Steckbrief: Thomas Helmer

  • Geboren am 21. April 1965 in Herford
  • Ehemaliger deutscher Fußballspieler sowie heutiger Sportmoderator
  • Vereine u.a.: 1984–1986 Arminia Bielefeld, 1986–1992 Borussia Dortmund, 1992–1999 FC Bayern München
  • Wechselte 1992 in dem bis dahin teuersten Transfer der Bundesligageschichte für 7,5 Mio. DM zum FC Bayern München
  • Erfolge u.a.: 1992 Vize-Europameister, 1996 Europameister 
  • Sein Berufswunsch nach dem Abitur war Journalist 

Thomas, warum hast du eigentlich beim „Doppelpass“ aufgehört?

Thomas Helmer: 40 Sendungen im Jahr waren schon viel und dementsprechend hart. Am Ende denkst du dann: „Ich kann mich selbst nicht mehr reden hören!“ Außerdem gab’s wie zu meiner Zeit als Spieler kein Wochenende für mich. Das ist schon anstrengend für ältere Männer … (lacht)

Wird es nicht auch irgendwann dröge? Bekommt man nicht oft dieselben Plattitüden zu hören?

Thomas Helmer: Nein, das würde ich so ganz und gar nicht sagen. Ich hatte dort ein supernettes Team. Mit den Mädels und Jungs, die beim Dopa ab fünf Uhr morgens im Hotel aufgebaut haben, hatten wir viel Spaß. Dann noch die Band dazu, das war oft sehr lustig. Und oft war’s eben auch so, dass um 10 Uhr die Trainer entlassen wurden. Den ganzen Ablaufplan, den du dann am Tag vorher ausgearbeitet hattest, konntest du dann wieder in die Tonne kloppen (schmunzelt). Das waren dann die spannendsten Sendungen. Es ist eigentlich immer etwas passiert, womit man nicht rechnen konnte. Vielleicht hat man mal etwas geahnt, wenn’s um Entlassungen ging. Aber sicher konnte man sich nie sein. Genauso bei den Gästen: Auf einmal gehen Leute derart aus dem Sattel, von denen du vorher dachtest, das wären ganz ruhige Typen. Und ich diskutiere gerne mit Menschen – auch wenn ich sie des Öfteren unterbreche, wie ich mir oft habe vorwerfen lassen müssen. Rainer Calmund zu unterbrechen, war da schon am schwersten (lacht).

Das Vor-Ort-Format „Doppelpass on Tour“ ist jetzt das Remake?

Thomas Helmer: Es ist ein bisschen freier. Wir können noch mehr Geschichten erzählen, was man vielleicht sonst nicht so tun würde. In Frankfurt zum Beispiel war Ansgar Brinkmann da, und Martin Quast hatte sein Buch dabei und hat eine Art Lesung gemacht. Ansgar hat dann immer kommentiert: „Ja, warte mal, dazu muss ich noch was sagen, das war so …“ Das ist ja richtige Unterhaltung in diesem Fall. Die Zuschauer fanden das prima. Also, das Format ist schon ähnlich, aber eben etwas freier.

Jetzt gibt es aber auch noch den „Fantalk“. Der fährt für mich teilweise schon fast auf der Comedy-Schiene, manchmal zumindest.

Thomas Helmer: Ich finde, dass der „Fantalk“ sogar eher ein bisschen seriöser geworden ist. Früher, als wir noch in Essen-Rüttenscheid in der 11-Freunde-Bar waren, da standen die Fans ja noch im jeweiligen Trikot direkt hinter uns. Und die Kneipenatmosphäre brachte schon ein gewisses Flair. Das hat immer sehr viel Spaß gemacht. Wir feiern jetzt sogar das zehnte Jahr mit dem „Fantalk“ und fühlen uns auch in unserem neuen Zuhause, dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund, sehr wohl.

Das ist jetzt aber auch eine ganz freie Sache mit dem Fantalk. Eines ergibt sich aus dem anderen und man ist ein bisschen im Improvisationsmodus.

Thomas Helmer: Ich erinnere mich an das Champions-League Halbfinale 2013, Dortmund gegen Málaga. Weißt du das noch?

Ja, da war’s doch ganz knapp am Schluss, und hatte da nicht Felipe Santana am Ende noch das Tor gemacht?

Thomas Helmer: Genau! Eigentlich hat der Videoassistent das Tor gemacht (lacht), aber die sind da alle ausgeflippt damals. Das war superemotional, schon eine tolle Sache. Hat unglaublich Spaß gemacht.

Sind dir als Fußballer die Experten damals nicht furchtbar auf den Keks gegangen?

Thomas Helmer: Gab’s denn früher schon so viele Experten? (lacht)

Nein, viele nicht, aber ein paar gab es schon. Und man denkt ja immer, die hätten niemals auch nur einen krummen Ball gespielt, sondern immer alles richtig gemacht. 

