Szene aus dem neuen Erzgebirgskrimi „Der letzte Bissen“: Thomas Sarbacher als Großbauer Arnold Huber. (Foto: ZDF/Uwe Frauendorf)

Steckbrief: Thomas Sarbacher

  • Geboren 1961 in Hamburg
  • Abitur, Banklehre und Studium, mit 26 Jahren Beginn der Schauspielausbildung in Graz
  • 1990 bis 1999 diverse Theaterengagements in Bremen, Zürich und Klagenfurt
  • 1998 erste Fernsehproduktion (Mammamia)
  • Ab 2003 Rolle des Kriminalhauptkommissars Matthias Steiner in „Der Elefant – Mord verjährt nie“ (Sat1)
  • 2006 erster Kinofilm (Underdogs), 2008 „Die Welle“
  • Neben vielen weiteren Fernsehproduktionen (u. a. in der Reihe „Tatort“) immer wieder Theaterengagements, u. a. in Schwäbisch Hall, Hamburg und Zürich
  • Lebt mit seiner Frau und seinen Töchtern in Zürich

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Herr Sarbacher, wie kam es zu Ihrer Schauspielausbildung? Wollten Sie sich vorab mit einem „normalen“ Beruf absichern?

Thomas Sarbacher: Nein. Ich bin erst sehr spät auf die Idee gekommen, Schauspieler zu werden. Zu Beginn war das so gar nicht vorgesehen. Ich habe mich zwar immer für Literatur und Theater interessiert, aber auf die Idee, selbst spielen zu wollen, bin ich erst einmal nicht gekommen. Das hat sich eher durch Zufall ergeben, als ich in Mannheim an der Hochschule war. Dort stand ich irgendwann plötzlich auf der Studentenbühne. Mit dabei waren zwei Kommilitonen, die oft zum Vorsprechen gegangen sind, und da dachte ich: „Was die können, das kann ich auch“. Ich kam ein bisschen in Verlegenheit bei der Entscheidung für die Schwerpunkte des Hauptstudiums. Dieser Entscheidung bin ich ausgewichen und so auf der Schauspielschule gelandet. Es war also schon ein bisschen Zufall dabei … (lacht)

Ihre Banklehre und das begonnene Studium – kam Ihnen das irgendwann noch zugute?

Thomas Sarbacher: Nicht wirklich. (lacht) Die Bank, bei der ich damals lernte, gibt es gar nicht mehr und den Job, den ich damals machte, gibt es auch nicht mehr. Das ist wohl ein bisschen kurios, aber tatsächlich hatte ich das damals alles nur gemacht, weil ich noch nicht wusste, was ich wirklich will.

Sie glänzen insbesondere in Rollen, in denen Sie den Verschlagenen spielen oder vielleicht besser: den Undurchsichtigen. Das ist nun nicht jedem gegeben, den Bösewicht zu mimen …

Thomas Sarbacher: Sagen wir mal so: Das sind natürlich immer die interessanteren Rollen als die des Guten oder des Helden. Es macht schon mehr Freude, einen Undurchsichtigen als einen braven Hausmann zu spielen. Aber nicht ich habe mir die Rollen ausgesucht, das haben andere für mich getan. Ich versuche lediglich, jeder Figur so viel mitzugeben, dass sie glaubwürdig ist. Das ist meine Arbeit und mein Vergnügen daran. Wie gesagt, die Entscheidung der zu spielenden Rollen liegt nicht in meiner Hand. Ich kann natürlich sagen, was mich interessiert und was ich gerne spielen möchte, aber ob ich das dann auch in den Angeboten finde, steht auf einem anderen Blatt. Und ob ich die Rolle dann auch bekomme, ist zuerst einmal die Entscheidung der anderen …

Beim Vorbereiten und Spielen einer Rolle taucht man bekanntlich oft sehr in deren Charakter ein. Wie trennen Sie die Rolle von der Person Thomas Sarbacher? Oder verlieren Sie sich manchmal doch in der zu spielenden Figur?

Thomas Sarbacher: Also, ich beginne nicht mit jeder neuen Rolle auch ein neues Leben. Ich möchte es gerne so sagen: Ich erzähle Geschichten. Wenn ich eine Rolle angeboten bekomme, erzähle ich mir deren Geschichte so lange, bis ich viel über diese neue Figur weiß. Dazu gehören natürlich alle möglichen Assoziationsflächen, welche ich für die neue Rolle nutzen kann. Das heißt allerdings nicht, dass ich mich darin verliere. Ich hatte einmal ein Theaterstück gespielt, „Aufzeichnungen eines Psychopathen“ von Wenedikt Jerofejew, – das ist grob gesagt die Geschichte eines Mannes, der sich aus Selbstschutz für verrückt erklärt – und eine Freundin sagte danach zu mir: „Solange du genau weißt, was du da tust, musst du keine Angst haben, verrückt zu werden.“ (lacht) Das ist der Bogen, den man spannt.

