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Klimakrise, Pandemie, struktureller Wandel – mal ganz ehrlich: Wie teuer wird die Zukunft?

Die Wissenschaft ist sich einig: Je später wir handeln, desto teurer wird es. Darum müssen wir jetzt ins Machen kommen. Wir sehen ja, welche dramatischen Folgen die Klimakrise jetzt schon in Europa hat, wenn Menschen nach der Flutkatastrophe in Deutschland oder den schlimmen Waldbränden in Südeuropa alles verlieren. Die nächste Bundesregierung muss Klimaschutz zur Priorität machen. Union und SPD haben in den letzten Jahren viele Entwicklungen schlicht verschlafen, haben sich weggeduckt. Das zeigt ganz klar: Eine Regierung ohne Grüne ist wie Klima ohne Schutz. Wir brauchen jetzt Tempo und das nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch bei der Digitalisierung und der Transformation unseres Wirtschaftsstandortes. Wir müssen jetzt in unsere Zukunft investieren, unser Land erneuern. Darum geht es bei dieser Bundestagswahl und dafür trete ich an. Deshalb schlagen wir ein Investitionsprogramm von 500 Milliarden Euro über die nächsten zehn Jahre vor. Das Geld muss in den Breitbandausbau fließen, in eine zukunftsfeste Infrastruktur oder auch in den klimaneutralen Umbau von Wirtschaft und Industrie.

Wie kann man sicherstellen, dass auch in 15, 25 und 50 Jahren noch angemessene Renten ausbezahlt werden?

Das Rentenniveau ist bereits spürbar abgesunken. Wir wollen verhindern, dass diese Entwicklung weiter geht und mindestens 48% dauerhaft garantieren. Dafür setzen wir unter anderem auf eine Bürgerversicherung und eine hohe Erwerbstätigkeit, indem wir beispielsweise sicherstellen, dass Frauen nach einer Pause leichter in den Beruf zurückkommen können. Und wir wollen auch die kapitalgedeckte Vorsorge auf neue Füße stellen. Riester hat den Versicherungen aber nicht den Versicherten genutzt. Wir setzen stattdessen auf einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds nach schwedischem Vorbild. So erzielen wir eine höhere Rendite.

Wie kann man verhindern, dass Wohnen immer teurer wird?

Letztendlich braucht es mehr Wohnungsneubau, damit sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannt. Auch da haben Union und SPD übrigens ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreicht. Noch immer entstehen weniger neue Sozialwohnungen, als jedes Jahr verloren gehen. Hier müssen wir mehr tun. Das wird allerdings noch dauern, daher müssen kurzfristig Bundesländer und Kommunen die Möglichkeit bekommen, mit rechtssicheren Maßnahmen, wie z.B. Mietobergrenzen, auf bestimmte Trends zu reagieren. Außerdem wollen wir den Mietanstieg auf maximal 2,5% pro Jahr deckeln und die zahlreichen Ausnahmen der Mietpreisbremse abschaffen.

Weil es unsere Branche direkt trifft: Wie sehen die Pläne Ihrer Partei für den Mindestlohn in Zukunft aus? Warum wird keine Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenerwerb/Vereinen und Unternehmen gemacht?

Wir wollen den Mindestlohn sofort auf 12 Euro anheben. Über weitere Schritte entscheidet dann die Mindestlohnkommission, allerdings sollte der Mindestlohn im gleichen Maße wie die Tariflöhne steigen. Schon heute sind die Ausnahmen beim Mindestlohn ein Problem und führen zu Umgehungen. Weitere Unterscheidungen wären daher nicht hilfreich und schwer zu kontrollieren. Wir müssen vielmehr die Kontrollen stärken und Umgehungen durch Scheinselbständigkeit und Werkverträge verhindern. Wenn alle den Mindestlohn ausnahmslos zahlen müssen, nutzt das vor allem den Unternehmen, die heute schon vernünftige Arbeitsbedingungen anbieten.

