Die Prinzen starten durch in einen neuen Kosmos. (Foto: Sven Sindt)

Steckbrief: Sebastian Krumbiegel

  • Geboren am 5. Juni 1966 in Leipzig
  • Sänger und Frontmann der Band Die Prinzen
  • Auch als Solokünstler aktiv
  • Studierte an der Leipziger Musikhochschule Schlagzeug und Gesang
  • Sehr engagiert gegen Gewalt und Rassismus.
  • 2012 Auszeichnung mit dem Humanismus-Preis des Deutschen Altphilologenverbandes.
  • Wurde 2012 mit dem Bundesverdienstorden geehrt
  • Erhielt 2015 den Bambi für Musik National

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Herzlichen Glückwunsch zum 30-Jährigen! Ihr feiert 2021 30 Jahre „Die Prinzen“. Gerade ist auch euer neues Album herausgekommen „Krone der Schöpfung“ – und das hat richtig eingeschlagen.

Sebastian Krumbiegel: Wir freuen uns total! Wir sind noch nie so hoch gestartet wie jetzt. Wir sind auf Platz 2 der Deutschen Albumcharts gelandet und das ist eine super Bestätigung für unsere Arbeit.

Wie feiert man so einen Erfolg in der heutigen Zeit?

Sebastian Krumbiegel: Tja, das ist schwierig – illegal, aber das machen wir nicht (lacht). Nein, wir konnten nicht richtig feiern. Wir hatten ein paar Fernsehauftritte, auch beim Rundfunk – und da sitzt man dann zusammen und freut sich gemeinsam. Aber eine große Party ging diesmal natürlich nicht. Wir haben aber in Hamburg in einem Studio ein Konzert aufgenommen. Das hat der MDR mitgeschnitten, es war ohne Publikum. Da haben wir fast alle neuen Songs von der Platte gespielt und gemerkt, dass wir es noch können und dass wir noch Bock haben.

Nach 30-jähriger Bandgeschichte hat man schon einige Hits und Alben rausgebracht. Ist man trotzdem noch aufgeregt, wie das neue Werk ankommt?

Sebastian Krumbiegel: Ich war dieses Mal extrem aufgeregt – oder vielmehr in freudiger Erwartung. Wir haben für das neue Album die Spielregeln geändert. Neues Management, eine neue Plattenfirma, neue Produzenten. Wir haben auch erstmals mit außenstehenden Leuten zusammen geschrieben. Ich war anfangs dagegen, war der Meinung, dass wir das auch alleine können. Aber es war dann doch die beste Entscheidung, die wir treffen konnten. Die Zusammenarbeit mit den anderen hat uns aus unserem Tunnel geführt. 

Es ist eine Art Ritual für dich, dass du am Erscheinungstag ins Geschäft gehst und dein Album selbst kaufst – war das diesmal auch so?

Sebastian Krumbiegel: Ja, natürlich, klar! Das ist ein echtes Bedürfnis. Das hat so etwas Ursprüngliches für mich. Du kaufst deine eigene Platte – ich finde das so Fan-Boy-mäßig – der kleine Junge, der sich freut, dass er ein Album gemacht hat.

In dem Clip zu „Krone der Schöpfung“ läuft der Frosch überheblich schauend und mit rausgestreckter Brust durchs Video. Ihr singt auch „Was uns in den Weg kommt, das machen wir platt …“. Ich verstehe die Single als eine Art Kritik an unserem Lebensstil. Liege ich da richtig?

Sebastian Krumbiegel: Ja, aber das kann jeder so sehen, wie er möchte. Natürlich versuchen wir Themen anzupacken, die uns auf der Seele brennen, und wir versuchen, über mehr zu singen als über Liebe und Herzschmerz. Wenn du solche Themen angehst, ist es eine Gratwanderung, es mit einer Leichtigkeit zu tun und dabei nicht belehrend aufzutreten. Man darf nicht versuchen, die Leute zu missionieren. Und ich glaube, das ist eine Stärke von uns. Wir haben gesellschaftliche Themen angesprochen, aber immer mit gewisser Ironie und Selbstironie. Die Leute sollen sich unterhalten fühlen, sich vielleicht amüsieren aber dann auch merken, dass es um harten Tobak geht.

Das Thema Klimaschutz ist auch in der Single verarbeitet. Tust du auch privat etwas für das Klima?

Sebastian Krumbiegel: Die beste Antwort wäre jetzt, dass ich ein Vorbild bin und alles genauso mache, wie es dem Klima guttut, aber da würde ich mir selbst in die Tasche lügen. Ich versuche viel zu tun. Logischerweise trenne ich meinen Müll, lasse das Wasser nicht zu lange laufen, kaufe Glasflaschen und keine Plastikflaschen, allgemein versuche ich, Plastikverpackungen zu vermeiden. Wir sind als Band natürlich viel unterwegs, gerade in der Promo-Zeit. Meine längste Strecke innerhalb einer Nacht war mal von Offenburg nach Potsdam. Das sind 720 Kilometer – mit dem Fahrrad in so kurzer Zeit ist das unmöglich. Ich finde, dass man auch immer ehrlich sich selbst gegenüber sein muss. Man sollte über den Klimaschutz nachdenken und reflektieren, was man selbst tun kann, aber sich eben nicht belügen. Logischerweise und gezwungenermaßen kann ich gar nicht der Hero sein, der total vorbildlich handelt. Es gibt einfach bestimmte Dinge, die kann ich nicht machen bzw. auf die kann ich nicht verzichten. Ich esse zum Beispiel nach wie vor Fleisch, aber ich denke darüber nach und kaufe  kein Billigfleisch mehr. Wenn du kleine Dinge änderst in deinem Verhalten, darüber nachdenkst und ein Bewusstsein dafür hast, dass die Welt nicht mehr die gleiche ist, wie vor 20 Jahren, dann bist du auf dem richtigen Weg.

