Unter vier Augen: Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) über Koalitionspartner, die EU und Verantwortung
Am 24. September steht in Deutschland die Bundestagswahl an. Wie unser Nachbar Frankreich dürfen auch wir zur Wahlurne gehen und unsere Stimme abgeben. In diesem Wahljahr nutzte Markus Eisel die Chance und traf sich mit diversen Politikern verschiedenster Parteien, um mit ihnen über die politische Situation in Deutschland zu sprechen. Den Auftakt macht Anton Hofreiter von Bündnis 90/Die Grünen. Seit Oktober 2013 ist er neben Katrin Göring-Eckardt Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion.
Zu Beginn steigen wir gleich mit einer provokanten Frage ein: Die Grünen waren ja eine Protestpartei, sind aber jetzt eine etablierte Partei geworden. Ist es jetzt nicht so, dass man gegen das eigentliche Establishment etwas protestieren müsste?
Anton Hofreiter: Wir waren damals zu allererst nicht vor allem eine Protestpartei, sondern eine Bewegungspartei, die entstanden ist, weil damals ganz wichtige Themen in der etablierten Politik keine Rolle gespielt haben: Friedenspolitik, vernünftigerer Umgang mit dem, was damals „Dritte Welt“ genannt wurde, Umweltschutz, Landwirtschaft, die Anti-Atom-Frage und natürlich auch die Gleichberechtigungsfragen, ob nun in hetero- oder homosexuellen Beziehungen. Das waren ganz zentrale Punkte, die damals in der etablierten Politik noch keine Rolle gespielt haben. Das ist nun schon einige Zeit her, aber auch wenn ich mir das heute ansehe, dann sehe ich, dass diese Themen bei den anderen Parteien immer noch eine nur sehr untergeordnete Rolle spielen. Da hat sich traurigerweise weniger geändert als man denkt.
Grüne Politik ist ja in den öffentlichen Fokus gerückt durch die Gründung der Grünen und durch die Friedensbewegung. Manchmal sieht es so aus, als würden die Grünen ihre Grundthemen vernachlässigen. Was sagen Sie dazu?
Anton Hofreiter: Wir setzen im Wahlkampf auf unseren Kernbereich Ökologie und Umweltschutz, eine offene Gesellschaft und mehr Gerechtigkeit. Konkret: Wir wollen raus aus der industriellen Massentierhaltung, rein in die ökologische Landwirtschaft. Im Energiebereich wollen wir den Kohleausstieg durchsetzen, in Richtung 100 Prozent erneuerbare Energien. Wir wollen das erfolgreiche Modell der Bürgerenergiewende zurückbringen, sodass wieder mehr in Windkrafträder und Solaranlagen investiert wird. Im Verkehr möchten wir mehr Bus und Bahn, setzen auf E-Mobilität und wollen raus aus dem Verbrennungsmotor. Wir sorgen für mehr Gerechtigkeit – mit einem Familienbudget von 12 Milliarden, mit Kita-Plätzen für alle, mit Bürgerversicherungen, damit die „Zwei-Klassenmedizin“ ein Ende hat. Männer und Frauen müssen bei gleicher Arbeit endlich auch das gleiche Geld verdienen. Und wir werden die Ehe für alle und das Recht auf Familiennachzug durchsetzen. Das Recht auf Familie steht schließlich im Grundgesetz!
Bei uns in der Region scheitern die Installationen von Windrädern oft an Gegenwind seitens der Grünen, weil die Windräder nicht ins Naturbild passen. Aber es wird immer wieder proklamiert, dass wir erneuerbare Energien brauchen. Widerspricht sich das nicht?
Anton Hofreiter: Die letzte Landesregierung hat sehr viele Windkraftanlagen in Rheinland-Pfalz aufgestellt. Aber es gibt eben auch immer wieder Konflikte zwischen Naturschutz und Windkraft. Und wir haben gesagt: Solche Konflikte muss man lösen, indem man gut plant. Dazu gehört, dass man sowohl Naturschutzfragen wie auch Bürgerinteressen einbezieht. Also: Wo kommen Fledermäuse vor, wo der Rotmilan? Aus Naturschutzgründen ist nicht jeder Standort realisiert worden, aber eben doch sehr viele. Klar ist jedoch: Um unser Klima zu schützen, brauchen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien. Und da ist durch grüne Beteiligung viel erreicht worden.
