Steckbrief: Claudia Michelsen

  • Geboren am 4.2.1969 in Dresden.
  • Ausbildung: Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin.
  • Seit 2013: Ermittlerin (Rolle: Doreen Brasch) im ARD-Polizeiruf 110 in Magdeburg.
  • Auszeichnungen u. a.: Goldene Kamera (12 heißt: Ich liebe Dich, 2008; Der Turm 2013), Grimme-Preis (Der Turm, 2013; Grenzgang, 2014).
  • Botschafterin der Kindereinrichtung „Arche“ in Meißen.

______________________________________________________________

Am kommenden Wochenende (Sonntag, 21. März, 20.15 Uhr) startet die Reihe „Ku‘damm 63“ im ZDF. Es ist die dritte Staffel der Nachkriegsserie, in der sich alles um die Familie Schöllack und ihre Tanzschule dreht. Claudia Michelsen spielt eine der Hauptrollen: Caterina Schöllack. Wir haben im Vorfeld mit der Schauspielerin über die Produktion gesprochen.  

Wie haben Sie die Dreharbeiten unter Pandemiebedingungen erlebt?

Claudia Michelsen: Als wir im Februar letztes Jahr angefangen haben zu drehen, lief zunächst noch alles normal. Aber schon im März mussten wir den Dreh komplett unterbrechen – und konnten erst im August die Arbeit wieder aufnehmen. Dann natürlich unter sehr strengen Hygieneauflagen. Wir wurden regelmäßig getestet, hinter der Kamera trug das Team Masken und die Abstandsregeln wurden natürlich umgesetzt und eingehalten. Ich habe normalerweise gerne engen Kontakt zum Team und zu meinen Kollegen und Kolleginnen – Abstand und Maske haben das natürlich erschwert. Dieses Gefühl kennt inzwischen jeder. Ich bin sehr dankbar, dass wir Kudamm überhaupt zu Ende bringen konnten, denn die Situation für die meisten Künstler und die Veranstaltungs- und Kulturszene in diesem Land ist desaströs. 

Wie geht es Ihnen als Schauspielerin denn zurzeit?

Claudia Michelsen: Normalerweise bin ich sehr viel unterwegs und mache Lesungen – die fallen natürlich allesamt weg im Moment. Aber ich bin deswegen nicht in einer Existenznot. Ab April werde ich auch wieder vor der Kamera stehen. Aber ich bekomme sehr viel von Freunden und Kollegen mit, die extrem leiden. Ich kenne einige junge Musiker, für die diese Situation katastrophal ist. Freiberufler und Selbstständige bekommen kaum Unterstützung. Dass man eine ganze Branche – die unter anderem enorme Umsätze macht und von der seelischen Notwendigkeit für die Menschen ganz zu schweigen –dass man diese Branche SO links liegen lässt, kann ich nicht nachvollziehen. Aber auch im Bereich Bildungs- und Sozialpolitik sieht es nicht besser aus. Ich kann nicht nachvollziehen, dass ein reiches Land wie Deutschland es nicht schafft, unser aller Kinder und Jugendliche angemessen aufzufangen. Wenn ich auf all die Versäumnisse eingehe, sprengt das an dieser Stelle allerdings den Rahmen. Die Frage wäre deswegen eher, wie es mir als Mitbürgerin in dieser Situation geht. Und da gibt es eben viele Dinge, die mich belasten. Ich versuche, das auszugleichen, indem ich mich auf Familie, Freunde und die Arche konzentriere. Was die Arche jeden Tag leistet, ist enorm.

Sie sind in der DDR aufgewachsen. Heute stehen immer wieder Menschen auf der Straße, die gegen die Pandemie-Maßnahmen demonstrieren und behaupten, sie fühlen sich an die Zustände in der DDR erinnert. Können Sie das in irgendeiner Weise nachvollziehen?

