche Mannschaft kommt oder ist Ihnen das zu heikel?

Almuth Schult: Schwierig, das ist wie eine Wundertüte. Grundsätzlich ist Deutschland immer eine Turniermannschaft gewesen. Das haben sie, abgesehen von der WM 2018, gezeigt. Sie haben sehr gute Spieler in ihren Reihen und somit erwarte ich, dass sie die Gruppe, die ja doch schwer ist, überstehen. Viertelfinale muss das Minimalziel sein. Ich traue der deutschen Mannschaft viel zu, aber es sind auch gute Gegner vorhanden. Die UEFA ist die stärkste Föderation auf der Welt mit Weltklasse-Spielern und super Nationen. Ich könnte auf die Schnelle fünf Favoriten aufzählen und trotzdem kann auch eine ganz andere Mannschaft überraschen. Selbst Griechenland ist bereits Europameister geworden!

Das Aufgebot, das Joachim Löw benannt hat, begeistert mich. Das Leistungsprinzip wurde ganz klar in den Vordergrund gestellt und es haben weniger Erbhöfe eine Rolle gespielt. 

Almuth Schult: Mir war klar, dass unser Bundestrainer uns wieder mit ein zwei Nominierungen überraschen wird, was auch gut ist. Es wundert mich manchmal nur ein bisschen, dass man Spieler nicht schon vorher im Team ausprobiert hat. Die vielen Neuen, die lange nicht dabei waren, müssen erst einmal wieder ihren Stand im Team finden.

Wird der Bayern-Block eine wichtige Rolle spielen?

Almuth Schult: Klar, der hat auf jeden Fall ein großes Standing. Da mache ich mir keine Sorgen. Es stellt sich nur immer die Frage, was drumherum passiert. Letztendlich haben die Jungs ja alle ein Ziel. Sie wollen das Trikot der Nationalmannschaft tragen und damit erfolgreich sein. Das ist ein Ziel, das zusammenschweißt. 

Wird einem der Ehrgeiz in die Wiege gelegt oder entsteht er mit der Zeit?

Almuth Schult: Ich glaube, es muss dafür schon eine gewisse Veranlagung vorhanden sein. Sind die Eltern ehrgeiziger als die Kinder selbst, machen die oft zu und wollen nicht mehr, obwohl sie eigentlich das Potential dafür gehabt hätten. Man muss selbst einen inneren Antrieb haben. Es ist nicht jeder für jeden Beruf geschaffen. Man sollte genau das finden, woran man Spaß hat und in dem man diesen intrinsischen Ehrgeiz entwickeln kann. Talent ist natürlich auch wichtig, allerdings sind es oft die fleißigen Spieler, die die Talente überholen. Der Ehrgeiz gehört einfach dazu und muss einem schon auch in die Wiege gelegt sein.