Martin Bader ist seit Ende Januar Sportvorstand beim 1. FC Kaiserslautern. Gemeinsam mit Trainer Michael Frontzeck hat er sich auf die Fahnen geschrieben, den Verein aus der Kriese zu holen. Das muss nicht zwingend ein sofortiger Wiederaufstieg sein, wie er im Gespräch mit Markus Eisel erklärt – wichtig sei es, den Verein finanziell und sportlich zu stabilisieren. Erfahrungen mit solchen Situationen hat Bader in seiner Karriere bereits einige gesammelt.

Der Fußball hat sich, wie die Gesellschaft an sich, verändert. Wie empfinden Sie den Umgang mit Respekt und Demut?

Martin Bader: Das ist ein interessanter Ansatz. Die Grundvoraussetzung ist ein Miteinander. Ohne Respekt und Demut wird keine Gesellschaft funktionieren. Das fängt in den kleinsten Bereichen an – eine Familie funktioniert nur, wenn der Respekt zwischen den Erwachsenen und auch zu den Kindern vorhanden ist. So überträgt sich diese Einstellung in alle Bereiche – in die Arbeitswelt und natürlich auch in den Fußball. Ich glaube schon, dass im Fußball mit Respekt und Demut gearbeitet wird. Auch wenn man manchmal Summen hört, die nicht nachvollziehbar sind. Aber wenn man sich die Details anschaut, glaube ich schon, dass im Fußball noch Respekt und Demut vorhanden sind. Sicher kann ich es nur für uns sagen, wir haben auf jeden Fall einen sehr hohen Respekt und auch sehr große Demut vor den anstehenden Aufgaben.

Das glaube ich Ihnen sofort. Wie oft schauen Sie sich an, was beim FCK passiert und denken „Was habe ich da bloß getan?“?

Martin Bader: Keinen einzigen Tag. Weil ich mir das zum einen sehr gut überlegt habe, als die Gespräche anstanden,. Ich habe im Dezember oder im Januar die Gespräche finalisiert. Zu diesem Zeitpunkt war die Tabellensituation schon so, dass man sich zu 85 Prozent klar war, dass der Verein absteigen wird. Durch ein Wunder hätten wir es doch noch schaffen können, aber wenn man realistisch an die Sache rangegangen ist, und ich bin angetreten um Realismus in den Verein zu bringen, dann konnte ich nicht davon ausgehen, dass wir es doch noch schaffen. Wichtig war, dass ich schon im Februar angefangen habe, und die drei Monate nutzen konnte um mir alles anzuschauen und alle Dinge mit den Kollegen in die Wege zu leiten, dass wir so weit sind, wie wir jetzt sind. Ich habe keine Sekunde an meiner Entscheidung gezweifelt, im Gegenteil, die Außenwahrnehmung war schlechter und negativer als die Wahrnehmung, die ich habe. Ich empfinde hier alles sehr positiv: sowohl die Mitarbeiter – sie sind respektvoll, empathisch und engagiert – als auch die Rahmenbedingungen –, die sind erstklassig. Was ich noch erlebt habe, das ist auch nicht typisch für einen Traditionsverein: die Unterstützung bis zum letzten Spieltag, auch wenn die Spielergebnisse negativ ausfallen. Respekt der Mannschaft gegenüber, die sich trotz des Abstiegs nicht entmutigen lässt und Respekt den Fans gegenüber, die sagen „Ok, ihr seid abgestiegen, aber wir sehen, dass ihr an eure Grenzen geht“. Das ist in der Wahrnehmung nach Außen manchmal etwas untergegangen. Die Unterstützung der Vereinsführung ist sehr groß, auch das Vertrauen, das wir von den Mitgliedern bekommen haben, war ein wichtiges Zeichen. Wenn bei allen Dingen, die wir machen, erst einmal Skepsis herrschen würde, dann wäre es schwierig. Das erfahre ich hier aber überhaupt nicht.

Der FCK hat eine interessante Geschichte hinter sich…

Martin Bader: Wir sind immer noch Zehnter der ewigen Bundesliga-Tabelle.

Und dann aber der Fall in den letzten fünf Jahren. Hängt das auch mit der vorherigen Vereinsführung zusammen?

Martin Bader: Ich weiß nicht, was die Vorherigen gemacht haben, dazu kann ich nichts sagen. Am Ende ist es manchmal auch Zufall. Aber auf einen langen Zeitraum ist das eher unwahrscheinlich.