Die Pandemie hat gezeigt, dass weltweite Abhängigkeiten auch negative Folgen haben können, hinzu kommen Menschrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in einigen Ländern, mit denen wir wirtschaftlich kooperieren. Wie möchten Sie damit umgehen?

Handel ist eine wichtige Grundlage unseres Wohlstandes: Fairer Handel trägt zur Vertiefung internationaler Partnerschaften und damit auch zu einer sicheren Welt bei. Gerade in Zeiten, die zunehmend unter den Vorzeichen eines Systemwettbewerbs zwischen demokratischen und autoritären Staaten stehen, setzen wir auf eine proaktive Handelspolitik. Wir wollen einen multilateralen Welthandel und Handelsabkommen, die dem Wohlstand aller Menschen dienen, die Umwelt- und Klimaschutz sowie die Einhaltung der Menschenrechte einfordern und die Beziehungen mit unseren Partner:innen im Einsatz für Demokratie und Freiheit stärken. Viel zu oft kaufen wir aber Dinge, deren Herstellung auf dem Raubbau an Mensch und Natur basiert, obwohl wir das gar nicht wollen. Damit Unternehmen künftig Umwelt- und Sozialstandards, Menschenrechte sowie Klima- und Artenschutz entlang der gesamten internationalen Wertschöpfungskette durchsetzen, braucht es ein verbindliches und wirksames Lieferkettengesetz auf nationaler wie europäischer Ebene.

Welche Vision haben Sie für deutsche Innenstädte in den kommenden 20 Jahren?

Innenstädte und Ortskerne sind das Herz einer jeden Stadt. Ich wünsche mir, dass wir Städte vielfältiger, lebenswerter, grüner und auch sicherer machen. Darum wollen wir es den Städten erleichtern, den Ausbau von Geh- und Radwegen voranzutreiben und mehr Grünflächen zu schaffen. Wir verfolgen das Leitbild einer nachhaltigen Stadt der kurzen Wege. Einzelhandel und Gewerbe sollen eine fußläufig erreichbare Nahversorgung anbieten können. Digitale Technologien werden stationäre und online-Ansätze miteinander verbinden, z.B. durch Click and Reserve – Produkte online recherchieren und bezahlen und im Laden abholen. Ich stelle mir Innenstädte vor, in denen das Leben pulsiert. Dazu gehört auch, kleineren Gewerben wie Handwerksbetrieben, sozialen und Kulturprojekten sowie Clubs mit einem Gewerbemietrecht eine zentrale Lage in den Städten zu bewahren und neu zu ermöglichen.

Was können Sie – als Politikerin – besser als Ihre Kontrahent:innen?

Ich stehe klar für Erneuerung, dafür das Land zu modernisieren, um unseren Wohlstand zu sichern. Überall im Land höre und erlebe ich den Wunsch nach Veränderung. Dafür setze ich mich ein – fürs „Weiterso“ stehen die anderen.

Sie sind als Frau und Grünen-Politikerin – erwiesenermaßen – besonders vielen Hetzkampagnen ausgesetzt. Was ist Ihre Strategie dagegen?

Diese Polarisierung ist ja – leider – nichts Neues. Davon betroffen sind neben uns Spitzenpolitikerinnen und –politikern auch viele Menschen, die sich kommunalpolitisch engagieren oder auf andere Weise ehrenamtlich aktiv sind. Diese Entwicklung kann dazu führen, dass sich Menschen aus der Öffentlichkeit zurückziehen und gefährdet auch unsere Meinungsvielfalt und unser demokratisches Miteinander. Aus meiner Sicht ist es daher wichtig, dass wir alle zusammenstehen und Menschen, die Hass und Hetze erfahren, den Rücken stärken, auch über parteipolitische Grenzen hinaus. Darüber hinaus müssen wir auch die Digitalkonzerne stärker in die Verantwortung nehmen. Einige Plattformen haben bereits erste Schritte getan, aber das reicht nicht aus. Es braucht klare Regeln, damit die sozialen Plattformen vertrauenswürdige Nachrichtenquellen noch stärker priorisieren und offensichtliche Falschmeldungen konsequent und schnell löschen.

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