Schauen Sie sich Ihre Filme nach dem Abdrehen noch einmal an?

Thomas Sarbacher: Nicht alle. Den letzten habe ich beispielsweise noch gar nicht gesehen, weil wir aufgrund unseres kürzlichen Umzuges noch kein Internet haben. Man weiß noch so viel darüber, wie das zustande gekommen ist und wie man daran gearbeitet hat. Ich finde, es fällt dann schwer, alles einfach „nur“ als Film zu sehen. Wenn ich mir das anschaue, dann nur, um zu sehen, was ich wieder einmal an Fehlern gemacht habe …

Sie sind also sehr selbstkritisch?

Thomas Sarbacher: Ja, klar. Das bleibt nicht aus. Wenn man etwas so lange schon macht, dann steigen die Ansprüche.

Es gibt ja auch Schauspieler, die sich ihre eigenen Filme nicht anschauen können. Sie wollen sich darin nicht sehen … Muss man dafür den Frieden mit sich selbst machen?

Thomas Sarbacher: Na ja, dass ich mich gar nicht sehen kann, ist vielleicht etwas zu viel gesagt. Es bleibt aber auf jeden Fall ein bizarrer Vorgang, sich selber zuzuschauen. Das ist einfach so. Und dementsprechend ist die Aufmerksamkeit dann auf das gerichtet, was nicht funktioniert hat. Und es hat natürlich auch etwas Lehrreiches, denn beim nächsten Mal kann man es dann ja besser machen. (lacht) Also unter diesem Aspekt sehe ich mir meine Filme dann schon hin und wieder mal an …

Sie sind ein sehr erfahrener Schauspieler. Kommt es denn vor, dass Sie auch einmal korrektiv Einfluss auf das Drehbuch nehmen?

Thomas Sarbacher: Nein. Solche Dinge sollte man besser im Vorfeld klären. Grundlegendes, wie neue Ideen oder Verbesserungsvorschläge, kann man schon anbringen oder darüber reden, aber das muss im Voraus gemacht werden. Wenn der Dreh erst einmal begonnen hat, ist dieser Teil der Arbeit bereits abgeschlossen. Ich habe vor einigen Jahren eine Serie gemacht, bei der ich bereits bei der Buchentwicklung versucht habe, Einfluss zu nehmen, wobei mir da auch die Gelegenheit gegeben wurde, mich inhaltlich zu beteiligen. Aber das macht man natürlich nicht bei jedem Werk, an dem man mitarbeitet, oder bei jeder Rolle, die man annimmt. Diejenigen, die zu Beispiel bei dem neuen Erzgebirgskrimi den Hauptcast bilden, werden sich sicherlich sehr intensiv mit dem Drehbuchautor und den Regisseurinnen und Regisseuren darüber auseinander gesetzt haben, aber meine Figur darin war eher überschaubar. Da bleibt es bei einem Vorgespräch mit der Regie, in welchem man sich darüber austauscht, was mit der Figur erzählt werden soll, und damit ist das Thema durch.

Im neuen Erzgebirgskrimi spielt Andrea Osvárt (li.) an der Seite von Thomas Sarbacher (re.) seine Frau Anges Huber. (Foto: ZDF/Uwe Frauendorf)

In diesem Erzgebirgskrimi spielen Sie auch wieder einen eher undurchsichtigen Typen …

Thomas Sarbacher: Ja, klar, das kann man so sagen. (lacht)

Ihre Frau Ariela ist ebenfalls Schauspielerin. Ist das eher schwierig oder auch von Vorteil?

Thomas Sarbacher: Es ist großartig. Jeder hat sich so sein Feld erobert. Vor einigen Jahren haben wir auch eine gemeinsame Theaterproduktion gemacht, meine Frau hat gespielt und ich hatte die Regie inne. Ich würde die Tatsache, dass wir beide im selben Genre arbeiten,  eher konstruktiv nennen. Es ist herausfordernd und anspruchsvoll, hat eben aber auch seine Vorzüge.

Wir leben im Jahr 2021. Der technologische Fortschritt hat auch vor dem Film nicht halt gemacht. Haben die Filme vom Anfang noch irgendetwas mit denen von heute zu tun, außer der Tatsache, dass man schauspielern muss oder kann? Haben sich die Abläufe beschleunigt?

Thomas Sarbacher:  Nein. Ja. (lacht) Also, sagen wir so: der Akzent verschiebt sich natürlich aufgrund der technischen Möglichkeiten, weil man einfach anders arbeiten kann. Zum Beispiel ist die Kamera beweglicher geworden. Was aber auch für die Bildsprache Konsequenzen hat und anderer Erfordernisse bedarf. Was den Ablauf beschleunigt sind aber Dinge, wie beispielsweise das Umrüsten der Beleuchtung, da die Geräte leichter zu handhaben und nicht mehr so schwerfällig sind. Aber das, was an Zeit eingespart werden kann, fließt direkt in den Anspruch. Die Handhabung erfordert wesentlich mehr Sorgfalt und technisches Knowhow, um den jetzigen Herausforderungen in der Bildsprache begegnen zu können. Von daher werden die Abläufe eigentlich nicht schneller. Es werden gewaltige Leistungen vom Technik-Team abgerufen, und das braucht eben genauso seine Zeit. Die Akzente verschieben sich.

