Steckbrief:
Geboren: 1979 in München.
Die Österreicherin ist in Bayern aufgewachsen.
Sie lebt in Wien und ist dort Ensemblemitglied am Burgtheater.
2004 erreichte Mavie Hörbiger bei der Wahl der 100 Sexiest Women in the World, des Männermagazins FHM, Platz 3 hinter Britney Spears und Heidi Klum.
Seit Ende der 90er Jahre regelmäßig im Fernsehen und Kino zu sehen, u.a. in „Arme Millionäre“ (RTL/ORF, 2005-2006)


Guten Morgen, Frau Hörbiger! Sie sind gerade in Wien, nehme ich an?

Mavie Hörbiger: Ja, genau. Ich bin hier in Wien – und stehe, wie so viele gerade, vor der Herausforderung, Homeoffice und Kinder unter einen Hut zu bringen (lacht, im Hintergrund hört man eine Kinderstimme).

Wie ist denn die allgemeine Stimmung in Wien, bzw. Österreich? Wie erleben Sie diese Zeit?

Mavie Hörbiger: Ich kann dieser Krise leider überhaupt nichts Gutes abgewinnen. Ich persönlich empfinde es als sehr quälend, nicht zu wissen, wann und in welcher Form unser Theater wieder öffnen kann. Das Gefühl, wenn einem von den einen auf den anderen Tag quasi der Stecker gezogen wird, ist extrem unangenehm. Ich habe natürlich totales Verständnis für die Maßnahmen – keine Frage! Man sieht ja auch an der Entwicklung, dass sie Wirkung zeigen. Die Frage ist allerdings, wie vor allem der kulturelle Bereich unterstützt wird und wie hier langsam Lockerungen eingeführt werden können. Was aktuell passiert, ist für mich nicht nachvollziehbar! So können wir nicht wieder eröffnen! Als hätten die Politiker noch nie etwas von Theaterproben gehört. Ich weiß nicht, wie das weitergehen soll. Und das ist extrem frustrierend!

Es herrscht sehr viel Unsicherheit und man kann schwer vorausplanen …

Mavie Hörbiger: Genau. Mich betreffen beispielsweise auch die Salzburger Festspiele – auch da weiß niemand, wie und wann es weitergeht. Auch hier in Österreich ist noch nicht definiert, was als Großveranstaltung gilt! Immerhin habe ich den großen Vorteil, dass ich durch mein festes Engagement am Wiener Burgtheater zumindest einen kleinen Teil meines Gehalts weiter bekomme. Das ist immerhin etwas – und für mich ein großes Glück! Die meisten Kollegen aus der Branche haben aber aktuell überhaupt keine Einkünfte mehr. Als Schauspieler hat man ja auch nicht die Möglichkeit von Zuhause aus zu arbeiten – ich kann ja schlecht selbst einen Film in meiner Wohnung drehen (lacht). Ich hoffe also sehr darauf, dass wir bald zumindest wieder drehen können, wenn es schon mit dem Theater nicht so schnell wieder klappt!

Ich habe gesehen, dass Sie trotzdem ein wenig kreativ waren und für den YouTube-Kanal des Wiener Burgtheaters ein kurzes Video gedreht haben.

Mavie Hörbiger: Ja (lacht)! Alle anderen haben sich dazu aber richtig viele Gedanken gemacht und beispielsweise Texte von Goethe vorgetragen. Mir ist irgendwie nur Falco eingefallen.

So kommt es dann aber umso authentischer rüber – auch durch die Optik natürlich: mit Gesichtsmaske, zuhause auf dem Sofa. Hat Sie das Überwindung gekostet, sich so zu präsentieren?

Mavie Hörbiger: Nein! Im Gegenteil – ich bin da relativ uneitel. Es hat Spaß gemacht, mich auch einmal so zu zeigen. Leider ist das aber trotzdem nichts, was uns als Schauspieler in dieser Zeit wirklich helfen würde. Das kann man ein Mal machen und dann ist der Reiz daran auch wieder vorbei.

Dann lassen Sie uns zu erfreulicheren Themen kommen: Der ZDF-Film „Ich brauche euch!“ ist ja bereits im Kasten und wird auch bald ausgestrahlt! Darin geht es um zwei Schwestern, die eine sehr unterschiedliche Auffassung vom Leben haben. Das scheint ein sehr beliebtes Film-Thema zu sein, oder?

