Peter Kraus: „Ich bin gerne das Sugar Baby meiner Fans“

Unter vier Augen: Im März feierte Peter Kraus seinen 80. Geburtstag, im Oktober steht die Goldene Hochzeit mit seiner Frau Ingrid an – ein besonderes Jahr für den Rock‘n‘Roller und natürlich Anlass genug, ihn zum Interview zu treffen.

Vor seiner Jubiläumstour traf Peter Kraus Anne Herder vom PFALZ-ECHO. (Foto: privat)

Als Peter Kraus Mitte der 50er Jahre den Rock‘n‘Roll auf die deutschen Bühnen brachte, war das ein kleiner Skandal. Diese Musik, dieser Tanzstil, die Outfits – das sorgte im „braven“ Deutschland für ziemliche Aufregung. Die Jugend war begeistert von dem jungen Rock‘n‘Roller, die Mädchen lagen ihm reihenweise zu Füßen. Bis heute hat der inzwischen 80-Jährige dieses Image nicht abgelegt. Im Oktober und November geht er sogar noch einmal auf Jubiläumstour. Danach sei aber endgültig Schluss, verrät er uns im Interview.

Sie sind in einer musischen Familie aufgewachsen. Wie kam es zu Ihrer Liebe speziell zum Rock’n’Roll?

Peter Kraus: Ach, das ist eine lange Geschichte! Sie entstand eigentlich aus meiner Faszination für die amerikanische Kultur und die Musik, die die amerikanischen Soldaten hierher gebracht haben.Wir lebten damals in München und ich bin immer nach der Schule mit dem Fahrrad zum AFN (American Forces Network, Anm. Red.) gefahren. Dort hatte ich Freunde, die mich eines Tages auf diese neue Musikrichtung aufmerksam gemacht und mir die Platten überspielt haben. Weil ich zu dieser Zeit gerade Jazz-Gitarre gelernt habe, durfte ich im AFN die Songs auch auf Tonband aufnehmen. Das hat mich einfach begeistert. Dann habe ich die Songs bei Freunden auf Parties gespielt und so langsam wurde das Thema Musik immer größer für mich. Ich hatte bereits begonnen, Filme zu machen und Theater zu spielen, als das legendäre „Jazz-Konzert für die Jugend“ stattfand, das damals von der Münchner Abendzeitung veranstaltet wurde, weil sich die Jugend aufgeregt hatte, dass nichts für sie getan wird. Aus der Sicht der Jugend sollten dort aber nur ältere Herren spielen und meine Freunde meinten, dass ich da eigentlich dabei sein müsse, um die Jugend zu repräsentieren. Weil ich aber Schauspieler werden wollte, habe ich das zuerst abgelehnt. Schließlich konnte ich aber doch überredet werden und ich habe mich für den Auftritt beworben.

Und Sie durften dann auch auf die Bühne. Wie ist der Abend gelaufen?

Peter Kraus: Ich sollte drei Lieder spielen – und wurde der Höhepunkt des Abends! Es hat funktioniert und das war auch ganz logisch. Da haben 2.000 Jugendliche die Musiker von Max Greger in weißen Dinnerjackets mit Schleifchen spielen sehen, bis ich mit Jeans, ohne Socken, mit offenem Hemd und Goldkette auftrat. Allein das war schon eine Sensation. Es war ein Riesenerfolg und die Münchner Abendzeitung titelte mit der Schlagzeile: „Er kam, sang und siegte.“ Daraufhin meldete sich ein Produzent. Einen Monat später haben wir schon die erste Platte gemacht und zwei Monate später waren wir in der Hitparade.

Das klingt nach einem relativ einfachen Weg nach oben. War das wirklich so oder mussten Sie auch kämpfen?