Claudia Michelsen: Wir leben in einer Demokratie und es ist richtig, dass jeder hier laut seine Meinung sagen kann! Problematisch wird es, wenn solche Demonstrationen von eindeutig radikalen politischen Strömungen vereinnahmt werden. Dann sollte der gesunde Menschenverstand Alarm schlagen! Ich kann den Frust auf der einen Seite nachvollziehen, aber würde nie so weit gehen, die Maßnahmen der Regierung mit denen einer Diktatur zu vergleichen. Es gibt keinerlei Erfahrungswerte, wie wir mit solch einer Situation umgehen sollen. Da können nicht alle Maßnahmen von Anfang an genau richtig sein. Das ist klar. Allerdings gibt es in vielen Bereichen inzwischen offensichtlich Handlungsbedarf. Dass an diesen Stellen trotzdem nichts passiert, ist viel schlimmer als die Einschränkungen, mit denen wir uns im Alltag zurzeit auseinandersetzen müssen. Immerhin geht es uns besser als den meisten Menschen in anderen Ländern, das sollte man sich auch immer wieder bewusst machen. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist es ein umso größeres Armutszeugnis für Deutschland, dass es an so vielen Stellen an notwendiger Unterstützung fehlt! 

Kommen wir zu erfreulicheren Themen und zum Grund, warum wir heute miteinander sprechen: Im März wird die dritte Staffel der Ku’damm-Reihe im ZDF ausgestrahlt. Sie verkörpern die Rolle der Caterina Schöllack, eine konservative, sehr auf ihren Ruf bedachte Frau. Welche Rolle hätte eine Frau wie sie heute in unserer Gesellschaft?

Claudia Michelsen: Das ist eine spannende Frage und ich kann die Antwort natürlich nur vermuten: Caterina Schöllack ist geprägt von der Zeit, in der sie aufgewachsen ist. Die Nachkriegszeit hat den Frauen geradezu preußische Disziplin abverlangt. Sie waren Vater und Mutter zugleich, sie mussten alleine die ganze Familie versorgen. Deswegen gibt es viele Beispiele von Frauen aus dieser Zeit, die alle eine ähnliche, fast militante Art an den Tag gelegt haben. Das fängt beim Äußeren an: ihre gerade, aufrechte Haltung dient als Schutz. In den neuen Folgen blättert diese Fassade allerdings immer mehr. Caterina tritt einen neuen Lebensabschnitt an, mit weniger Kraft und Glanz als zu früheren Zeiten. Wir erzählen Caterina um einiges älter, sicherlich auch verursacht durch den Unfall, der ihr passiert.

Schauen Sie sich die Produktionen, in denen Sie mitgewirkt haben, nach Fertigstellung denn selbst nochmal an? 

Claudia Michelsen: Ehrlich gesagt, nein nicht immer. Durch den Filmschnitt, das Editing, entstehen ja Figuren nochmal ganz neu. Es fallen Momente weg und andere wiederum werden verstärkt. Und manchmal entsteht auf diese Weise ein Film, den man aufgrund des Drehbuchs und der Dreharbeiten so gar nicht erwartet hätte. Durch die Nachbearbeitung kann eine Geschichte eine ganz andere Gewichtung bekommen. Und deswegen variiert das Schauen der eigenen Arbeiten. Aber es ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung, glauben Sie mir. 

Sie scheinen manchmal überrascht über die Ergebnisse zu sein?

Claudia Michelsen: Ja, das bin ich wirklich manchmal (lacht)! Schon deswegen muss ich mir meine Filme dann doch manchmal noch einmal anschauen, um zu wissen, ob sie so geworden sind, wie ich es beim Dreh empfunden habe oder doch ganz anders.

Was denken Sie, warum ist die Ku’damm-Reihe so erfolgreich? Was macht für den Zuschauer den besonderen Reiz aus? 

Claudia Michelsen: Ich stehe ja auf der Seite der Macher und kann die Frage deswegen eigentlich gar nicht beantworten. Ich vermute, die Filme bieten eine perfekte Mischung zwischen Drama und Leichtigkeit. Die Zuschauer fühlen sich gut unterhalten und werden vom Rock’n’Roll mitgerissen, trotzdem hat die Handlung eine gewisse Tiefe und berührt auf emotionaler Ebene. 

Sie haben vorhin schon kurz Ihre Arbeit für die Arche angesprochen, die Ihnen sehr am Herzen liegt. Wie kam es dazu?

