Steffi Jones: „Fußball bestimmt nicht mehr mein Leben“

Unter vier Augen: Ex-Nationalspielerin Steffi Jones über ihren Co-Trainer-Job im Amateurfußball und die Wichtigkeit medialer Präsenz

(Foto: imago images / Alfred Harder)

Steckbrief

Stephanie Ann (Steffi) Jones

Geboren: 1972 in Frankfurt am Main

1990: Oberliga-Torschützenkönigin und führte ihren Verein SG Praunheim in die Bundesliga

1991 bis 2007: Spielerin in der Bundesliga

1993 bis 2007: Spielerin in der Nationalmannschaft

1999: Steffi Jones nahm an ihrer ersten WM teil. 2000 gewann sie mit der Nationalmannschaft die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Sydney

2007: Beendigung der aktiven Laufbahn


Was macht Steffi Jones heute?

Steffi Jones: Seit Mai diesen Jahres bin ich in einer IT- und Softwarefirma tätig – die programmieren alles, was man sich vorstellen kann. Das reicht von Kartenabrechnungen für große Firmen wie Lidl und Aldi bis zu Programmierungen von Zeiten für die DTM. Wir haben unseren Firmensitz in Gelsenkirchen. Die Firma gehört u.a. auch meiner Frau. Ich selbst bin ganz zufällig in die Firma reingekommen – unter dem Thema DSGVO. Da braucht man ja auch immer jemanden, der das Thema bearbeitet. Zum anderen hat die Firma gesagt, dass sie eine andere Arbeitsmethode haben möchte. Diese nennt sich OKR – Objectivs and Key Results. Auch Amazon und Google arbeiten mit diesem Rahmenwerk. Die Firma hat eine Vision von ihrer Ausrichtung in den kommenden zehn Jahren und die Mitarbeiter entwickeln diese mit. Das ist ein Prozess, der nicht vorgegeben wird. Das heißt, dass die, die hautnah dran sind, diese Ausrichtung erarbeiten. Dabei werden Jahresziele formuliert. Es ist nicht von oben nach unten vorgegeben, sondern wir haben eine Vision, die wir von unten nach oben anstreben. Dafür gibt es OKR Coaches – und einer davon bin ich.

(Foto: imago images / DeFodi)

Profitierst du da auch von deiner Zeit als Leistungssportlerin und Trainerin?

Steffi Jones: Ja, klar. Als Coach moderierst du ja eher, um deine Mannschaft zu ihren Zielen zu führen. Du stellst zudem sicher, dass eine Gruppendynamik vorhanden ist und die Spieler fokussiert und somit auch effizienter arbeiten. Und so ist das auch bei OKR – die Motivation der Mitarbeiter ist stärker, weil die Ziele ja von ihnen entwickelt werden. Das ist eine unwahrscheinlich tolle Aufgabe, auf die ich mich sehr freue. Da steckt so viel Potential drin, auch in der Firma selbst. Die Firma ist innerhalb der letzten drei Jahre von drei Mitarbeitern auf 50 gewachsen – und es geht weiter.

Wie weit hast du dich vom Fußball entfernt? Hast du komplett mit dem Sport abgeschlossen?

Steffi Jones: Nein. Ich habe nach einer Pause eine Anfrage von den Damen des SSV Buer bekommen. Der Co-Trainer hatte aufgehört. Dann haben die mal leise angefragt, ob die ehemalige Bundestrainerin diesen Job übernehmen würde. Ich habe vorher schon bei zwei Spielen zugeschaut und gesehen, dass da viel mehr Potential in der Mannschaft steckt als die Spielergebnisse hergaben. Ich habe dann ein Training besucht und mir alles angeschaut, und ich habe dann direkt gesagt, dass ich den Job übernehme. Aber ich wollte nicht in der Öffentlichkeit stehen, weswegen ich im Hintergrund gearbeitet habe. Die Medien haben das auch akzeptiert, das fand ich sehr spannend. Wir haben keine Interviews zugelassen. Es ging rein darum, dass wir nicht absteigen wollten – da lag mein Fokus. Und wir sind nicht abgestiegen. Das war super und das mache ich jetzt auch weiter – alles ehrenamtlich und so wie ich zeitlich kann. Durch den neuen Job in der Firma meiner Frau bin ich natürlich sehr eingespannt. Und die Mannschaft hat dreimal die Woche Training. Es ist wirklich super spannend. Die Mädels sind 16 bis 30 Jahre alt, sie müssen arbeiten, haben Kinder, Schichtdienst. Manchmal bereite ich mich auf ein Training mit 18 Spielerinnen vor und dann kommen nur acht – weil sie eben arbeiten müssen. Dann muss ich alles umschmeißen, aber das ist wahnsinnig lehrreich. Ich bin dankbar, dass ich das machen darf. Ich lerne sehr, sehr viel.