Peter Kraus: Der Start meiner Musikkarriere war sehr einfach, obwohl ich eigentlich gar nicht Musiker werden wollte. Durch meinen Vater, der Produzent und Schauspieler war, wusste ich genau, dass ich mir ein Image auflade, das für die Schauspielerei nicht förderlich sein würde. In Deutschland bekommst du das Image eines Rockstars und Jugend-Idols nicht mehr los. Aber nach einem Monat Bedenkzeit und auch weil mein Vater mir zusprach, habe ich es gemacht. Schwierig war es zunächst trotzdem, weil es keine Musiker gab, die diesen neuen Sound spielen konnten. Wir fanden aber schließlich doch ein tolles Team mit Leuten, die Tag und Nacht geübt haben, um den Sound richtig zu treffen. Dafür mussten wir teilweise Instrumente und Verstärker aus Amerika importieren lassen. Das größte Problem für mich persönlich war, dass die Radiosender damals kein Lied gespielt haben, in dem auch nur eine Silbe unverständlich ist. Wenn man aber Elvis Presley in glasklarem Deutsch nachsingt, dann klingt das nach gar nichts. Deshalb habe ich dann versucht, die Laute miteinander zu verbinden, um Drive reinzubringen. Das hat man dann auch als Schluckauf bezeichnet (lacht) – und den fanden die Radiosender nicht besonders gut.

Wie haben Sie es trotzdem geschafft, so ein großes Publikum zu erreichen?

Peter Kraus: Als die Musicbox kam und wir den Radio nicht mehr brauchten, ging es besser. Der klassische, amerikanische Rock’n’Roll hat in Deutschland aber eigentlich gar nicht Fuß gefasst. Wir haben im Grunde Teenager-Musik gemacht, angelehnt an den Rock’n’Roll. Mit den Liedern, die wir selbst geschrieben haben, in denen wir versucht haben, das Gefühl vom Rock rüberzubringen, hatten wir drei mal so großen Absatz wie mit Coverversionen von Rock’n’Roll-Liedern.

Heute haben junge Musiker mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Was würden Sie denen empfehlen?

Peter Kraus: Es ist schwer, ihnen etwas zu empfahlen. Einen Weg, wie ich ihn damals gegangen bin, kann man heute nicht mehr beschreiten. Das ist nicht möglich, weil es keine Voreingenommenheit mehr gibt, die es zu überwinden gilt. In den 50ern hat diese neue Musikrichtung aus den USA die Welt erobert, die meisten in Deutschland waren sehr skeptisch, weil man hier einfach zu brav und zu prüde war. Solche Einstellungen gibt es heute nicht mehr. Jugendliche akzeptieren automatisch alles, was aus Amerika kommt und die Meinung der Eltern spielt überhaupt keine Rolle. Das Maximum, was man als Musiker erreichen kann, ist, mit der eigenen Musik erfolgreich zu sein. Dann ist das ein Traumberuf. Aber wenn du mit Musik einfach nur Geld verdienen willst und dich nach den Gesetzen der Hitparade und des Radios richtest, dann ist der Tischlerberuf spannender.

Beschäftigen Sie sich mit der aktuellen Chartmusik?

Peter Kraus: Nein, nicht mehr. Ich höre fast nur Jazz, Blues und Big Band Sound. Überhaupt verstehe ich nicht, warum ständig überall schlechte Musik läuft, zum Beispiel die Untermalungsmusik in Kaufhäusern. Ich verstehe nicht, warum die Menschen heute ständig Beschallung brauchen. Damit möchte ich die Musik von heute aber nicht abwerten! Ich kenne mich einfach nicht mehr aus. Als ich jung war, habe ich immer gesagt, man müsse mit der Zeit gehen und immer wieder Neues machen. Aber jeder Mensch bleibt irgendwann bei seiner Musik stehen und spätestens seit Rap und Hip Hop so dominant geworden sind, muss ich zugeben, dass es mich nicht mehr interessiert.

(Foto: René Van der Voorden)

Der Rock’n’Roll hat damals bei der Jugend eine Rebellion ausgelöst. Fehlt den Jugendlichen heute das Rebellische?

Peter Kraus: Da bin ich ehrlich gesagt überfragt. Aber ich glaube, es gibt schon eine wahnsinnige Sehnsucht danach, mit Konventionen zu brechen. Anders könnte ich mir nicht erklären, warum junge Männer alle Bart tragen und die Mädchen von oben bis unten tätowiert sind. Im Grunde ist es dasselbe wie damals. Aber so revolutionär wie damals kann es heute nicht mehr sein. Damals war es verboten, Rock’n’Roll-Platten zu hören und Petticoat zu tragen. Wir haben die Musik gegen das Verbot gehört. Heute haben die Eltern in dieser Hinsicht nichts mehr zu sagen und es gibt kaum noch Tabus, die man brechen könnte.

Sie haben gerade im Anfang Ihrer Karriere viel Bestätigung vor allem durch weibliche Fans erhalten. Über welche Reaktionen von Fans freuen Sie sich heute ganz besonders?