Wenn es in Richtung Eifel geht, wurde sehr viel gebaut, da haben Sie Recht. Der Pfälzerwald bei uns ist ja das größte Waldstück Deutschlands, da wurde fast alles blockiert und da gab es genug Möglichkeiten, was zu machen. Ich frage also ganz wertneutral: Warum spricht man über erneuerbare Energien und verhindert es im gleichen Zug?
Anton Hofreiter: Das ist bei dieser Frage eine schwierige Abwägung. Wir brauchen 100 Prozent erneuerbare Energien, also muss man bauen – zugleich hat man auch vereinzelt ein Naturschutzproblem. Man muss sich daher jeden Einzelfall anschauen. Und man darf nicht vergessen, dass das Artensterben, das wir derzeit erleben, im Grunde ein genauso großes ökologisches Problem ist, wie die Klimakrise. Die Themen sind miteinander verschränkt. In Deutschland sind 30 Prozent der Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Daran sind zwar nicht die Windkraftanlagen schuld, aber wir müssen den Artenschutz in allen Bereichen sehr ernst nehmen.
Wenn wir beim Thema Umweltschutz und Ökologie sind: Ist die Entwicklung gerade im Bereich der Pestizide überhaupt aufzuhalten bei unserem aktuellen Lobbyismus?
Anton Hofreiter: Man braucht dafür politische Mehrheiten. Andere Länder zeigen, dass da durchaus etwas geht. Also zum Beispiel in Schweden: Hier sind die Pestizidmengen massiv reduziert worden und auch in Dänemark hat sich da was positiv entwickelt. Klar ist: Wir müssen aufhören, die Äcker immer weiter mit Pestiziden zu vergiften. Das zerstört langfristig unsere Lebensgrundlagen. Pestizide sind Teil des Problems und nicht etwa der Lösung. Das sollte auch die Bundesregierung endlich zur Kenntnis nehmen.
Bis sich die Natur dann wieder erholt hat, dauert es Jahrzehnte …
Anton Hofreiter: Ja, das dauert sehr lang. Das ist, wie gesagt, ein riesengroßes Problem, darum wollen wir hier auch vermeiden, dass wir die Natur achtlos zerstören.
Jetzt mach ich mal einen Brückenschlag zu der angedachten politischen Situation nach der Wahl – zu einer eventuellen rot-rot-grünen Koalition. Wie soll das funktionieren: Eine Partei wie die SPD, die die ganze Zeit die Politik mitträgt und mitbestimmt, soll sich dann auf die Ziele der Linken und Grünen einlassen?
Anton Hofreiter: Zuerst einmal: Wir Grüne gehen als eigenständige Kraft in diesen Wahlkampf. Die SPD ist dabei die Partei, die uns inhaltlich am Nächsten steht. Sie begründet ja auch immer, warum sie zum Teil eine auch in ihren Augen „falsche“ Politik mitträgt, z.B. dass die erneuerbaren Energien so blockiert werden. Sie sagen, das wäre angeblich alles die Schuld der Union und sie können da nichts tun und stellen sich ein bisschen als armes Hascherl dar. Das kann man nun glauben oder nicht, aber wenn es dann eine neue Regierung gibt, dann gibt es neue Verhandlungen, dann werden wir ganz zentral unsere Punkte einbringen. Ohne die Punkte Ökologie und Klimaschutz, offene Gesellschaft und Gerechtigkeit sind wir als Koalitionspartner nicht zu haben!
Ist der Weg zu der CDU und zu der SPD gleich weit entfernt? Es gibt ja auch andere Menschen in der Partei wie Kretschmann, der eher auf CDU-Linie liegt, oder nicht?
