Steckbrief: Julia-Niharika Sen

  • Geboren am 28. April 1967 in Kiel
  • Studium der Anglistik und Romanistik
  • „Niharika“ bedeutet „Sternennebel“ in der bengalischen Sprache
  • Als Film-Autorin berichtete sie aus dem Ausland, u. a. über Kinderarbeit in Indien
  • Mitbegründerin des Vereins „Freundeskreis Tara for Children e. V.“
  • Seit Januar 2021 spricht sie die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau

Steckbrief: Constantin Schreiber

  • Geboren am 14. Juni 1979 in Cuxhaven
  • Lebte längere Zeit in Syrien und erlernte die arabische Sprache
  • Jura-Studium u.a. an der University of Oxford
  • Von 2009 bis 2011 Medienberater für den Nahen Osten im Auswärtigen Amt, begleitet Politiker:innen auf Nahost-Reisen u.a. Angela Merkel
  • Seit Januar 2021 spricht er die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau

Die Welt ist immer in Bewegung, zwei Jahre beherrschte die Corona-Pandemie die Nachrichten. Dieser Tage ist es der Angriff Russlands auf die Ukraine. Wie erleben Sie diese besondere Nachrichtenlage? 

Julia-Niharika Sen: Mich persönlich haben die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine erschüttert. Ich bin morgens aufgewacht und habe mich beim Blick aufs Handy und die ersten Nachrichten gefragt: wie geht es den Menschen dort in diesen Minuten, die bis zuletzt gehofft hatten, dass es vielleicht doch noch irgendeine friedliche Lösung geben könnte? Die Bilder verzweifelter Eltern, die mit ihren Kindern im Auto versuchten aus Kiew und anderen Orten zu fliehen, sind mir – trotz aller professioneller Distanz in aktuellen Nachrichtenlagen – sehr nahe gegangen. Und mir ist mehr denn je bewusst geworden, was für ein unglaubliches Glück es war, dass meine und viele andere Kinder in Deutschland im Frieden aufwachsen konnten. 

Waren Sie für die Tagesschau im Einsatz als Putin den Krieg befahl? Musste Sie kurzfristig einspringen bei Sondersendungen? 

Julia-Niharika Sen: Nur wenige Stunden vor den russischen Angriffen in der Nacht zu Donnerstag hatte ich Dienst als Moderatorin beim ARD Nachtmagazin. Am späten Mittwochabend hatte es bereits erneute Warnungen aus den USA gegeben, dass ein russischer Angriff unmittelbar bevorstünde. Ob er nun tatsächlich stattfinden würde, war für uns natürlich weiterhin nur schwer abzusehen, obwohl sich die Zeichen verdichteten. Natürlich ist die ARD-aktuell Redaktion rund um die Uhr auf alle erdenklichen Szenarien vorbereitet und das Team von Tagesschau, Tagesschau24 und später auch der Tagesthemen hat am Donnerstag ja praktisch nonstop berichtet, als es in der Ukraine plötzlich losging mit den russischen Angriffen. Ich hatte erst am Donnerstagabend wieder Dienst und habe die 20 Uhr-Ausgabe der Tagesschau präsentiert. Eine Sendung, die mir sicher lange, wenn nicht für immer, im Gedächtnis bleiben wird. Denn vom Ausbruch eines Krieges mitten in Europa zu berichten, lässt wohl niemanden kalt. 

Hoffnung auf ein Ende gibt es beim Thema Corona. Jetzt wird über Lockerungen gesprochen. Was hat Ihnen in der Corona-Zeit besondere Sorgen bereitet?  

Julia-Niharika Sen: Dass wir Kinder und Jugendliche viel zu wenig im Blick hatten. Und dass sie gerade im Lockdown erschreckend „unsichtbar“ wurden. Für viele bedeutete der Distanzunterricht ja nicht nur gemütliches Zuhause bleiben und lernen, viele wurden schulisch einfach abgehängt. Und nicht nur das: Kinderschutzorganisationen hatten ja davor gewarnt, dass man Kinder, die wegen familiärer Spannungen in Gefahr seien, nicht schützen könne, wenn wichtige Warnmelder wie Kitas und Schulen geschlossen würden. Das hat sich ja leider sehr bewahrheitet. 

Also auch auf Ihrer Agenda stand und steht die Pandemie ganz oben, die vergangenen zwei Jahre die Nachrichten beherrschte?

Julia-Niharika Sen: Beruflich natürlich, aber für mich persönlich war die Pandemie auch eine Zeit des Innehaltens. Ich habe gelernt, die kleinen Dinge des Lebens wie ein gutes Essen oder eine besondere Begegnung mit Freunden nochmal ganz neu zu schätzen. 

Herr Schreiber, in der deutsch-arabischen Sendung Marhaba zeigen Sie, wie wichtig den Deutschen Regeln und die Befolgung dieser sind. Z.B. wenn es darum geht, Ampeln zu beachten. Warum glauben Sie, tun sich viele dieser regelverliebten Deutschen nun so schwer mit der Einhaltung der Corona-Regeln?

Constantin Schreiber: Wenn ich draußen unterwegs bin, sehe ich, dass die Corona-Regeln längst Bestandteil unseres Alltags geworden sind. Menschen setzen selbstverständlich eine Maske auf, halten selbstverständlich Abstand. Neulich habe ich in der S-Bahn einen Mann gesehen, der keine Maske trug. Das fiel auf. 