Ist es heute noch üblich, nachzusynchronisieren?

Thomas Sarbacher: Ja, schon. Aber nicht mehr so viel, wie es einmal war. Vielleicht eher technischer Art, wenn in Szenen irgendwelche Geräusche stören. Aber es ist wohl weniger geworden. Wobei wir hier wieder bei der Technik sind: die Ausrüstung ist eben besser.

Haben Sie einen Rollenwunsch, den Sie bisher noch nicht erfüllt bekommen haben? Nero in „Quo vadis“?

Thomas Sarbacher: (lacht) Nein, im Film eigentlich nicht. Vielleicht eher im Theaterbereich. Es gibt schon großartige Stücke, die ich gerne einmal spielen möchte. Aber sonst ist die beste Rolle eigentlich immer die nächste. Das, was ich bereits gespielt habe, habe ich erschöpfend behandelt und kann mich auf die nächste Rolle freuen.

Gibt es einen Schauspieler, der für Sie als Vorbild agiert?

Thomas Sarbacher: Nein. Was aber nicht heißt, dass ich mich hierfür nicht interessieren würde. Natürlich verfolge ich die Arbeit der Kollegen mit großem Interesse und auch mit Begeisterung. Aber ich orientiere mich nicht zwingend daran.

Die heutige Zeit bringt mit ihrer Social-media-Präsenz viele Plattformen auf den Markt, die oft für Hetze und respektloses Miteinander missbraucht werden. Sie selbst sind nicht in den sozialen Medien unterwegs. Erfahren Sie im Alltag – etwa bei der Kritik nach der Vorstellung eines Films – auch den fehlenden Respekt voreinander oder den respektlosen Umgang mit Ihnen als Künstler?

Thomas Sarbacher: Nein, das kann ich eigentlich nicht behaupten. Das Schlimme ist aber, dass es Kritik im eigentlichen Sinn überhaupt nicht mehr gibt. Vor zwei Jahren habe ich eine Theaterproduktion gemacht, die von einer Zeitung besprochen worden ist. Die anderen Zeitungen haben gar keine Kulturredaktion mehr! Das find‘ ich tragisch. Dieser Tod ist ein schleichender. Auch vor einigen Jahren schon war es mit der Theaterkritik nicht mehr weit her, es waren im Wesentlichen nur Inhaltsangaben und Auskünfte über die Farben der Kostüme, aber inhaltlich hatte sich da schon nichts mehr abgespielt. Die wahre Katastrophe ist, dass das nicht mehr wichtig zu sein scheint. Es finden fast nur noch große Events das Interesse der Öffentlichkeit, und mit einer „normalen“ Theaterproduktion landet man sozusagen schon im Nischenbereich. Es wird einfach viel zu viel sinnentleert kommuniziert, und das ist auch der Grund, warum ich mit den sozialen Netzwerken nichts zu tun haben möchte. Für mich ist das Verschwendung von Zeit, Energie und eigenen Ressourcen. Wenn man sich einmal ein Buch zur Hand nimmt, in dem ein Briefwechsel geschrieben steht, dann fällt auf, wie viel Aufmerksamkeit einem solchen Dialog gewidmet wurde. So etwas passiert heute einfach nicht mehr. Wenn ich eine E-Mail aufsetze, dann reduzierte ich mich auf die Fakten, die ich austauschen möchte. Aber die Zeit, sich mit den Gedanken an den Adressaten auseinander zu setzen und etwas Erzählens- oder Bedenkenswertes zu formulieren, die nimmt sich heute kaum noch einer. Wie soll sich da dann noch eine Kulturkritik erhalten?

Entnehme ich daraus, dass das Theater doch Ihre große Leidenschaft ist?

Thomas Sarbacher: Ich möchte das gar nicht gegeneinander aufwiegen. Sowohl die Arbeit vor der Kamera als auch die auf der Bühne hat ihren eigenen Reiz. Eine Zeit lang habe ich sehr viel gedreht und sehr wenig Theater gemacht. Ich habe versucht, das auch wieder zu korrigieren, weil ich auf der Bühne eben auch die Stoffe behandeln konnte, die mir tatsächlich am Herzen liegen und die mich interessieren. Ich lese sehr viel und beschäftige mich gerne mit Literatur, was auch der Grund ist, warum ich meine Lesereihe im Theater ins Leben gerufen habe. Darin habe ich eine kleine Nische gefunden, die mir sehr viel Freude bereitet – und meinem Publikum hoffentlich auch … 

Erzgebirgskrimi „Der letzte Bissen“, Erstausstrahlung Samstag, 16. Oktober, 20.15 Uhr, ZDF, ab Samstag, 9. Oktober, in der ZDF Mediathek