Anton Hofreiter: Man darf eines nicht vergessen: Auch Winfried Kretschmann hat darum gekämpft, eine grün-rote Landesregierung zu verteidigen und hat die grün-schwarze Landesregierung deshalb gemacht, weil es von den Wählerstimmen her nicht gereicht hat.
Aber er kommt durch seine Inhalte oft etwas konservativer rüber …
Anton Hofreiter: Natürlich steht Winfried Kretschmann eher für den wertkonservativeren Teil der Grünen und als Ministerpräsident hat er auch eine andere Rolle. Aber auch Winfried steht für den grünen Veränderungsimpuls, ganz besonders in der Ökologie.
Gehen wir davon aus, Rot-Rot-Grün funktioniert. Ich denke an Martin Schulz, der ja auch nicht so links steht, wie die SPD das vielleicht gerne hätte.
Anton Hofreiter: Martin Schulz ist nicht das unbeschriebene Blatt, als das ihn die SPD gerne darstellen will, aber für uns ist entscheidend, dass wir die Dinge entsprechend durchsetzen können. Natürlich muss man in einer Koalition Kompromisse eingehen, aber man muss sich fragen, was ist die Alternative: Weiterhin in der Opposition bleiben oder eben nicht. Im Moment sieht es in den Umfragen eher nicht so aus, als ob wir 51 Prozent kriegen würden. Wir wollen nicht in eine Koalition eintreten, nur um der Koalition willen. Wir möchten in eine Koalition eintreten, um ganz bestimmte Dinge durchzusetzen wie den Kohleausstieg oder den Ausbau erneuerbare Energien. Da wollen wir konkrete Änderungen haben! Wenn wir in die Koalition eintreten, wollen wir die Ehe für alle umsetzen! Und klar ist doch auch, dass wir nicht Milliarden für Aufrüstung ausgeben wollen. Die Bundesregierung hat Donald Trump zugesagt, dass Deutschland zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Aufrüstung und Waffen ausgeben will. Das halten wir einfach für falsch. Wenn wir unsere Ziele durchsetzen können, dann sind wir dabei, wenn nicht, dann nicht.
In der Gesellschaft sind ja nationalistische Tendenzen deutlich spürbar, nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise auch in unserem Nachbarland Frankreich. Warum schafft es die Politik nicht, klarzumachen, dass die EU ein Friedensstifter ist?
Anton Hofreiter: Ich glaube, dass das nicht mehr in dem Umfang gelingt, da erstens zu wenig darüber gesprochen wird und es zweitens uns allen einfach zu selbstverständlich erscheint. Deshalb muss man die Bedeutung der EU als Friedensprojekt deutlicher machen. Aber man darf auch nicht dazu verfallen, alles zu verteidigen, was auf EU-Ebene passiert, sondern man muss die europäische Einigung verteidigen und gleichzeitig einzelne Probleme, die es auf europäischer Ebene gibt, ansprechen. In Österreich war die Wahl für den Pro-Europäer Van der Bellen knapp, ist aber gut ausgegangen, ebenso in Holland, wo der Populist Wilders verhindert wurde. Man muss sich aber natürlich unbedingt damit beschäftigen, wie man die europäische Union so verbessern und verändern kann, dass deutlicher wird, dass Europa für jeden einzelnen Bürger ein positives Projekt ist.
Vielleicht ist es einfach mal möglich, dass sich die Parteien übergreifend darauf einigen, dass die EU ein Friedensstifter ist, dass man das gebetsmühlenartig wiederholt…
Anton Hofreiter: Das würde ich mir auch sehr wünschen. Wenn ich mal einen Blick auf die Partei werfe, die in Bayern sehr stark ist, dann ist das oft so: Wenn sie selbst etwas verbockt hat, das sie aber nicht zugeben will, dann heißt es schnell: „Ach, wir waren es gar nicht, das war die EU!“. Und ich glaube, dass das einer der Mechanismen ist, den die Europäische Union in Schwierigkeiten gebracht hat: Dass man sehr gerne nach dem Motto agiert, „Ach, wir waren es net, die EU war‘s!“. Und die EU ist so weit weg, und in gewisser Hinsicht so anonym, dass da keiner kommt, der sich wehrt, weil die das gar nicht mitkriegen, welcher Unsinn vor Ort erzählt wird.
