Die Umfragewerte der CDU sind in letzter Zeit gesunken. Wie geht es Ihnen als CDU-Politiker damit – auch im Hinblick auf die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Bayern und Hessen?

Martin Brandl: Es ist wichtig, dass wir uns in der CDU dieser Ergebnisse bewusstwerden und dass wir uns überlegen, wie wir damit umgehen. Der Erneuerungsprozess in der CDU ist in vollem Gange. Wir wählen am 7. Dezember einen neuen Parteivorsitzenden bzw. eine neue Parteivorsitzende. Damit verbunden ist natürlich auch eine inhaltliche Erneuerung. Die Wahlergebnisse kommen durch diese massiven Streitereien in der Großen Koalition zustande, haben ganz wenig Landesbezug und sind vor allem dem bundespolitischen Streit geschuldet. Streit ist natürlich nie gut. Eine Regierung ist da, um zu regieren, das Land voranzubringen und nicht, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Von daher sind diese Ergebnisse nachvollziehbar.

Was denken Sie, wie es weitergeht?

Martin Brandl: Es gibt ein ganz enges Rennen zwischen Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer und der Ausgang ist in der Tat sehr offen.

Wäre ein Rücktritt von Angela Merkel auch als Kanzlerin nicht sinnvoller gewesen?

Martin Brandl: Ich sehe im Moment nicht, warum die Kanzlerin zurücktreten soll.

In solch einer aufgeheizten Stimmung besteht ja auch immer die Gefahr, dass extreme Strömungen Aufwind bekommen. Haben Sie vor diesem Hintergrund auch manchmal Angst vor den nächsten Wahlen?

Martin Brandl: Genau deshalb liegt es jetzt an der Regierung, das Land weiterzubringen. Tatsächlich auch, Probleme zu lösen und Perspektiven aufzuzeigen. Für mich ist die Rentenproblematik einer der zentralen Punkte, der weit in die Zukunft reicht und bei dem es in der Bevölkerung eine ganz große Unsicherheit gibt: Auf welches Rentenniveau hat man im Alter noch Anspruch? Wie lange muss ich arbeiten? Was sind die Konditionen? Das ist eines der Themen, das die Menschen auch bewegt und umtreibt. Auch die innere Sicherheit ist so ein Thema. Hierbei ist es wichtig, dass man klarmacht, wie die Realität aussieht. Die Kriminalität in Deutschland ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen aber das Gefühl, die Angst, Kriminalitätsopfer zu werden, hat deutlich zugenommen. Das ist ein Punkt, der sich widerspricht. Genau deshalb muss die Regierung daran arbeiten, diese Probleme zu lösen und diese Dinge auch klar anzusprechen. Dann bin ich mir auch sicher, dass der Lauf zu radikalen Positionen und Parteien abnimmt.

Mit welchen Gefühlen würden Sie denn Neuwahlen aktuell entgegensehen?

Martin Brandl: Neuwahlen sind aktuell für mich keine Option. Eine Regierung wurde gewählt, die Menschen, die Bürger, haben gewählt und jetzt hat die Politik die Aufgabe, diesen Wahlauftrag auch umzusetzen. Man kann nicht dauernd wählen, wenn einem das Ergebnis nicht passt, sondern man muss dann Kompromisse finden. Dieser Staat ist auf Kompromissen aufgebaut, das ist in unserer Kern-DNA, in unserer Verfassung, verankert, dass wir Kompromisse machen müssen. Ich finde es schlimm, dass im Moment Kompromissfähigkeit als Schwäche ausgelegt wird. Es erscheint in der Öffentlichkeit immer mehr opportun, dass harte Haltungen ein Ausdruck von Stärke wären. Ich widerspreche dem ausdrücklich: Gerade die Fähigkeit zu sachorientierten Kompromissen ist eine Stärke unserer Demokratie, eine Stärke unseres Landes und darauf sollten wir uns auch wieder besinnen.

Die politische Umbruchstimmung ist ja nicht zuletzt auch durch heftige Diskurse in sozialen Netzwerken befeuert worden. Von außen entsteht dort häufig der Eindruck, Anhänger der AfD seien in der großen Überzahl. Haben die anderen Parteien das Internet unterschätzt und dort zu wenig investiert bzw. diesen Trend verschlafen?

Martin Brandl: Ich bin nach wie vor überzeugt, die demokratische Mitte ist weiter in der übergroßen Mehrheit. Diese Populisten sind vor allem laut und sind bei weitem nicht in der Mehrheit. Sie sind schon gar nicht das Volk, was sie versuchen, zu proklamieren. Vor diesem Hintergrund müssen wir natürlich auch aktiver werden. Was aber gar nicht geht ist die Methode der AfD: mit illegalen Spendengeldern Bots zu bezahlen.

Welche Vor- und welche Nachteile sehen Sie in den sozialen Netzwerken?