Es gibt auch die bekannte Fananleihe, die wird 2019 fällig, wird Ihnen Bange, wenn Sie an dieses Thema denken?

Martin Bader: Davor habe ich Respekt. Aber das wusste ich auch bereits im Februar. Was mir imponiert hat, waren der neue Aufsichtsrat und Vorstand Michael Klatt, die eben auch genau das gemacht haben, was eine verantwortungsvolle Vereinsführung macht, nämlich diese Themen, die in der Zukunft liegen, trotzdem schon anzugehen. Die Stadionmiete anzupassen haben vorher schon viele versucht, dem Verein ist es jetzt erstmalig gelungen, dass wir eine Anpassung an die dritte Liga erfahren haben. Die Vereinsführung weiß auch: Wenn wir nicht die Instrumente an die Hand nehmen, um uns über Eigenkapital wieder frisches Geld zuzuführen, um nicht wieder Fremdkapital aufzunehmen, dann werden wir die Probleme, die da im nächsten Jahr kommen – weiterhin weniger Fernsehgeld, aber auch natürlich das große Thema Fananleihe – nicht geschultert bekommen. Es war wichtig, dass wir die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen konnten, dass jetzt losgelegt werden kann, um Eigenkapital zu generieren. Ansonsten wird es wirtschaftlich für den Verein auf Dauer sehr schwer. Der FCK wird immer existieren, aber dann vielleicht auf einem ganz anderen Niveau. Es gibt genug Beispiele, die mahnend sind, was passieren kann, wenn sich ein Traditionsverein nicht frühzeitig um Dinge kümmert, die wirtschaftlich sehr große Ausprägungen haben.

Martin Bader ist seit Ende Januar Sportvorstand beim 1. FC Kaiserslautern.
 (Foto: 1. FC Kaiserslautern)

Der FCK ist nicht der erste Traditionsverein, den Sie betreuen. Sie waren auch schon in Vereinen mit einem Investor tätig. Ist diese Mischform für einen Traditionsverein nicht ein zweischneidiges Schwert?

Martin Bader: Diese Konstellation würde beim FCK nicht funktionieren. Das ist auch in der Konstruktion, die wir gewählt haben, gar nicht vorgesehen. Durch das Vier-Säulen-Modell haben wir gesagt, wir wollen uns breit aufstellen. Was den FCK eben auszeichnet, ist die Tradition. Und das berücksichtigen wir auch, wenn wir überlegen, was wir einem Investor anbieten können. Es gibt bei uns auch eben auch noch stille Gesellschafter, vor allem aber Fans und Mitglieder sowie regionale Investoren – dieser Mix macht es auch, dass ein großer Investor gar nicht alles übernehmen kann.

Ziehen Sie einen Vergleich zu Vereinen wie Nürnberg oder Hannover? Von der Tradition, dem Verein, der Empathie für den Verein?

Martin Bader: Nein, jeder Verein ist anders. Was ich hier erlebe, hat natürlich bedingt auch etwas mit den Erfolgen in den 90er Jahren zu tun, was natürlich weder Nürnberg noch Hannover in dieser Zeit hatten, das ist hier viel frischer. Und ein Traditionsverein, der diese noch frischen Erfolge hat, hat natürlich auch eine andere Generation im Stadion, weil das alles noch präsent ist. Nürnberg, ich habe es selbst erleben dürfen, 2007 beim Pokalsieg, als wir gemerkt haben, dass dieser Verein einfach ein riesiges Potenzial hat, und das ist beim FCK auch so. Und deswegen wissen wir auch, dass wenn wir es vernünftig machen, dass man dann eine Region wieder begeistern kann, die trotz allem auch gelernt hat aus den letzten Jahren und mit Respekt und Demut und an die Sache rangeht und nicht nach 45 Minuten, bei einem Stand von 0:0 alles in Frage stellt. Hier weiß man, dass wir erst mal wieder von ganz unten nach oben kommen müssen. Das kann man dann schon ein bisschen mit Nürnberg vergleichen, ich habe damals angefangen in der zweiten Liga, aber trotzdem würde ich mir jetzt schwer tun, die Vereine miteinander zu vergleichen. Der FCK steht für sich in dieser Region und deswegen ist es auch spannend.

Wie viel Masochismus steckt in Ihrer Position?