Aber die Quintessenz ist dann, dass die Rechten genau aus diesem Halbwissen profitieren. Es fehlt einfach in der Bevölkerung ein Geschichtsbewusstsein.
Anton Hofreiter: Das fehlt mindestens bei manchen Regierungen. Sonst würden die die EU nicht als Sündenbock benutzen, sondern mehr tun, um den europäischen Zusammenhalt zu sichern.
Wie sehen Sie das Thema Sicherheit? Gerade wenn wir über eine latente Terrorgefahr sprechen?
Anton Hofreiter: 100-prozentige Sicherheit wird es wohl nirgends geben, aber durch einen starken Fokus auf Präventionsarbeit kann viel geleistet werden. Das ist der erste Schritt. Als zweiten Punkt braucht man eine gut ausgestattete Polizei und hier mehr Personal. Und als dritten Punkt muss man dafür sorgen, dass die Sicherheitsbehörden besser zusammenarbeiten und klare Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Nach dem schrecklichen Anschlag mit einem Lastwagen in Berlin gibt es ja offene Fragen. Warum wurde Anis Amri nicht früher verhaftet? Haben Geheimdienste die Polizei nicht ausreichend informiert? Das muss umfassend aufgeklärt werden.
Aber dann müsste man die Gesetze verschärfen…
Anton Hofreiter: Inwiefern verschärfen?
Ich sag es mal so: in Deutschland gibt es ja rund 600 Gefährder und man wartet ja nur, bis etwas passiert ist…
Anton Hofreiter: Genau dafür fordern wir mehr Polizei. Beamte müssen die Gefährder überwachen können. Anis Amri hatte man auf dem Schirm. Da war das geltende Recht ja ausreichend, man hat nur nicht durchgegriffen. Das muss aufgeklärt werden.
Könnte man jetzt nicht auch Gefährder verhaften oder muss man warten, bis was passiert ist?
Anton Hofreiter: In diesem speziellen Fall hätte man Amri in Haft nehmen können. Er hatte schon vor dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt diverse Straftaten begangen und war seit langem als hochmobiler Gefährder bekannt, prahlte offenbar mit Anschlagsplänen. Es gab konkrete Hinweise. Allerdings hat man mittlerweile den Eindruck, dass Geheimdienste das Interesse hatten, ihn weiter abschöpfen zu können – und ihn deshalb nicht verhaften wollten. Dem gehen wir jetzt nach. Ein Teil der Gefährder ist im Gefängnis, etwa die Hälfte ist im Ausland, und nach allem, was man weiß, sind die Top-Gefährder 20 bis 40 Leute – und Amri war einer von ihnen.
Also man weiß, wer sie sind, die 20 bis 40, oder?
Anton Hofreiter: Wie gesagt, man hätte Amri verhaften können schon aufgrund der geltenden Gesetze, aber man hat es nicht gemacht. Hier haben die Behörden versagt. Die Bundesregierung will nun mit ihren Vorschlägen zur Fußfessel, zur verlängerten Abschiebehaft den Bürgern mehr Sicherheit vorgaukeln. Der Fall Amri zeigt auch – das alles hätte nichts gebracht Einige Maßnahmen wie man die Gefahr potentieller Anschläge mindern kann, habe ich schon genannt. Wir setzen vor allem auch auf die gezielte, engmaschige Überwachung solcher Gefährder. Die Sache ist die: Wenn Leute konkrete Straftaten planen oder sogar begehen, dann muss das verfolgt und sie müssen dafür verhaftet werden. Im Vorfeld müssen sie intensiv überwacht werden. Man kann Leute nicht verhaften, nur weil man vermutet, dass sie eine Straftat irgendwann mal begehen wollen – da wären wir wieder im Gesinnungsstrafrecht. Aber bei Amri ging es nicht darum, dass man es vermutet hat, sondern es gab konkrete Hinweise für Anschlagsabsichten. Und daher hätte man ihn nach alldem, schon bevor er den Anschlag gemacht hat, verhaften beziehungsweise auch ausweisen können.
