Andrea Petkovic: Mit Vertrauen in sich selbst, geht es immer voran!

Unter Vier Augen: Tennisprofi und Fernsehmoderatorin Andrea Petkovic über sportlichen Ehrgeiz, Disziplin, Freundschaften und was der Glaube an sich selbst bewegen kann

Andrea Petkovic. (Foto: ZDF/Torsten-Silz)

Steckbrief

Andrea Petković

Geboren am 9. September 1987 in Tuzla, Bosnien und Herzegowina

1993 im Alter von sechs Jahren beginnt sie mit dem Tennissport

2001 erhält sie die deutsche Staatsangehörigkeit

2004 gewann sie in Antalya ihr erstes ITF-Turnier

2007 und 2009 wurde sie jeweils Deutsche Meisterin

Sie gewann bislang sechs WTA-Turniere im Einzel. Sie spricht neben Deutsch und Serbisch noch Englisch und Französisch

Trafen sich zum Gespräch: Andrea Petkovic und Markus Eisel. (Foto: privat)

Parallel zu Deiner Tennis-Karriere übernimmst Du auch die Moderation von Sportreportagen.Wie ist es für Dich, wenn du Tennis-Kollegen interviewst? 

Andrea Petkovic: Ich konnte mir vorher gar nicht vorstellen, wie das werden würde. Ich habe dann aber schnell gemerkt, was das für ein großer Mehrwert ist, dass ich selbst aktive Tennisspielerin bin. Zum Beispiel hatte ich einmal ein Gespräch mit Dominic Thiem, der war sehr enttäuscht, nachdem er ein Spiel verloren hatte. Man sah es ihm schon auf den Kameraaufnahmen an. Und als er dann meine Stimme gehört hat, dann hat sich seine Laune gleich gebessert (beide lachen). Es hat natürlich auch geholfen, dass er das Studio nicht gesehen hat, er hatte mich nur auf dem Ohr. Und dann bin ich mit einer taktischen Frage eingestiegen und habe nicht weiter nach seiner Stimmung gefragt. Ich wusste, dass er enttäuscht war und musste nicht weiter darauf eingehen. Ich habe gleich gemerkt, dass ihm das auch lieber war. Besser zurück zu den Fakten! Was ist heute gut gegangen? Was ist heute schlecht gegangen oder warum hat es dann am Ende nicht geklappt? Ich war selbst schon in solchen Situationen und wusste wie man sich dabei fühlt. Es ist eigentlich ganz gut, wenn man diesen persönlichen Kontakt hat. Ich verstehe schon, dass man als Zuschauer die Emotionen von jemandem sehen möchte, aber man selbst ist ja in der Situation gefangen. Man sieht die Gefühle auch so, da muss man nicht nochmal fragen „Hey, wie fühlst du dich? Fühlst du dich frustriert?“ Das wollte ich tunlichst vermeiden. Und das ist dann echt gut gelaufen. Aber davor war ich echt aufgeregt und wusste nicht, wie er reagieren und das Gespräch laufen würde. Auch wenn wir uns kennen, hatte ich schließlich die Funktion der neutralen Journalistin.

Wie kamst Du darauf, jetzt Sportreportagen zu moderieren? 

Andrea Petkovic: Eigentlich schreibe ich schon seit Ewigkeiten. Also, ich glaube seitdem ich 19 bin. Damals habe ich für die FAZ ein Tagebuch über mein Leben als Profisportlerin geführt. Dann habe ich mit 22 angefangen, für das Record-Magazine in New York Reportagen und Portraits über andere Spieler zu schreiben. Außerdem hatte ich auch eine Kolumne in der Süddeutschen-Zeitung. Also es kommt nicht so ganz aus dem Nichts, dass ich mich journalistisch betätige. Aber Fernsehen hatte ich zuvor noch nicht wirklich gemacht. Ich wusste aber, dass mir Kameras nichts ausmachen und dass ich mich entspannt fühle. Im amerikanischen Fernsehen hatte ich auch ein paarmal kleinere Beiträge gemacht – Spiel-Analysen und Experten-Meinungen. Und ich habe für das ARD mal als Tennisexpertin gearbeitet, als Angie Kerber im Masters-Finale stand. Das hat mir total Spaß gemacht und da habe ich mich sehr selbstsicher gefühlt. Aber es war natürlich auch eine Sportart, in der ich mich super auskenne. Als Sportmoderatorin für alle Sportarten war das schon etwas heikler. Es war keine so eine einfache Entscheidung für mich, ob ich das neben meiner aktiven Sportkarriere mache oder nicht. Ausschlag hat dann gegeben, dass ich dieses Jahr eher weniger Turniere spielen wollte und es vermutlich mein letztes aktives Jahr sein wird. Auch wegen den körperlichen Befindlichkeiten und Sportverletzung war das dann die Chance, beide Welten miteinander zu verbinden. 

