Chris (Svenja Jung, l.) liebt ihrer Familie. Doch welches Geheimnis hält ihre Mutter Rosa (Anja Kling, r.) von ihr fern? (Foto: ZDF/Krzysztof Wiktor)

Steckbrief: Anja Kling

  • Geboren am 22. März 1970 in Potsdam
  • Deutsche Schauspielerin und Synchronsprecherin
  • Wurde  1989 mit der Hauptrolle in Herrmann Zschoches Spielfilm Grüne Hochzeit bekannt
  • Im wiedervereinigten Deutschland war die Rolle der Helke Hagedorn in der ZDF-Serie Hagedorns Tochter ihr Durchbruch
  • Auszeichnungen u.a.: 1995 und 2009 Goldene Kamera, 2004 Bambi, 2009 und 2012 Bayerischer Fernsehpreis

 

Berlin, Hauptstadt der DDR, 1988/89. Vor der glamourösen Kulisse des Friedrichstadt-Palastes wird eine deutsch-deutsche Familiengeschichte erzählt. Die Solotänzerin Chris steht plötzlich ihrer bis dahin unbekannten Zwillingsschwester Marlene aus Westdeutschland gegenüber. Beide versuchen, hinter das Familiengeheimnis zu kommen, das zu ihrer Trennung kurz vor dem Mauerbau 1961 führte. 

Der Event-Dreiteiler „Der Palast“ ist am Montag, 3. Januar, Dienstag, 4. Januar und Mittwoch, 5. Januar, jeweils um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen. In der ZDF-Mediathek sind bereits ab Montag, 27. Dezember, sechs Folgen à 45 Minuten abrufbar.

Der Drehstart des Dreiteilers „Der Palast“ verlief zunächst nicht wie geplant. Die Corona-Pandemie machte dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung. Die komplett hochgefahrene Produktion musste wieder heruntergefahren werden. Wann konnte der Dreh denn endlich beginnen und unter welchen Bedingungen? 

Anja Kling: Ich kann Ihnen gar nicht genau sagen, wann wir eigentlich beginnen wollten zu drehen, da ich ja nicht jeden Tag eingeplant war. Meine Anzahl an Drehtagen wurde einfach nach hinten verschoben, was für mich nicht so tragisch war, wie beispielsweise für die Kollegen, die wirklich die komplette Zeit daran gearbeitet haben. Die Bedingungen waren am Set natürlich wie bei allen anderen Drehs auch eingeschränkt, dennoch bin ich sehr dankbar, dass wir überhaupt während dieser Zeit arbeiten konnten. Das war in den Theatern und der Veranstaltungsbranche ganz anders. Insofern hat man auch vieles hingenommen. Wir wurden natürlich ständig getestet, hatten immer die Atemschutzmasken auf, was schon etwas schwierig ist, wenn man geschminkt ist, und mussten auf genügend Abstand achten. Aber wir alle haben uns daran gewöhnt und es war auf jeden Fall der bessere Weg mit der Situation klar zu kommen, als gar nicht arbeiten zu dürfen. 

In dem Dreiteiler prallen zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aufeinander. Der Palast erzählt eine Geschichte über Menschen in einem getrennten Deutschland. Sie spielen Rosa Steffen, die Mutter von getrennten Zwillingen. Wie haben Sie den Dreh erlebt? Wie ich gelesen habe, sind Sie auch im Osten aufgewachsen und als junge Erwachsene zusammen mit Ihrer Schwester in den Westen geflüchtet.

Anja Kling: Für mich war es natürlich eine Reise in die Vergangenheit. In den 80-er Jahren war ich ein junges Mädchen und nun spiele ich das, was meine Eltern damals waren. Es war eine spannende Reise in ein Land, in dem ich groß geworden bin, das es heute nicht mehr gibt.   

Eine der Zwillinge lebt im Westen die andere im Osten von Berlin. Sie gehen jedes mal ein enormes Risiko ein, wenn Sie die Grenze überqueren, um kurzzeitig in das Leben der anderen zu tauchen. Würden Sie sagen, es gibt gewisse Parallelen zu Ihnen, als Sie geflüchtet sind? Die Flucht in den Westen stellte bei Ihnen bestimmt auch eine sehr aufreibende und beängstigende Zeit dar.

Anja Kling: Oh ja, die Zeit war sehr angstbesetzt und aufreibend. Ich wusste nicht, wo ich mich hinbegebe. Bei den Zwillingen in „Der Palast“ ist es ja so, dass sie nicht vorhaben, das Land zu wechseln oder zu verlassen, sondern es ist wie eine Doppelte-Lottchen-Geschichte – wir tauschen mal kurzzeitig die Heimat. Bei uns war das anders. Wir haben sämtliche Brücken abgebrochen und wir wussten, dass wir nie wieder zurückkommen können, wir unsere Eltern wahrscheinlich nie mehr wieder sehen, und wenn, dann nur heimlich in einem anderen Land. Das ist eine ganz andere Nummer. Insofern kann man die Geschichte der Zwillinge mit meiner Flucht damals nicht vergleichen. 

In Ihrer Rolle als Rosa vertreten Sie das System der DDR und geraten mit Ihrer Tochter Marlene aus dem Westen aneinander, denn sie kann es überhaupt nicht nachvollziehen, wieso Sie dazu stehen.