Martin Brandl: Das Internet ist ein Raum geworden, in welchem manche aggressiver argumentieren und auch aus Gefühlslagen andere verbal angreifen. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung. Wir müssen uns klarmachen, dass das Internet genauso gehandhabt werden müsste, wie der persönliche Umgang. Das, was man jemandem persönlich nicht ins Gesicht sagt, das sollte man auch im Internet nicht tun.

Martin Brandl (Mitte) beim Pfälzerwald-Verein in Sondernheim. (Foto: Michael Erhart)

Thema Europawahl 2019: Wie sensibilisieren Sie die Menschen, wie wichtig diese Wahl für Europa ist, gerade im Hinblick auf europakritische Parteien?

Martin Brandl: In der Südpfalz haben wir das große Glück, die Spitzenkandidatin der CDU in Rheinland-Pfalz zu haben – Christine Schneider. Sie wird das Thema Europa hervorragend besetzen und vertreten. Aus meiner Sicht müssen wir immer wieder klar voranstellen, dass die Europäische Union, das größte friedenspolitische Projekt ist, das Europa in seiner Geschichte kennt. Mehr als 70 Jahre Frieden durch die europäische Einigung, ist ein absolut wertvoller Schatz, den wir einfach noch stärker würdigen müssen. Auch unser wirtschaftlicher Erfolg in Deutschland hängt von der Europäischen Union ab. Vor diesem Hintergrund müssen wir natürlich die Menschen noch stärker für diese Errungenschaften sensibilisieren. Europa muss sich aber auch stärker und lösungsorientierter um die großen Themen kümmern und weniger um die letzten kleinen Details. Da spreche ich beispielsweise die Datenschutzverordnung an, hier regelt Europa die kleinen Details bis in den kleinsten Verein hinein, aber man bekommt es nicht hin, eine europäische Armee zu formen. Da gibt es, aus meiner Sicht, ein Ungleichgewicht und die Europapolitik muss diese Dinge wieder in den Fokus nehmen. Europa ist wichtig, um den einzelnen Mitgliedsstaaten weltweit Bedeutung zu verschaffen.

Mit welchen Themen kommen die Menschen in der Bürgersprechstunde auf Sie zu? Wie ist die Stimmung? Welche Eindrücke haben Sie gesammelt?

Martin Brandl: Bei mir geht es ganz viel um Bildung. Im Moment geht es ganz stark um das neue Kindergartengesetz. Viele Eltern und Erzieherinnen sind sehr besorgt, wohin sich das Thema entwickelt. Aber jeder, der ein individuelles Anliegen hat, ist bei mir gut aufgehoben.

Hat sich bei diesen Gesprächen etwas verändert in den letzten Jahren?

Martin Brandl: Denjenigen, die mir zu Flüchtlingsthemen geschrieben haben, denen ich auch immer geantwortet habe, habe ich das persönliche Gespräch angeboten – und eigentlich hat keiner mein Angebot in Anspruch genommen! Ein persönliches Gespräch ist natürlich eine größere Hürde, dann muss man in der Tat argumentieren und kann sich nicht hinter Parolen verschanzen.

Welche großen Themen bewegen die Menschen in der Südpfalz?

Martin Brandl: Ich glaube, die Südpfalz ist eine wirtschaftlich prosperierende Region mit hoher Lebensqualität, mit intakter Natur, die sehr attraktiv für die Naherholung ist. Es geht darum, wie man diesen Qualitätsstandard auch für die Zukunft sichern kann. Ich glaube, das treibt die Menschen um: Schaffen wir es, wirtschaftliche Entwicklungen, Ortsentwicklungen – Stichwort: Neubaugebiete – umweltverträglich zu gestalten? Organisch zu wachsen und nicht übertrieben schnell? Bleibt dieses Wachstum gesellschaftsverträglich? Das sind die Fragen, die sich viele stellen. Es wird aber auch überlegt, wo die Digitalisierung hinführt. Wir haben gerade bei uns im Landkreis ganz viele Industriearbeitsplätze. Sind diese Arbeitsplätze auch in der Digitalisierung sicher? Was wird mein Job in zehn Jahren sein, falls irgendein Roboter meine Tätigkeit übernimmt? Das sind, aus meiner Sicht, die großen Fragen für die Südpfalz.

Wo nehmen Sie die Kraft für die politische Alltagsarbeit her und was tun Sie in Ihrer Freizeit? Haben Sie bestimmte Hobbys?

Martin Brandl: Ich bin verheiratet und wir haben drei kleine Kinder, das ist neben dem Job schon eine große Herausforderung. Ich bin ja auch Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion und daher oft in Mainz unterwegs. Ehrenamtlich bin ich Hauptvorsitzender des Pfälzerwald-Vereins. Und wenn es dann tatsächlich noch Zeit gibt, dann sind wir gerne draußen, wandern gerne, fahren Rad. Und im Winter fahre ich sehr gerne Ski.