Thomas Helmer: Warte mal, als ich noch gespielt habe, wer war dann damals der Experte? Günter Netzer? (lacht) Nein, im Ernst. Meine erste Begegnung mit Udo Lattek war ja auch – wie soll ich sagen – merkwürdig? Udo kam zu mir, und sagte: „Ich bin Udo, und du, Thomas, bist für mich ein arroganter Arsch. Ich kenn‘ dich zwar nicht, aber ich sag‘ das jetzt mal so.“ Das war schon mal ein gutes Entrée. (lacht) Dann haben wir die Sendung zusammen gemacht, und danach meinte er: „Weißt du was? Du bist echt in Ordnung!“ Er hat also seine Meinung sofort revidiert, und das habe ich an ihm immer geschätzt. Gerade heraus und ehrlich. Ich denke, wir haben zu dem Zeitpunkt in einer etwas ruhigeren, klügeren Zeit gelebt, aber natürlich ist uns Kritik auch damals schon mächtig auf die Nerven gegangen.

Die Boulevard-Presse ist hier ja auch immer schnell bei der Sache.

Thomas Helmer: In München war das tatsächlich so. Bild, AZ, TZ.

Und dann gab es noch den damaligen Bayern-Pressesprecher Markus Hörwick, der eine sehr zweifelhafte Art hatte, mit den Medien umzugehen …

Thomas Helmer: Markus sagte zu mir als Kapitän, wenn wir verloren hatten: „Thomas, du musst heute zur PK gehen. „Wieso ich denn schon wieder?!“ Und er ergänzte: „Rede viel, aber sage nichts.“ (lacht)

Heute ist das ja fast schon Standard. Auch die Verantwortlichen sagen nicht wirklich etwas.

Thomas Helmer: Na ja. Das ist jetzt die Medienseite. Mir geht zum Beispiel diese Geschichte mit Max Eberl schon nahe, da ich ihn auch persönlich kenne. Es wird immer wieder behauptet, das sei richtig und das sei falsch. Bei diesen Beurteilungen tue ich mich sehr schwer.

Man mag vielleicht darüber streiten, aber ich finde zum Beispiel Max Kruse in dieser Beziehung sehr erfrischend. An einem Tag spielt er bei „Schlag den Star“ mit und am anderen Tag wechselt er den Verein, als wäre nichts gewesen. 

Thomas Helmer: Mich wunderte nur, dass der Verein das zugelassen hat. Es besteht ja schon ein gewisses Verletzungsrisiko. Aber du hast natürlich recht: Max schwimmt schon ein wenig gegen den Strom. Der traut sich in der heutigen Zeit, einfach sein Ding zu machen. Davon gibt es nur noch wenige. Wobei mein Eindruck ist, dass die Vereine das eigentlich nicht mehr zulassen wollen. Schade. Denn ich finde, das ist ein Stück Persönlichkeitsentwicklung, die ganz wichtig ist. Mal etwas Verkehrtes machen, eine falsche Aussage treffen oder jemanden kritisieren, das kann auch Teil einer Weiterentwicklung sein. Man kriegt das zwar meistens irgendwann um die Ohren, aber oft hilft das.

Wir reden von jungen Menschen, Mitte bis Ende Zwanzig. Haben wir nicht alle Mist gebaut in dem Alter und es dann auch ausbaden müssen? Daran ist man aber auch gewachsen. 

Thomas Helmer: Ja, aber wir haben uns meistens nicht erwischen lassen! (lacht)

Beim nächsten Fantalk geht es wieder in Richtung Champions-League, Bayern muss sich mit Salzburg auseinandersetzen. Das wirft für mich die Frage nach dem Erhalt des Stellenwerts der Champions-League auf: In Newcastle hat nun ein Investor aus Saudi-Arabien das Sagen, in Manchester und Liverpool wird mit Geld nur so um sich geworfen. Ist die Champions League nur noch ein Geschäftsmodell?

Thomas Helmer: Früher hieß es ja Europapokal der Landesmeister, da waren nur die ersten mit dabei. Mittlerweile dürfen vier Mannschaften an den Start gehen. Dortmund ist aus der Champions League ausgeschieden, spielt jetzt aber in der Europa League gegen Glasgow weiter. Natürlich will man nicht jeden Tag dieselben Mannschaften sehen. Aber die Gefahr ist da, dass die Fans ein wenig Interesse verlieren. Natürlich auch Corona geschuldet. Man darf nicht mehr in die Stadien oder eben nur mit Auflagen, was auch schwierig ist. 

Oft sind auch Drittligaspiele besser, wie zum Beispiel vor Kurzem Magdeburg gegen Saarbrücken, als so manches Erst- oder Zweitligaspiel. Da hat das Zuschauen wenigstens Spaß gemacht.

Thomas Helmer: Das glaube ich. Ich sehe hier auch sehr viele Zweitligaspiele, HSV oder Bremen oder andere in meiner Umgebung. Das ist zumindest spannend! Nicht immer Erstliganiveau, aber man kann sich das auf jeden Fall mit Freude anschauen.

Was ist denn dein Herzensverein? Bielefeld, Dortmund oder Bayern …?

Thomas Helmer: Ich bin immer für die etwas „Kleineren“, deswegen brauche ich den Bayern nicht die Daumen drücken, die können das auch ohne mich. Dortmund kann es manchmal – aber für Arminia hat es mich riesig gefreut, dass sie jetzt wieder in der Bundesliga dabei sind.