Ich habe in Deiner Biographie gelesen, dass Du die elfte Klasse übersprungen und Dein Abi mit 1,2 gemacht hast…  

Andrea Petkovic: Ja, Streber halt. Ich war ein richtiger Unsympath! (Beide lachen) Also, viele denken, das wäre mir immer einfach so leicht zugeflogen, aber nein: ich habe viel dafür gearbeitet. Ich war schon immer ehrgeizig. 

Du warst in Deiner schulischen Laufbahn ehrgeizig und natürlich auch im Sport. Gerade als Einzelsportler ist der unbedingte Siegeswille extrem wichtig, oder? 

Andrea Petkovic: Ja, auf jeden Fall. Was mir natürlich – vor allem als junger Mensch – immer schwer im Einzelsport fiel war, dass du mit der ganzen Verantwortung alleine auf dem Platz stehst. Hast du verloren, dann warst du verloren –  und man war selbst schuld daran. Kein Mitspieler oder der Schiedsrichter – du hast das Match alleine verloren! Und das war am Anfang unheimlich schwer für mich und ich musste viel lernen. Eigentlich darf eine Niederlage das Selbstwertgefühl nicht kaputt machen. Wenn ich verloren hatte, war ich ein Häufchen Elend, wenn ich gewonnen hatte, fühlte ich mich als ein Superstar. Heute, mit über 30, bin ich total froh, dass ich diese ganzen Erfahrungen hatte und nun gelassener damit umgehen kann. Das hat mich gestählt und auch ein Grundvertrauen in mir erweckt. Es kommen Misserfolge, es kommen Verletzungen, es kommen Rückschläge, aber bisher habe ich es auch noch immer überlebt. Irgendwie geht´s immer voran. Das ist ein ganz wichtiges Urvertrauen, was man sich erarbeiten kann. 

Ich glaube, es ist auch ganz wichtig, dass man eine Perspektive hat, wie es weitergeht. Viele Sportler fallen nach dem Karriere-Aus in eine Leere. 

Andrea Petkovic: Als ich 20 war, habe ich mit meinen Tennis-Freundinnen nie über Rücktritte oder sowas gesprochen. Jetzt kenne ich schon mehr Kollegen, die bereits zurückgetreten sind. Bei vielen habe ich die Beobachtung gemacht, dass sie die ersten vier Wochen wie auf Wolke sieben schweben, weil auf einmal der ganze Druck abfällt. Was darf ich essen, was nicht? Wann muss ich aufstehen? Wann muss ich trainieren? All das fällt erstmal weg und man kann machen, was man will. Und dann kommt das Loch, die Leere und die fehlende Routine. Viele beenden ja die Karriere, um eine Familie zu gründen, doch das lässt sich ja nicht immer so einfach planen. Manchmal geht es nicht so schnell und dann habe ich gesehen, dass manche in ein Loch fallen. Ich habe mir gesagt, mir das nicht passieren soll, deswegen habe ich mir das zweite Standbein schon mal vorbereitet.  

Haben sich richtige Freundschaften mit Tenniskollegen entwickelt? 