Sie wurden kritisiert, als Sie in der Tagesschau die Nachricht verlesen haben, dass der Bayernspieler Joshua Kimmich sich nun doch impfen lassen möchte – und zwar an zweitwichtigster Stelle der Sonntagsnachrichten. Welchen Einfluss hat man als Sprecher auf die inhaltliche Gestaltung einer Sendung.

Constantin Schreiber: Bei der 20 Uhr-Sendung sind unsere inhaltlichen Einflussmöglichkeiten äußerst begrenzt. Wir sind Sprecher, die Aufgabe ist die Präsentation, die korrekte und seriöse Vermittlung der Texte, die für uns geschrieben werden. Wenn uns etwas Sprachliches auffällt oder wir etwas nicht logisch finden, kann man das natürlich anmerken.

Frau Sen, Sie haben einige Reportagen in Deutschland gedreht, aber auch schon in Indien: Wie unterscheidet sich die Recherche und der Umgang mit Interviewpartnern und Quellen hier und in Indien?

Julia-Niharika Sen: Grundsätzlich unterschiedet sich die Recherche nicht. Genauso, wie man hier für einen Film durch persönliche Vorgespräche mit Interviewpartner*innen, aber auch Quellen wie Agenturen oder Institutionen, mit denen man Kontakt aufnimmt, an wichtige Informationen kommt, funktioniert das auch in Indien. Je nach Thema ist es allerdings sehr unterschiedlich, wie „auskunftsfreudig“ man da ist. Der Dreh dort ist allerdings oft wesentlich schwieriger und – man könnte fast sagen – etwas verrückter als hier. Wenn man in Indien eine Kamera an den Straßenrand stellt und eine Szene für eine Reportage drehen will, dann stehen schnell hundert Menschen um einen herum, drängen ins Bild oder machen Faxen. Das ist natürlich eine Herausforderung, aber auch manchmal sehr lustig…

So unbeschwert geht es aber nicht immer beim Dreh zu oder?

Julia-Niharika Sen: Als ich in Indien eine Reportage über Kinderarbeit gedreht habe, war das offenbar nicht so erwünscht. Während des Drehs tauchte die Polizei auf und wollte uns am Weiterdrehen hindern. Solche Situationen habe ich auch bei anderen Themen des Öfteren erlebt. 

Herr Schreiber, Sie haben auch schon in anderen Teilen der Welt gedreht. Sie sind in Wilhelmshaven aufgewachsen, haben aber einige Jahre Ihrer Jugend in Syrien verbracht, dort haben Sie auch die arabische Sprache erlernt und die Kultur gelebt. Worin unterscheiden sich Deutsche und Araber am meisten?

Constantin Schreiber: Die arabische Welt besteht aus vielen unterschiedlichen Ländern – Marokko ist zum Beispiel kulturell ganz anders geprägt als Syrien, Ägypten oder die Golfstaaten. Länderübergreifend kann man aber feststellen, dass die Menschen eine gewisse Entspanntheit im Umgang miteinander an den Tag legen und auch ein positives Miteinander trotz aller Krisen, die es auf politischer Ebene gibt, pflegen. Die Menschen gehen im Alltag sehr herzlich, warm, offen und freundlich miteinander um. In Deutschland ist es doch eher so, dass die Menschen gern für sich bleiben oder in ihren Gruppen. Man tauscht sich im Alltag nicht einfach mal locker auf der Straße mit unbekannten Menschen aus. 

Herr Schreiber, Sie haben schon unheimlich viel von der Welt gesehen, haben in unterschiedlichen journalistischen Bereichen gearbeitet, seit vergangenem Jahr gehören Sie zu dem Team der 20-Uhr-Tagesschau-Sprecher und -Sprecherinnen – sind Sie nun angekommen oder anders gefragt: Ist das Ihr Traumberuf?

Constantin Schreiber: Ich kann schon sagen, dass dies ein Traumjob ist. Die Tagesschau hat eine unheimlich hohe Relevanz und Strahlkraft. Keine andere Sendung im Deutschen Fernsehen hat diese auch generationenübergreifende Strahlkraft. Keine andere wird von so vielen Menschen eingeschaltet wie die Tagesschau – sowohl bei den Älteren als auch bei den Jüngeren. Es verleiht einem ein ganz besonderes Gefühl, wenn man diese Sendung präsentieren darf.

Sie haben einen beeindruckenden Lebenslauf, dieser liest sich wie der einer älteren Person, die den Großteil ihres Lebens schon hinter sich hat – Sie sind aber gerade einmal 42 Jahren alt. Über Ihr Privatleben oder Ihre Hobbys ist kaum etwas zu lesen. Was machen Sie denn, wenn Sie nicht gerade vor der Kamera stehen?

Constantin Schreiber: Das ist eine bewusste Entscheidung von mir, mit meinem Leben abseits der Kamera nicht hausieren zu gehen. Meiner Meinung nach ist das auch eine Typfrage, deswegen bin ich auch Nachrichtenmensch geworden und nicht in der Unterhaltungsbranche gelandet. Es drängt mich nicht mit meinem gesamten Leben an die Öffentlichkeit. Es spielt sich darin aber auch wenig Spektakuläres ab. Ich schätze es sehr, Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen, auch sportlich bin ich einigermaßen aktiv. Ansonsten belasse ich es auch mit dieser Antwort, da will ich nicht zu viel verraten (lacht).

Einen Versuch war es mir aber Wert (lacht).