Ich möchte noch auf die Atompolitik zu sprechen kommen: 2011 war Fukushima. Dann war relativ schnell der Atomausstieg …
Anton Hofreiter: …also der Wiedereinstieg in den Atomausstieg. Es war ja schon mal alles beschlossen.
Aber dann ist der Kanzlerin diesbezüglich unheimlich viel Gegenwind entgegengekommen. Sie musste sich entscheiden: Ausstieg – ja oder nein. Aber es scheint manchmal, als hätte sie machen können, was sie will – es wäre falsch gewesen.
Anton Hofreiter: Nein, sie hätte im Herbst 2010 nicht in die Atomkraft wiedereinsteigen müssen. Das hat sie revidiert. In unseren Augen hätte der Atomausstieg schneller gehen können, denn jeder Tag, an dem ein Atomkraftwerk läuft, ist eine Gefahr! Dazu kommt, dass Müll produziert wird und es gesamtwirtschaftlich unwirtschaftlich ist, wenn man weiß, was dieser ganze Müll eigentlich kostet. Aber es ist in der Politik ja häufig so, dass, wenn man Entscheidungen trifft, es Leute gibt, die damit nicht einverstanden sind. Deswegen war der Kampf mit dem Atomausstieg ja so ein harter, weil eine ganze Industrie, nämlich die Atomindustrie, einen schweren wirtschaftlichen Schaden erlitten hat.
Eine andere Frage: Präsident Trump hat ja TTIP quasi außer Kraft gesetzt, oder? Eigentlich müsste das ja auch auf Ihrer Linie sein, oder?
Anton Hofreiter: Er hat die Verhandlungen beendet. Es war ja noch nicht in Kraft. Er macht das allerdings aus nationalistischen Gründen. Ich halte TTIP in dieser Form für falsch. Das hat sich nicht geändert. Wir halten sehr viel von fairen Handelsabkommen, aber eben nicht von Verträgen, die unsere Standards senken und eine Sondergerichtsbarkeit für Konzerne schaffen.
Thema Mindestlohn: Jetzt kommt der Mindestlohn und jetzt sind wir als kleiner Mittelständler, der Austräger bezahlt, auf verlorenem Posten. Und zwar aus dem Grund, dass der Stücklohn auf einen Stundenlohn umgerechnet wird. Die Kosten explodieren, weil Leute, die sich was dazu verdienen möchten, Rentner zum Beispiel, kann ein Mittelständler gar nicht mehr beschäftigen. Die Umrechnung vom Stücklohn zum Stundenlohn hat dem Betrug Tor und Tür geöffnet, das sage ich klipp und klar.
Anton Hofreiter: Da muss man aber ehrlicherweise sagen, dass der Mindestlohn im Schnitt wahnsinnig vielen Leuten geholfen hat. Ich weiß, dass das in der Zeitungsaustragebranche nicht einfach ist, aber ich kenne so viele Beispiele von Hotel- und Reinigungskräften, Friseurinnen und Arbeitskräften in unterschiedlichen Bereichen, es kommt auf den Betrieb drauf an, die wurden zum Teil miserabel bezahlt und die kriegen jetzt wenigstens 8,50 Euro. Also in fast allen Branchen hat der Mindestlohn den Leuten wirklich geholfen.
Also wenn ich davon lebe, sind 8,50 Euro noch zu wenig. Aber wenn ich mir was dazuverdienen will, wird es mir eigentlich nur schwerer gemacht mit diesem System.
Anton Hofreiter: Es geht beim Mindestlohn eben auch darum, Wettbewerb mit Niedrigstlöhnen zu verhindern. Und was sie ansprechen, ist meiner Erfahrung nach sicher eine spezielle Problematik. Überall da, wo der Aspekt des Alleinarbeitenden dabei ist, wir haben halt so große Probleme im Niedriglohnsektor, das ist einfach insgesamt trotz aller Schwierigkeit eine positive Maßnahme. (eis/yv)