Lisa Maria Potthoff: „Wo Licht ist, ist auch Schatten“

Unter vier Augen: Schauspielerin Lisa Maria Potthoff im Interview mit dem Pfalz-Echo

Lisa Maria Potthoff ist am Montag, 6. April, im ZDF zu sehen. (Foto: Linda Rosa Saal)

Sie haben die Krimireihe „Sarah Kohr“ für das ZDF gedreht. Was würden Sie sagen, was „Sarah Kohr“ besonders ausmacht und wodurch hebt sich das Format ab?

Lisa Maria Potthoff: Erstmal vor allem das Genre: Ich sehe das gar nicht als Krimi-, sondern eher als Thrillerformat. Was definiert einen Krimi? Das ist die klassische Ermittlertätigkeit mit dem Herausfinden, was gestern zwischen 18 und 21 Uhr zum Tod von einer Person geführt hat. Bei Sarah Kohr ist es die Thrillerkomponente, die ich spannend finde. Nämlich, dass die ermittelnde Figur – in meinem Fall Sarah Kohr – Teil des Geschehens und des Falles wird. Sie begibt sich selbst auch in große Gefahr und es gibt keine andere Person außer ihr, die diesen Fall lösen kann. Das ist eher spannungsgetrieben: Die Zeit drängt und ein Leben ist in Gefahr.

Also die Betonung liegt auf Action?

Lisa Maria Potthoff: Genau, und die Figur kann dadurch sehr viel körperlicher agieren, ist kampferprobt, ein bisschen eckig und kantig – und wortkarg (lacht). Sie hat kein Alkoholproblem, was Film-Kommissare sonst gerne haben, aber ihr familiärer Background ist nicht wahnsinnig harmonisch und sie hat das Verhältnis zum Staatsanwalt. Ich finde, sie bricht ein bisschen heraus aus den anderen Kommissaren, sie ist der lonesome Cowboy.

Das Motto am heutigen Tag ist „Starke Frauen“ – Sarah Kohr ist körperlich ja auch sehr stark. Würden Sie sie als eine Feministin bezeichnen?

Lisa Maria Potthoff: Damit würde sie sich gar nicht groß befassen, damit könnte sie nicht viel anfangen. Sie würde sich für nichts instrumentalisieren lassen wollen. Was aber sicher modern oder feministisch an ihr ist, ist dass sie „wilder raufen kann als mancher Kerl“ hat mal eine Zeitschrift über sie geschrieben. Das hat sicher eine feministische Komponente, sie hat im Grunde aber auch eine große Schwäche, nämlich die Unfähigkeit Schwäche zuzulassen. Wenn jemand Schwäche zulassen kann, dann empfinde ich das als eine große Stärke und das kann Sarah Kohr nicht. Also ist sie von ihrer psychischen Grundkonstitution nicht nur die starke Frau, sie zeigt auch große Schwächen, wie Bindungsangst, das ist ja nicht unbedingt souverän – auch wenn sie immer eine große Souveränität vortäuscht. Diese Komplexität finde ich (…) schön. Ich finde nicht, dass man nur noch mega patente, eloquente Frauen erzählen muss, das bildet ja die Gesellschaft nicht ab.

Was macht Ihnen am Beruf des Schauspielers am meisten Spaß?

Lisa Maria Potthoff: Dass kein Tag ist wie der andere. Das ist aber gleichzeitig auch das, was mich manchmal total stresst. Was ich total schön finde ist, dass ich an einem Tag nette Interviewgespräche haben kann, an einem anderen Tag gehe ich ins Kickbox-Training für Sarah Kohr, am darauf folgenden Tag habe ich Nachsynchron für die Eberhofer Filme, dann beginnt die Berlinale, dann ist ein Dreh oder ich geh nach Hause, bin Mutter und versorge die Kinder. Es gibt weniger frustrierenden Alltagstrott, gleichzeitig ist das aber auch die Herausforderung, dass ich mir manchmal wünschen würde, zu wissen wie die nächsten Tage verlaufen. Manchmal ist diese fehlende Routine auch total nervig. Es hält jung, aber es stresst auch. Wo Licht ist, ist auch Schatten!

Sie haben gerade erwähnt, dass sie auch Kampfsport betreiben. Nur für die Rolle oder machen Sie das auch privat als Hobby?

Lisa Maria Potthoff: Es macht mir Spaß und deswegen kann ich es als Hobby bezeichnen. Sofern man überhaupt sagen kann, dass Sport ein Hobby ist, denn es ist schon auch anstrengend (lacht). Ich habe mir Kickboxen als Sportart ausgesucht, weil es für mich einfach Sinn macht. Man bleibt wahnsinnig fit und ich kann es für Sarah Kohr nutzen: ich kann die Kampfchoreographien des Stunt-Koordinators besser und schneller umsetzen und von daher mache ich das jetzt.

Neben Sport als Hobby lesen Sie auch viel und gerne, unter anderem Nachrichtenmagazine. Ist das aktuell auch so?

Lisa Maria Potthoff: Ich hatte einmal eine Zeit, in der ich manisch den „Spiegel“ gelesen habe. Den hatte ich immer dabei und jetzt habe ich mittlerweile die App (…). Ich lese eigentlich wirklich viel, was ich derzeit aber vernachlässige und das ärgert mich ein bisschen. Gerade Romane oder richtig gute Literatur zu lesen, bekomme ich derzeit irgendwie nicht hin.