In einer Single auf dem neuen Album heißt es „Dürfen darf man alles“ – siehst du das wirklich so oder gibt es auch Grenzen?

Sebastian Krumbiegel: Natürlich gibt es Grenzen. Den Satz haben wir uns von Kurt Tucholsky geklaut. Ich habe den Song zusammen mit Joe Walter geschrieben – das ist der Keyboarder von Jennifer Rostock. Er kam mit dem Satz an und ich meinte dann, dass wir ja mal ein bisschen Klartext reden können, über all die Dinge, die uns gerade bewegen. Die Frage, was man heute überhaupt noch sagen darf, völlig unabhängig von Corona und den Regeln, hat heute eine schwierige Position. Sobald man fragt, was man überhaupt noch sagen darf, ist man gleich in einer Querdenker- oder AFD-Ecke drin. Wenn wir fragen, ob man Frauen heute noch Komplimente machen darf, ist das erst einmal eine klare Provokation und die ist auch genauso geplant gewesen. Wir haben lange an dem Text herumgefeilt und die letzte Strophe sagt eigentlich alles: „Manche glauben, dass die Welt sich gegen sie verschwört. Manche meinen, dass die Wahrheit doch nur ihnen gehört. Manche sagen, was sie denken, dann sagen sie danach, dass man heutzutage ja nichts mehr sagen darf.“ Um die Frage noch einmal zu beantworten: Natürlich weiß ich, dass man nicht alles darf – man darf viel mehr, als man denkt oder viel mehr, als viele Leute denken – viele sprechen heute ja von Denk- und Sprechverboten, aber das ist ja Schwachsinn, du darfst alles sagen, solange du nicht klar gegen Gesetze verstößt, solange du nicht menschenfeindliche Dinge erzählst, solange du nicht antisemitischen, rassistischen, homophonen Wahnsinn von dir gibst. Das sind genau diese Grenzen und roten Linien, auf die ich immer sehr achte. Aber das ist manchmal auch schwierig, weil man manchmal Grenzen vermeintlich überschreitet, die aus der Sicht des anderen nicht überschritten werden. Wenn meine Eltern mir z.B. sagen würden, sie hätten ihr Leben lang für Schaumkuss ein anderes Wort verwendet und es auch weiter tun werden, fange ich ja nicht an, sie als Rassisten zu beschimpfen. Ich kann sie nur darauf aufmerksam machen, dass sie damit andere Menschen beleidigen und dass sie mal darüber nachdenken sollen.

Das Lied ist sehr tiefgründig.

Sebastian Krumbiegel: Das ist unser Stil. Wir haben immer Dinge angesprochen, die irgendwie auf der Straße lagen, die uns bewegen, die die Leute bewegen. Die Aktion „Alles dicht machen“ ist vor Kurzem medial richtig steil gegangen. Ich habe das am selben Abend noch mitbekommen und habe gedacht „Mensch Leute, das ist echt nicht cool“. Das war so zynisch. Wie soll denn jemand auf solche Videos reagieren, der gerade einen Menschen verloren hat oder dessen Angehöriger auf der Intensivstation liegt. Und dann steht da Richy Müller und atmet in eine Tüte – ich mag Richy Müller und auch Jan Josef Liefers, ich kenne viele der Leute, die da mitgemacht haben, gut und ich weiß, dass es coole Leute sind, trotzdem fand ich die Aktion nicht in Ordnung. Aber, das muss ich auch sagen, ich fand den kollektiven Aufschrei danach zu heftig. Man kann doch nicht Berufsverbote für die Leute fordern, nur weil sie etwas sagen, was nicht mit der allgemeinen Meinung geht. Rosa Luxemburg hat gesagt, dass Freiheit auch die Freiheit des anders Denkenden ist. Da sollten wir mal drüber nachdenken. Nicht immer gleich losschreien, nicht immer gleich losbrüllen, nicht immer gleich die Leute in eine Ecke stellen, aus der sie nicht mehr rauskommen. Wenn du die Leute vollbrüllst, hast du keine Chance. Und wenn du sie beschimpfst, wirst du sie nie wieder kriegen. Wir sollten vielmehr miteinander reden und uns nicht gegenseitig beschimpfen.

Harte Themen – ich mache mal einen Cut und spreche etwas Lustiges an. Bei der Single „Dürfen darf man alles“ rennt dein Bandkollege Tobias Künzel nackt durchs Video. Durfte er diesen Part übernehmen oder habt ihr gelost und er musste es machen?