Ist es für dich eine Erleichterung, dein Leben wieder selbstbestimmter zu gestalten?

Steffi Jones: Auf jeden Fall. Ich kann endlich sagen: Fußball bestimmt nicht mehr mein Leben, sondern ich bestimme wieder mein Leben. Das ist natürlich schöner. Meine Familie und alle um mich herum sind wahnsinnig erleichtert, diesen Druck nicht mehr zu haben.

Schreibst du noch Kolumnen?

Steffi Jones: Nein, das war nur für die Frauen-WM – aber auch wirklich nur das eine Mal. Ich bin da sehr raus und ich möchte da auch gar nicht mehr so in den Vordergrund rücken.

Jetzt fand ja gerade die Frauen-WM statt und es gab wieder einen kleinen Hype – dauerhaft ist es aber schwer, das Interesse der Menschen für Frauenfußball zu halten oder?

Steffi Jones: Wir brauchen immer Köpfe, die für den Frauenfußball werben. Und das ist etwas, was wir jetzt durch die WM, die medial wirksamen Auftritte und auch durch die Werbung fortsetzen sollten. Das Bedarf Spielerinnen, die sich dem annehmen, solche, die nicht nur auf dem Platz und an den Spieltagen draußen sind und werben, sondern auch bei anderen Veranstaltungen. Sie müssen raus, ihren Kopf zeigen und für den Frauenfußball werben – offen, sympathisch, authentisch – weil sie das ja auch sind. Es ist ja so: Wenn wir die Spielerinnen in den Medien oder bei anderen Veranstaltungen sehen, treten sie unwahrscheinlich sympathisch auf. Das ist zwar Mehrarbeit, aber es ist unheimlich wichtig, dass sich alle Spielerinnen dieser Verantwortung im Klaren sind, dass man für den Sport werben sollte, auch um Sponsoren zu aktivieren. Ich finde es immer schade, wenn die Menschen zu mir kommen und sagen: „Sie kennt man noch.“ Ich bin jetzt zehn Jahre raus – eigentlich sollte man die aktuellen Spielerinnen kennen. Das ist schade. Meine Spielerinnen im Amateurbereich wissen ganz genau, dass man, wenn man unterwegs ist, nicht nur Anstand und Höflichkeit mitbringt, sondern dass sie für ihre Sportart werben müssen, indem sie einfach offen und herzlich rüberkommen. Wir sind aktiv und werben für den Frauenfußball in unserem Kreis. Und das kann jede andere auch. Man kann z.B. in Schulen gehen. Als ich noch Spielerin war, habe ich alles gemacht. Ich bin in Schulen gegangen, habe Veranstaltungen besucht und jeden Medientermin wahrgenommen, der mir angeboten wurde, um für den Frauenfußball zu werben. Das gehört auch zu den Aufgaben einer Spielerin.

Ich finde das total faszinierend. Ich stelle mir gerade vor, der Jogi Löw würde beim FC Schönau Co-Trainer machen …

Steffi Jones: Das ist nicht vergleichbar. Mir ist wichtig, dass ich weiß, wo ich herkomme. Ich wohne dort und ich bin nichts Besseres. Ich muss mir den Popo abputzen wie jeder andere auch, ich kaufe mein Wasser dort, wo andere ihres auch kaufen – da mache ich keinen Unterschied. Fußball ist Fußball und macht wahnsinnigen Spaß. Es ist für mich ein großer Ehrgeiz gewesen und auch ein großer Spagat, diesen Job anzunehmen. Es hätte ja auch schiefgehen können.

Steffi Jones im Interview mit Markus Eisel. (Foto: privat)

Es tut ja auch weh, wenn man in der Öffentlichkeit völlig verzerrt dargestellt wird.

Steffi Jones: Da wollen wir gar nicht näher drauf eingehen, das gehört dazu. Das ist auch etwas, das dich prägt und dich weiterbringt. Von daher gibt es keinen Vergleich zu Jogi, das ist eine andere Welt. Jeder Job, egal ob es bei der Frauen-Nationalmannschaft oder in der Landesliga ist: Es bringt dich immer weiter und wir lernen jeden Tag dazu. (eis)