Mavie Hörbiger: Stimmt. Ich habe letztes Jahr im Film „Der Boden unter den Füßen“ mitgespielt und der lässt sich von der Ausgangssituation her ähnlich beschreiben. Aber das ist Zufall! Die Filme könnten eigentlich kaum unterschiedlicher sein!

Im ZDF-Film hat Silvi – Ihre Filmrolle – ein sehr Karriere-bezogenes Verständnis von ihrem Leben. Können Sie diese Einstellung persönlich nachempfinden?

Mavie Hörbiger: Ich habe erstmal grundsätzlich Respekt vor jeglicher Lebensentscheidung. Ich maße es mir nicht an, über andere zu urteilen. An der Rolle fand ich toll, dass sie eigentlich relativ männlich ist. Keine Kinder, Fokus auf den Beruf, kein Kontakt zur Familie, beziehungsunfähig – das ist eine interessante Darstellung einer Frau! In den 90ern hätte das sicher noch ein Mann gespielt.

Hörbiger im ZDF-Film „ich brauche euch!“ (Foto: ZDF/Britta Kehl)

Der Film zeigt auch, dass zu konkrete Pläne für sein eigenes Leben oft nicht umsetzbar sind. Gilt das auch fürs echte Leben? Sollte man sich besser nicht auf bestimmte Konzepte festlegen?

Mavie Hörbiger: Ganz sicher! Das ist für uns Frauen auch nochmal ein wichtigeres Thema als für Männer. Wir werden in eine Gesellschaft hinein geboren, die extrem viel von uns erwartet. Als ich in den 70ern auf die Welt kam, musste meine Mutter unglaublich viele Aufgaben alleine erfüllen. Daran konnte sie nur scheitern! Das müssen wir Frauen uns auch heute noch immer wieder vor Augen führen: Du kannst nicht perfekte Mutter und gleichzeitig voll berufstätig sein – denn am Ende wirst du beides nur halb machen. Und es ist wichtig zu wissen, dass das vollkommen okay ist! Darüber wird leider viel zu wenig gesprochen. Das finde ich schade. Während wir hier telefonieren, klopft zum Beispiel meine Tochter ständig an die Tür – soviel dazu! (lacht)

Oh ja! Diese Situation kenne ich sehr gut! Aber nochmal zurück zum Film: Haben Sie ihn sich selbst schon in der fertigen Fassung angesehen?

Mavie Hörbiger: Ich schaue mir Filme, in denen ich mitspiele, ehrlich gesagt, nicht gerne an. Ich drehe einen Film – und danach ist er meistens ganz schnell wieder weg aus meinen Gedanken. Aber „Ich brauche euch!“ habe ich tatsächlich trotzdem gesehen – unter dem Einfluss von relativ viel Alkohol allerdings (lacht), das war beim Filmfest in München. Und ich fand ihn sehr gut – ich weiß nicht, ob der Alkoholpegel da eine Rolle gespielt hat (lacht).

Sie sehen sich selbst nicht so gerne auf der Leinwand?

Mavie Hörbiger: (zögert) „Nicht so gerne“ wäre ziemlich untertrieben.

Dann freuen Sie sich über positive Kritiken zu Ihren Filmen sicher umso mehr?

Mavie Hörbiger: Ja, schon. Das weiß ich dann sehr zu schätzen! Und in diesem Fall – daran erinnere ich mich noch, obwohl ich, wie gesagt, Alkohol getrunken hatte – haben die Leute mich auf dem Fest nach der Vorführung sehr nett auf den Film angesprochen!

Ihr Eindruck vom Film kann also nicht so falsch gewesen sein!

Mavie Hörbiger: Das stimmt. Oder die Leute waren einfach so nett zu mir? Das weiß ich natürlich nicht (lacht). Es war insgesamt aber auf jeden Fall ein sehr netter Abend!

Gibt es noch weitere Filme, bei denen Sie sich überwunden haben, sie anzuschauen und die Sie dann positiv überrascht haben?