Anja Kling: Das sind auch die Dinge, die ich mit meinen Eltern besprochen habe, denn ich bin ja nicht deren Generation. Ich habe damals nicht verstanden, dass es Menschen gab, die sich für dieses System begeistern konnten. Meine Eltern konnten mir das aber sehr gut verdeutlichen, auch wenn sie selbst keine Kommunisten waren. Mit dem Kommunismus hat man versucht, eine bessere Gesellschaftsform zu finden. Im Laufe der Zeit und der geschichtlichen Entwicklung haben wir aber gelernt, dass Kommunismus von Menschen nicht lebbar ist. Menschen teilen nicht alles gleich, sind nicht immer gerecht und es gibt es Menschen, die die Macht ausnutzen und in ihre eigene Tasche wirtschaften. Damals hat natürlich keiner gedacht, dass die Mauer so lang bestehen bleiben würde. Das versucht Rosa ihrer Tochter Marlene aus dem Westen zu erklären. Marlene sieht das natürlich ganz anders. Aber sie ist auch in einem anderen Land groß geworden. Wenn man sich geschichtlich mit diesem Thema auseinandersetzt, kann man beide Haltungen gut verstehen.

Rosa (Anja Kling, 2.v.r.) fürchtet sich davor, auch Chris (Svenja Jung, M.) zu verlieren. (Foto: ZDF/Julia Terjung)

Gibt es eine Szene, die Ihnen von den Dreharbeiten am meisten in Erinnerung geblieben ist?

Anja Kling: Was ich beim Dreh leider gar nicht mitbekommen habe, aber jetzt im Nachhinein gesehen habe, sind die großartigen Shows. Die sind unglaublich toll! Hut ab vor Svenja Jung, die beide Zwillingsschwestern, Chris und Marlene, spielt. Sie konnte tatsächlich das Allermeiste selbst tanzen. Es ist beeindruckend, wie viel sie geleistet hat. Das muss ich schon sagen. Was im Vergleich zu anderen Dreharbeiten eher ungewöhnlich war ist, dass wir viele Szenen mehrfach drehen mussten. Svenja Jung gibt es eben nur einmal, deshalb mussten wir alle Einstellungen in zwei Varianten drehen.

Konnten Sie sich den Dreiteiler schon ansehen?

Anja Kling: Ich habe eine Rohschnittfassung gesehen, wobei noch einiges an Bildern fehlte. Aber einen Eindruck habe ich dadurch definitiv bekommen.

Was möchte denn die Autorin des Dreiteilers den Zuschauern vermitteln?

Anja Kling: Zunächst dachte ich, es handelt sich um eine Doppelte-Lottchen-Geschichte. Die Autorin Rodica Doehnert stammt ursprünglich ja auch aus der DDR. Ich glaube, dass sie die unterschiedlichen Lebens- und Sichtweisen in ein und derselben Zeit in einem geteilten Land aufzeigen möchte und wie durch eine junge Generation ein Zusammenkommen ermöglicht wurde.

Wie kam es dazu, dass Sie eine Autobiografie über sich und Ihre Großfamilie herausgebracht haben? Weiter ging es dann mit dem Buch „Zwei Schwestern, eine Geschichte“

Anja Kling: Wir sind schlicht und einfach gefragt worden, ob wir dazu Lust hätten, und die hatten wir. Es ist keine Autobiografie in einer chronologischen Reihenfolge unseres Lebens, sondern es sind eigentlich Geschichten aus unserem Leben. Darin steht auch die Flucht-Geschichte, aber auch lustige Kindergeschichten und Geschichten, die uns im Beruf passiert sind. Das als Autobiografie zu bezeichnen, ist, glaube ich, zu hoch gegriffen. Im Moment sitzen wir an diesem Buch, um eine Lesung daraus zusammen zustreichen, denn wir gehen bald auf Lesereise.

Sie sind ein absoluter Familienmensch. Lebten lange mit Ihren Eltern und der Familie Ihrer Schwester und einem Dach. 

Anja Kling: Nein, das stimmt nicht ganz. Als wir Kinder waren, haben wir natürlich alle zusammen gelebt. Seit wir erwachsen sind, haben meine Eltern ihr eigenes Haus. Ich habe mit meiner Schwester zusammen unter einem Dach gewohnt. Wir haben uns zusammen ein Zweifamilienhaus gekauft und meine Eltern leben nebenan in ihrem Haus. 

Es ist einfach schön, wenn die Familie so nah zusammen lebt.

Anja Kling: Das sehe ich auch so und ich liebe es sehr.

Sie haben bereits in so vielen unterschiedlichen Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt. Bevorzugen Sie ein bestimmtes Genre? 

Anja Kling: Nein, ich bediene gerne alles und es ist auch ein großes Privileg , wenn man als Schauspielerin alles spielen darf. Man wird gerne in Schubladen gesteckt und ist somit in einem Fach gefangen. Dass ich es mir in den Jahren als Schauspielerin erarbeitet habe, alle Sparten bedienen zu dürfen, ist für mich eine große Freude. Kommt es im Laufe eines Jahres zu dieser Abwechslung, ist die Freude noch größer. Wenn man eine Komödie gespielt habt, hinterher ein Drama und dann vielleicht noch einen Krimi und was Historisches, dann macht der Beruf so richtig Spaß. 

Das kann ich mir vorstellen. Herzlichen Dank, Frau Kling, für das nette Gespräch.