Martin Bader: Ich mache das jetzt über 15 Jahre in alleiniger Verantwortung und davor noch mal zehn Jahre bei Hertha BSC in Berlin. Ich habe ja mal ein halbes Jahr nicht arbeiten können, da dachte ich, ich könnte das genießen und mal ein bisschen was anderes machen. Man ist dann aber einfach infiziert davon, mit dabei zu sein, am Wochenende Spiele zu erleben, mit den ganzen Hochs und Tiefs. Man kann nachts nicht schlafen, weil man nicht weiß, was am nächsten Tag genau passiert, wie es weiter geht. Man hat Verantwortung für viele Menschen auf der Geschäftsstelle. Wenn man das mal erlebt hat und weiß, dass es einen antreibt und fasziniert, kann man sich nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Insofern hat das nichts mit Masochismus zu tun, ich habe einfach Spaß an der Aufgabe und finde es toll, in solch einem Bereich arbeiten zu dürfen.
Als Sie von Nürnberg weg gegangen sind, wurde kolportiert, Sie seien vom Hof gejagt worden, obwohl Sie vorher sehr viel Positives gemacht haben. Lässt man das an sich ran?
Martin Bader: Natürlich. Nürnberg hat am Ende ein Stück weit weh getan, muss ich ganz ehrlich sagen. Meine Zeit dort, immerhin elfeinhalb Jahre, hatte Höhen und Tiefen, und ich sage heute: Wir haben neun Jahre Bundesliga gespielt, das war für Nürnberg auch keine Selbstverständlichkeit, und bevor ich weggegangen bin, haben wir einen Kader zusammengestellt, der es zwei Jahre später wieder geschafft hat, aufzusteigen. Aber ich habe für mich einen Haken drangemacht. Es ist der Verein, bei dem ich am längsten war, meine Tochter lebt noch in dieser Stadt, ich selbst bin noch oft in Nürnberg. Da ist es natürlich schon so, dass es einen noch ein bisschen bewegt. Aber es gehört so zu diesem Geschäft. Man hat ja auch eine exponierte Stellung mit einem entsprechenden Vertrag, und das nimmt man dann in Kauf.

Quasi Schmerzensgeld?

Martin Bader: Da brauchen wir nicht drum rumreden. Und das weiß ich auch zu schätzen, deswegen versuche ich das durch Fleiß, Einsatz und richtige Entscheidungen ein Stück weit wieder zurück zu geben. Und ich versuche, die Leute mitzunehmen. Wenn man einmal ein bisschen Lust hat, für einen Verein zu arbeiten und dann auch noch für einen Traditionsverein arbeiten darf, dann sollte man das, was man hat, auch jeden Tag wertschätzen und das tue ich auch.

Sie vermitteln auch das Gefühl, dass Sie Lust darauf haben.

Martin Bader: Ja, es ist auch etwas Tolles.

Ein anderes Thema. Aktuell hört man immer von der Kaderplanung, wird diese nicht vom Trainer übernommen? Oder bestimmt das der Manager?

Martin Bader: Das ist immer ein Zusammenspiel. Unsere Aufgabe ist es zum einen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen festzulegen und Machbarkeiten vorab zu prüfen. Aber bevor man an die Kaderplanung geht, spricht man über die Idee, das Anforderungsprofil und die Vorstellung, die dem Trainer passen könnte. Je mehr dieser Punkte feststehen, umso einfacher ist es. Mit Michael ist das perfekt, weil er ähnlich denkt und ein Vertrauensverhältnis da ist. Sonst funktioniert das auch nicht. Wir setzen uns kritisch auseinander, aber das ist völlig normal. Das ist wie wenn man verheiratet ist, mit der Frau wird man sich auch mal streiten. (lacht) Vom Grundsatz her hat man aber einen gemeinsamen Nenner und ein gemeinsames Grundverständnis. So gehört das auch bei der Zusammenarbeit dazu. Der Kader ist ein komplexes Thema. Der Trainer hat seinen Schwerpunkt in der Trainingsgestaltung und wir haben die Aufgabe, Informationen einzuholen und Verträge zu machen. Auch ein Stück weit im Sinn des Trainers. Wir sitzen daher jeden Tag zusammen und sprechen jeden Tag über Details.

Schafft der FCK auch zwei Jahre in der dritten Liga?

Martin Bader: Ja, die Frage ist nur wie. Unsere Aufgabe kann es nicht sein, alles auf die Karte „Aufstieg“ zu setzen, das wäre fatal. Wir müssen so vorbereitet sein, dass wir auch den Verein in einem längeren Zeitraum auf ein anderes Niveau bringen. Das ist, glaube ich, auch nachvollziehbar, weil die dritte Liga ein Geldfresser ist, gerade mit unserem Stadion.