Mavie Hörbiger: Positiv überrascht vielleicht nicht, aber ich habe eine Vorführung noch sehr eindrücklich in Erinnerung: „Der Boden unter den Füßen“, von dem wir es vorhin schon kurz hatten, lief im Rahmen der Berlinale, im Berlinale-Palast! In diesem Film gibt es sehr explizite Sex-Szenen zwischen mir und der Schauspielerin Valerie Pachner – und dieser Berlinale-Palast ist riesig! Wirklich riesig! Wahrscheinlich ist es eines der größten Kinos der Welt! Und da zu sitzen und seinen nackten Körper zu sehen, wie er auf einer anderen Frau liegt – das war ziemlich hart. Nicht nur für mich, vermutlich auch für alle, die um mich herum saßen (lacht).

Dann war das Anschauen unangenehmer als das Drehen?

Mavie Hörbiger: Ja, klar!

Gibt es beim Drehen denn auch Situationen, die Sie Überwindung kosten?

Mavie Hörbiger: Die gibt es schon. Ich spüre durchaus manchmal die Angst, dass ich versagen könnte oder dass ich es nicht gut genug mache. Dieses Gefühl begleitet mich immer wieder und ich muss mich immer wieder neu überwinden. Ich empfinde das Drehen vor der Kamera generell als eher schwierig – mir fällt das Theaterspielen viel leichter!

Dabei hat man beim Drehen ja mehrere Versuche, auf der Theaterbühne muss alles beim ersten Mal sitzen!

Mavie Hörbiger: Das stimmt schon. Aber auch 1.000 Versuche nutzen dir nichts, wenn dir der Zugang zur Rolle und zur Situation fehlt. Und diesen zu finden fällt mir vor der Kamera viel schwerer als auf der Bühne.

Wenn Sie sich zwischen Theater und Film entscheiden müssten, wäre die Wahl also klar, oder?

Mavie Hörbiger: Genau genommen habe ich mich sogar schon entschieden! Aktuell hoffe ich trotzdem, dass es beides in Zukunft überhaupt noch geben wird. Sonst muss ich bei Ihnen anklopfen und für die Zeitung schreiben!

Der ZDF-Film zeigt ja auch, dass man aus schweren Krisen auch lernen kann und Positives für die Zukunft entstehen kann. Denken Sie, die Coronakrise birgt solche Möglichkeiten?

Mavie Hörbiger: Ehrlich gesagt nicht. Es sind schon zu viele Menschen gestorben, als dass man dieser Krise irgendetwas Gutes abgewinnen könnte. Ich denke, es wird auch noch viel härter als es jetzt eh schon ist – es rollt ja eine riesige wirtschaftliche Krise auf uns zu. Leider glaube ich auch, dass dann auch nicht mehr viel von der ganzen Entschleunigung und der Solidarität, wovon jetzt noch so viel geredet wird, übrig bleibt. Mir macht auch Sorgen, dass es vor allem in den ersten Wochen so wenig internationale Zusammenarbeit gab. Die Nationalstaaten haben alle nur auf sich geschaut. Jedes Land hat für sich einzeln gekämpft, Grenzen geschlossen etc. Das stimmt mich alles leider sehr pessimistisch.

Gibt es denn etwas, auf das Sie momentan besonders hinfiebern? Etwas, auf das Sie sich ganz besonders freuen – wenn das alles endlich überstanden ist?

Mavie Hörbiger: Ja. Der Moment, wenn ich wieder auf der Bühne stehe, in einem vollen Haus, dort, wo ich seit elf Jahren jeden dritten Tag spiele, vor 1.200 Menschen, die Schulter an Schulter sitzen, es raschelt, man hört ein leises Husten, ein Räuspern … das wieder live erleben zu können, darauf freue ich mich. Wenn ich daran denke, habe ich Tränen in den Augen. Ich spiele ja nicht nur für mich, sondern auch für das Publikum – und ich glaube, diese Situation das erste Mal wieder gemeinsam zu erleben, wird ein richtig großer Moment! (Hält kurz inne.) Und ich habe eine 90-jährige Tante. Wenn ich sie wieder in den Arm nehmen darf, ist auch wieder alles gut.

Mavie Hörbiger („Silvi“) mit Schaupielkollege Fabian Hinrichs („Alex“). (Foto: ZDF/Britta Kehl)