Andrea Petkovic:  Ja, ich glaube auch sehr intensive. Ich versuch das immer so zu vergleichen, wie in einem Landschulheim. Vielleicht ist das nicht der Freund, mit dem du so viel gemeinsam hast, dass du mit ihm zusammen ins Kino gehst, aber man hat trotzdem viel zusammen erlebt. Das bindet einen irgendwie emotional total aneinander. Man sieht sich ja auch nicht nur auf dem Tennisplatz. Oft geht man nach dem Match in die Umkleide und dann sitz da deine Kollegin und weint. Dann weißt du nicht, gehst du jetzt hin oder lässt du es bleiben. Man darf ja auch nicht so tun, als wären wir alle Freundinnen und es gäbe nur Friede, Freude, Eierkuchen und keine Konkurrenz. Natürlich ist da eine Konkurrentin, aber wir sind eben auch Menschen. Wenn da jemand sitzt und heult, dann weißt du: letzte Woche war ich diejenige. Diese gemeinsamen intensiven, emotionalen Erfahrungen, die verbinden – ob man will oder nicht.  

Aber ich glaube, gerade wenn man in einer Einzelsportart Erfolg haben will, muss man auch ein Stück Egomane sein? 

Andrea Petkovic:  Ja, total. Wir sind schon echt egoistische Kreaturen, das muss man wohl zugeben. Und ich merke das jetzt auch total im Vergleich zum Fernsehen. Da ist alles Teamarbeit! Ich kann die beste Moderation aller Zeiten schreiben, aber wenn der Licht- oder Ton-Techniker und der Regisseur keinen Bock haben, dann ist meine Moderation hinfällig. Ich freue mich, dieses Teamgefühl nun kennenzulernen. Natürlich hatte ich vorher auch meinen Trainer und meine Physiotherapeuten, aber die sind dafür bezahlt worden, sich um mich zu drehen. Das ist eigentlich nicht das reale Leben. Es funktioniert eigentlich nicht, dass du dich selbst und andere nur um dich drehen. Deswegen ist das im Fernsehen für mich eine super Erfahrung. Man muss zusammenarbeiten und hat ein gemeinsames Ziel.

Wie hast Du Dich auf die Arbeit als Moderatorin vorbereitet? 

Andrea Petkovic: Mein erstes Casting habe ich ein bisschen auf gut Glück gemacht – das war dann schrecklich (beide lachen). Ich habe schnell gemerkt, dass das Moderieren nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick aussieht. Dann habe ich mir eine Moderationstrainerin engagiert und mit ihr geübt. Irgendwann habe ich dann tatsächlich den Job bekommen. Am Anfang haben wir nochmal vier oder fünf Probesendungen aufgenommen, die liefen dann sonntags mit Rudi Cerne oder Norbert König. Ich habe wirklich Glück, denn die Beiden haben mir noch viele Profi-Tipps gegeben. Die sind ja auch schon seit 30 Jahren im Geschäft.

Gibt es für Dich eine Sportsendung, bei der Du gerne irgendwann ankommen möchtest? Das Sportstudio?

Andrea Petkovic:  Ja, das fragen mich viele mit dem Sportstudio. Also ich glaube, momentan eher nicht, denn mit dem Einstieg ins Fernsehen habe ich gemerkt, dass das alles nicht so einfach ist. Ich würde mir das noch überhaupt nicht zutrauen, aber vielleicht in fünf oder sechs Jahren, wenn ich Erfahrungen gesammelt habe. Das ist etwas anderes. Das Einzige, was ich mir noch wünsche: Dass noch mehr junge Menschen es eine coole Sendung finden und sie gerne angucken.  

Es gibt ja die Rubrik „Sport aus aller Welt“, das find ich einfach super! 

Andrea Petkovic:  Ja, das ist meine Lieblingsrubrik und ich habe auch schon gesagt: Können wir da nicht mal ein längeres Segment machen? Das ist doch so super! Ich finde das so schade, dass Filme oder Fernsehserien in die Gesellschaft und in die Kultur eingebettet werden und Sport mehr als Opium fürs Volk belächelt wird. Es soll unterhalten und sonst nichts machen. Und ich meine, jeder Sportler hat Dekaden an Werten mit sich genommen und das kann doch nicht schlecht für eine Gesellschaft sein? Das so zu belächeln und abzutun, das tut mir natürlich besonders als Sportlerin leid, aber nun eben auch als Sportjournalistin. Man darf den Zuschauer nicht unterschätzen, denn ich glaube, dass das Thema viele Menschen interessiert und man auch gefordert werden will. Man will nicht nur mit einem kurzen „Bayern hat 4:1 gewonnen“ abgespeist werden, sondern möchte den Weg und die Geschichte dahinter erzählt bekommen. (eis)