Claudia Michelsen: Ich glaube, es ist inzwischen über 15 Jahre her, als wir das erste Mal aus eigener Initiative heraus die Arche kontaktiert haben. Auslöser war ein Buch von Arche-Gründer Bernd Siggelkow und Wolfgang Büscher, das ich damals gelesen hatte. Mir war vorher ehrlich gesagt nicht klar, welch großes Problem es in Deutschland mit Kinderarmut gibt und wie viel jeder einzelne Arche-Mitarbeiter täglich leistet, um Kinder von der Straße zu holen. 

Seit vielen Jahren setzt sich Claudia Michelsen für Kinder ein. (Foto: Eventpress)

Wie sieht denn die Arbeit der Arche genau aus?

Claudia Michelsen: Die Stiftung gibt Kindern einen Raum, warmes Essen, Hausaufgabenbetreuung, Freizeitangebote. So entsteht ein großes Miteinander, was für viele der Kinder ein einzigartiges Gefühl ist. Ein Zuhause. Manche von ihnen haben in ihrem Leben noch nie ihren Geburtstag feiern können. Ich bin bei der Arbeit für die Arche auch schon einmal einem elfjährigen Jungen begegnet, der noch nie zuvor mit Messer und Gabel gegessen hatte. Die meisten Menschen in Deutschland bekommen von diesen Missständen gar nichts mit, denn Armut findet hinter geschlossenen Türen statt und ist nicht per se sichtbar. 

Sehen Sie sich als Schauspielerin in besonderer Verantwortung, sich zu engagieren und als Vorbild zu handeln?

Claudia Michelsen: Nein. Mein Engagement für die Arche ist ein inneres Bedürfnis. Ich habe Bernd Siggelkow einmal gefragt, warum er das alles auf sich nehme und er sagte mir: „Ich möchte nicht irgendwann von dieser Welt gehen, ohne am Ende zu wissen, warum ich hier war.“ Das ist ein schöner Gedanke! Gerade in Zeiten wie diesen, sollte sich vielleicht jeder ab und zu damit auseinandersetzen – ich weiß, Nächstenliebe klingt groß, aber ist vielleicht auch ein kleiner Schlüssel zum eigenen Glück. 

Welche Wünsche haben Sie denn für die Zukunft, was die Gesellschaft und die Politik betrifft?

Claudia Michelsen: Selbstständige und Freiberufler müssen unbedingt ernster genommen werden in Deutschland, die Existenz der Kultur- und Veranstaltungsbranche muss gesichert werden. Wir fallen durch alle Raster, das ist absolut untragbar. Das ist ein großer Wunsch, den ich habe. Der wichtigste ist allerdings, dass in diesem Land mehr für unsere Kinder getan wird. Dieser Wunsch steht mit großem Abstand ganz weit oben. Denn hier gibt es einfach viel zu gravierende Defizite. Unsere Kinder sind unsere Zukunft – und wir investieren viel zu wenig in diesem Bereich. 

Haben Sie konkrete Forderungen an die Politik?

Claudia Michelsen: Bleiben wir bei den Kindern. Erst einmal müssten die Rechte der Kinder ins Grundgesetz aufgenommen werden – da bewegt sich glücklicherweise ja gerade etwas! Ansonsten ist das Thema natürlich extrem komplex: Es geht beispielsweise um die Frage, wie man Kinder in Armut am besten auffangen kann. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Kinder morgens ohne Frühstück in die Schule gehen! Freies Schulessen wäre ein Anfang. Aber auch kostenfreie Freizeitangebote im Bereich Musik, Sport oder Kunst müssten für alle Kinder gleichermaßen zugänglich sein. Hartz 4 müsste wieder abgeschafft werden, ein fataler Fehler in der Sozialpolitik, wodurch sich die Zwei-Klassen-Gesellschaft in Deutschland manifestiert hat. Als Kind in einer Hartz 4-Familie aufzuwachsen, bedeutet in den allermeisten Fällen, Außenseiter zu sein: Man kann an Klassenfahrten nicht teilnehmen, kann sich soziale Teilhabe nicht leisten usw. Wie kann das sein, in einem Land wie diesem?