Sebastian Künzel: Tobias wollte am Anfang, dass es Jens macht, weil er den durchtrainiertesten Körper von uns hat. Aber weil Jens da keinen Bock zu hatte, hat es Tobias gemacht. Man muss ja dazu sagen: Wir haben den Clip im Februar gedreht, das war im Millerntor-Stadion von St. Pauli und es waren null Grad Celsius. Das war heftig, wir anderen haben schon gefroren, aber er natürlich noch mehr. Aber wir wissen natürlich auch, mal ganz plump gesagt, wie eine solche Szene Aufmerksamkeit erzeugt. Natürlich sind in dem Video allgemein viele Szenen drin zum Thema „Was darf man denn?“ Darf man mit dem Presslufthammer auf dem Eis rumhämmern, darf man den ganzen Tag in sein Handy gucken, darf man an einem Tisch sitzen, der aus einem nacktem Tobias besteht? Das sind alles kleine Provokationen. Wir versuchen damit auch, diese Themen lustig rüberzubringen. Weil du du eben keine Chance hast, wenn du versuchst, die Leute zu belehren.

Auf eurer Band-Seite heißt es auf euer Jubiläumsjahr bezogen „Seid gespannt, es wird viel passieren!“ Was wird denn noch passieren?

Sebastian Krumbiegel: Tja, wir wollen auf Tour gehen, wir wollen unbedingt auf Tour gehen! Wir haben das letzte Mal zusammen auf einer Bühne gestanden am 6. Oktober 2019. Ich trage das Datum wie so ein Mantra mit mir mit. Es ist unglaublich, wie lange das wieder her ist. Wir wissen nicht, ob dieses Jahr wirklich noch viel passieren wird diesbezüglich. Aber hey, die Regeln sind wie sie sind. Es gibt viele Sachen zu kritisieren, aber ich will jetzt nicht wieder zu schwer werden. Ich ärgere mich gerade nur, wenn sich bei der Fußball-EM zehntausende Menschen in einem Stadion treffen und kleine Konzerte, die im Freien stattfinden, zu denen 500 Menschen kommen sollen, abgesagt werden …  Aber was wir auf jeden Fall machen werden: Wir fangen ziemlich genau jetzt in einem Jahr an, im Juni 2022 geht die große Tour los. Eigentlich heißt die Tour ‚30 Städte, 30 Hits, 30 Jahre‘. Nächstes Jahr wird das Jubiläum schon 31 Jahre alt sein, deswegen haben wir gesagt, wir nehmen 31 Städte und 31 Hits. Das wird eine große Tour durch große Hallen und wir merken, dass der Vorverkauf schon gut läuft.

Alle haben wieder richtig Lust aufs Leben!

Sebastian Krumbiegel: Man darf das nicht unterschätzen. Wir merken natürlich alle, wie sehr uns das normale Leben fehlt – in Kneipen gehen, ins Kino oder Theater gehen, Konzerte besuchen – aber wir, die auf der anderen Seite stehen, wir leben davon! Nicht nur finanziell oder materiell. Wir leben davon, auf Bühnen zu stehen, deswegen haben wir ja auch eine Band gegründet. Das ist unser Lebensinhalt. Ich merke richtig, wie mir das fehlt. Die Rückmeldung des Publikums, dieses Schwitzen, dieser Applaus, dieses Adrenalin – das fehlt alles so sehr. Wir hoffen, dass bald wieder Normalität einkehrt.

In deinem Leben hat sich von Anfang an alles um Musik gedreht – hättest du dir trotzdem einen anderen Beruf für dich vorstellen können?

Sebastian Krumbiegel: Turmspringer! (lacht)

War das eine spontane Antwort oder meinst du das ernst?

Sebastian Krumbiegel: Das ist die Antwort, die ich gebe, wenn ich danach gefragt werde, weil es so absurd ist. Ich habe neulich erst mit meinen Eltern über diese Frage gesprochen. Damals, als ich mein Abi gemacht habe, sagte ich, dass ich Tanz- und Unterhaltungsmusik studieren will. Da haben meine Eltern die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt, ich solle etwas Vernünftiges, etwas Akademisches machen. Aber ich hatte keinen Plan B. Im Nachhinein weiß ich natürlich, dass die Sorge meiner Eltern durchaus berechtigt war. Je länger ich aber in der Musikbranche bin, desto mehr weiß ich: Wir haben so viel Glück gehabt! Wir haben so oft Leute in unserem leben getroffen, die uns Türen aufgemacht und geholfen haben – bis heute. Natürlich haben wir auch vieles selbst erarbeitet und tolle, originelle Songs geschrieben, aber es gehört noch mehr dazu, um richtig erfolgreich zu werden. Deswegen betrachte ich mein Leben, so wie es gekommen ist, mit einer gehörigen Portion Demut. Wenn du keinen Plan B hast und alles auf eine Kappe setzt – und ich war wirklich davon überzeugt, Popstar zu werden – musst du die richtigen Leute treffen und denen sind wir bis heute ehrlich dankbar! (pdp)