Was war in Ihrer politischen Tätigkeit das Wichtigste, das Sie erreicht haben?

Martin Brandl: Da gibt es nicht DEN zentralen Erfolg. Als Oppositionsabgeordneter freut man sich, wenn man auch kleine Dinge bewirken kann wie beispielsweise im Kreis das Projekt „Südpfalzbiotope“, bei dem ich stark mitgewirkt habe, oder, dass die Stadtbahn fährt – ein großer Erfolg, den wir uns politisch auf die Fahne schreiben. Im Land ist es so, dass es in Zukunft Winter- oder Pfingstferien gibt – auch einer der kleinen Oppositionserfolge, den die Landesregierung aufgegriffen und umgesetzt hat. Auch wenn man dann dem ein oder anderen Bürger helfen kann, bei einer konkreten Herausforderung – auch das sind Erfolge, von denen man lebt und motiviert wird. Im Bereich Digitalisierung habe ich ein Digitalisierungsforum ins Leben gerufen. Das erste Forum fand im September statt, das zweite wird vermutlich im ersten Halbjahr 2019 zum Thema „Digitale Bildung“ stattfinden.

Neben der Lebensqualität, die wir schon angesprochen haben, haben Sie sich auch die Themen Bildung und Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben. Was konnten Sie bereits umsetzen und was möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Martin Brandl: Das Thema Bildungspolitik ist es tatsächlich eine ganz, ganz große Herausforderung. Ich mache jetzt bereits seit neun Jahren hauptamtlich Politik und gerade im Bereich der Bildung bin ich immer wieder konsterniert, wie wenig sich verbessert hat. Wir haben über 20 Prozent Kinder, die aus der 4. Klasse kommen, die nicht richtig lesen und schreiben können – auf der niedrigsten Kompetenzstufe beim Lesen und Schreiben – das ist eine furchtbare Quote! Vor diesem Hintergrund müssen wir das Thema Sprachförderung stärken. Wir müssen die Grundschulen ordentlich ausstatten, dass es dort genug Lehrer gibt. So etwas wie „Schreiben nach Gehör“ sollte nicht zum Standard werden. Das sind einfach Punkte, an denen wir arbeiten müssen. Gerade auch die Bildung in den Kindergärten, in den Kindertagesstätten, steht mit dem neuen Kindergartengesetz auf der Kippe. Letztendlich zieht sich das Land aus der Finanzierung raus, lässt die Kommunen und Träger im Stich, lässt letztendlich auch die Kindertagesstätten, die Erzieherinnen im Stich. Mit dem Vorhaben, wie es momentan im Gesetz steht, ist eine Verschlechterung gerade des Bildungsauftrages in den Kindertagesstätten zu erwarten, weil die Erzieherinnen immer mehr am Limit gehen: Sie bekommen immer mehr aufgehalst, ohne tatsächlich entlastet zu werden. Das ist jetzt für das nächste halbe, dreiviertel Jahr die ganz große Debatte und die ganz große Herausforderung, dieses Gesetz so gestalten zu lassen, dass es tatsächlich auch positive Wirkung erzielen kann. Auf der einen Seite ist die Ausweitung der Betreuungszeit für die Eltern richtig und wichtig, auf der anderen Seite kann es nur dann funktionieren, wenn tatsächlich auch genügend Ressourcen vorhanden sind, und das ist mit diesem Gesetzentwurf nicht der Fall.

Gibt es weitere Ziele Ihrer politischen Arbeit, die Ihnen am Herzen liegen?

Martin Brandl: Gerade die Familien zu stärken, das ist mir als junger Familienvater ganz wichtig. Ich habe in diesem Jahr als Schwerpunkt „Junge Familien“ gewählt, wo ich vor allen Dingen in den Schulen und in den Kindertagesstätten war, aber auch in den sozialen Einrichtungen, wo ich mich speziell über dieses Thema informiert habe. Ich sehe dort weitere Potenziale. Ich weiß, wie schwierig es ist, als junge Familie mit kleinen Kindern alles gemanagt zu bekommen und auch den Job mit unter einen Hut zu kriegen – Betreuung zu organisieren, Bildung zu organisieren – und tatsächlich aber auch für die Familie da zu sein, als Mama und Papa. Ich glaube, da müssen wir in Zukunft auch politisch noch ein stärkeres Augenmerk darauf legen. Auch, dass Familien staatlich weiter gefördert werden und dass wir auch dort unsere politischen Schwerpunkte hinlegen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Martin Brandl: Ich wünsche mir ein starkes Deutschland in einem erfolgreichen Europa, das weiter als Friedens- und Wohlstandsgarant so funktioniert, wie bisher auch.

Redakteurin Regina Teutschländer traf Martin Brandl. (Foto: pdp)