Peter Kraus: Ich freue mich ganz besonders über Briefe von Fans, die mir ein Leben lang die Treue gehalten haben. Vor kurzem habe ich aber auch ein besonders schönes Kompliment eines jüngeren Mädchens bekommen: Sie schrieb mir, dass ich mir im Alter immer noch ähnlich sehe. Das ist eine sehr schöne Formulierung! Überhaupt ist es immer schön, Komplimente zu bekommen.

Wie schafft man es eigentlich, über so lange Zeit im Gespräch und berühmt zu bleiben?

Peter Kraus: Das hängt mit meinem Ehrgeiz und meiner Disziplin zusammen. Ich habe so vieles gemacht – gesungen, geschauspielert, produziert, Regie geführt, Bücher geschrieben, gemalt – und ich denke, das ist der springende Punkt: Durch diese Abwechslung bleibst du immer dran. Ich verstehe auch nicht, wenn sich jemand von seinen jugendlichen Erfolgen distanziert, weil er meint, er sei gereift und mache nun gehaltvollere Sachen. Das ist ein Schmarrn! Ich bin mein Leben lang gerne das Sugar Baby meiner Fans geblieben. Für mich ist der Song wie eine Visitenkarte. Mit Sugar Baby locke ich die Fans und habe dann die Chance, ihnen auch noch andere Seiten von mir zu bieten. Ich habe mir immer etwas einfallen lassen.

Kommt es für Sie überhaupt in Frage, irgendwann in Rente zu gehen?

Peter Kraus: Ja, die anstehende Tournee in diesem Herbst wird meine letzte sein.

Das haben Sie ja schon öfter gesagt …

Peter Kraus: Stimmt (lacht). Schon fünf mal! Aber dieses Mal ist es ernst. Dass dann Schluss ist, das ist nämlich das Geschenk für meine Frau zur Goldenen Hochzeit. Danach mache ich nur noch einzelne Konzerte.

Wie sieht denn heute so ein Tournee-Alltag im Vergleich zu den Anfängen vor 60 Jahren aus?

Peter Kraus: Der größte Unterschied ist, dass es damals keine Solokonzerte gab, sondern nur sogenannte Bunte Abende. Da hat man etwa 20 Minuten fünf bis sechs Nummern gesungen.

Dann ist es heute anstrengender als damals?

Peter Kraus: Ja, wesentlich. Aber: Die zwei Stunden auf der Bühne sind die Belohnung für viel Arbeit! Das genieße ich sehr. Trotzdem ist eine Tournee belastend, vor allem weil man so viel im Auto unterwegs ist und ständig aus dem Koffer leben muss. Wenn man so herrlich wohnt wie ich, dann geht einem das Reisen auf den Wecker.

Apropos. Sie haben auch einen Weinberg zuhause. Wie sieht die Ernte in diesem Jahr aus?

Peter Kraus: Sie ist etwas geringer, aber qualitativ hervorragend. Wir werden hoffentlich wieder einen Preis bekommen.

Packen Sie im Weinberg auch selbst mit an?

Peter Kraus: Da bleibt leider wenig Zeit. Aber auch das möchte ich ändern.

Gibt es in Ihrem Leben Begegnungen mit anderen Künstlern, die für Sie besonders bedeutsam waren?

Peter Kraus: Ja, es gibt viele „Zeitgenossen“, die im Laufe der Jahre zu Freunden geworden sind wie Frank Elstner, Mary Roos oder die Kessler-Zwillinge.

Gibt es etwas, das Sie in Zukunft noch erleben möchten?

Meine Frau und ich sind uns einig, dass wir nichts Großes mehr erleben möchten, sondern nur noch das genießen wollen, was wir haben. Ich bin ein ruhiger Genussmensch, setze mich gerne ins Auto und fahre an Orte ohne viel Tourismus. Zum Hochzeitstag fahren meine Frau und ich zum Beispiel nach Frankreich, allerdings nicht mit dem Oldtimer. Dafür gibt es heute zu viel Verkehr auf den Straßen und die modernen Autos sind dann doch etwas komfortabler.

Alle Informationen zur Jubiläumstour findet man unter: www.peterkraus.de.
Termine u. a.: 25. Oktober, Baden-Baden; 28. Oktober, Stuttgart; 3. November, Mannheim.