Das heißt, Sie sind interessiert an politischen Entwicklungen?

Lisa Maria Potthoff: Ja, mein Mann und ich sind auf jeden Fall politisch interessiert. Es ist eine brisante Phase im Moment. Ich möchte jetzt gar nicht ins Detail gehen, aber ich glaube es ist schwierig, weil die Politik immer mehr Abstand zum Bürger kriegt. Das befeuert schwierige Strukturen. Das Schöne ist, dass mein Mann und ich uns so dafür interessieren, dass unsere Kinder auch politisch immer interessierter werden. (…)

Lisa Maria Potthoff mit Redakteurin Anne Herder. (Foto: eis)

Sie geben Ihren Kindern das politische Interesse als Vorbild mit?

Lisa Maria Potthoff: Ja, genau. Wir versuchen unserer älteren Tochter aber auch die Freiheit zu lassen, ihre eigene politische Richtung zu wählen, spüren aber schon, dass man diese als Eltern mitprägt. Daher wird sie sicher keine AFD-Wählerin, es sei denn – wenn wir Pech haben – aus pubertärem Trotz. Aber davon ist Gott sei Dank noch nichts zu spüren (lacht).

Schauen Sie Ihre eigenen Filme?

Lisa Maria Potthoff: Ja, meine Produktionen schaue ich, aber meistens gar nicht im Fernsehen, sondern schon im Vorfeld. So kann ich auch im Zusammenhang von Interviews besser Rede und Antwort stehen; die Dreharbeiten selbst sind ja meist extrem subjektiv und kleinteilig, sodass es für mich Sinn macht das Gesamtwerk einmal zu sehen. (…)Es ist nicht so, dass ich es gerne mache, aber ich finde es seriöser, wenn ich auf Fragen zum Projekt antworten kann, weil ich weiß, worum es im Zusammenhang geht.

Was schauen Sie sich privat im Fernsehen gerne an?

Lisa Maria Potthoff: Ich bin tatsächlich auch in diesem Serienmodus gerade. Im Moment schaue ich über verschiedene Kanäle Bad Banks. Dieses klassische 20.15 Uhr Programm bekomme ich als Mutter von zwei Kindern nicht hin. Dass ich Serien so liebe, liegt aber auch daran, dass ich die Unterhaltung beibehalten möchte. Wenn ich z.B. einen Roman lese, dann lese ich gerne dicke Schmöker, weil ich dann weiß, dass ich die nächsten drei Wochen anregende Kulturunterhaltung habe. Ich lese gerade ein Buch mit etwa 130 Seiten und wenn es mir gefällt, ist das in drei Tagen wieder vorbei. (…) In der Schule unserer Tochter war im Frühjahr „careers day“ und mein Mann wollte den Schülern als Dokumentarfilmer seinen Beruf näher bringen mit Steven Spielberg und „Der weiße Hai“. Da war Nulllinie, die Kinder hatten keine Ahnung, wer Spielberg ist und sie hatten auch noch nie vom weißen Hai gehört (lacht). Dafür kenne ich die ganzen Youtuber nicht! Als ich Skylines gedreht habe, mit den ganzen Rappern um mich rum, da kannte ich auch niemanden. Ich meine das nicht arrogant, aber ich bin in dieser Youtube-Subkultur nicht so drin.

Sie spielen oft in Filmen mit, in denen der bayrische Dialekt eine Rolle spielt. Warum gibt’s denn so viele Filme mit bayrischem Dialekt?

Lisa Maria Potthoff: Ich glaube, der bayrische Dialekt ist neben dem hanseatischen „Moin“ im deutschsprachigen Raum das Einzige, was die Leute akzeptieren. Viele Dialekte würden im Fernsehen nicht funktionieren. Ich bin ein großer Fan des Dialekts, man erschafft sofort eine Figur, man hat sofort eine Eigenart, nur durch die Sprechweise.

Finden Sie es schade, dass Sie privat keinen Dialekt sprechen?

Lisa Maria Potthoff: Nein, Hochdeutsch finde ich für mich wirklich passend und es gibt mir als Schauspielerin die Möglichkeit, mich breiter aufzustellen. Aber wenn ich in München mit meinen alten Freunden zusammen bin, dann rutsche ich schon in so was leicht „münchnerisches“ und das mag ich dann auch. Mein Mann sagt immer, man hört, wenn ich in München war. (…)

Hätte es für Sie jemals einen anderen Weg gegeben als die Schauspielerei?

Lisa Maria Potthoff: Ja mit Sicherheit! Ich bin da recht pragmatisch, wobei das lässt sich immer leicht sagen. Wenn ich jetzt fünf Jahre brotlos zu Hause rumgesessen und gemerkt hätte, das macht irgendwie keinen Sinn mit der Schauspielerei, dann hätte ich etwas Anderes gefunden. Es ist nicht so, dass gar nichts anderes für mich interessant gewesen wäre. Ich komme aus einem Mediziner-Haushalt, meine Mama ist Ärztin, mein Vater Psychologe. Mit 18 fand ich alles eklig, was mit Blut und offenen Wunden zu tun hat, aber mit zunehmendem Alter hätte ich mir Medizin vorstellen können. Die Geburtshilfe finde ich ein spannendes Feld, das wäre mein Ding. Ich wäre jetzt eine erfolgreiche Gynäkologin auf einer Geburtsstation! (lacht)